Urteil zu Verfassungsschutz und AfD: Begriffe als Pranger

Das Verwaltungsgericht Köln untersagt dem Verfassungsschutz, die AfD als rechtsextremen „Verdachtsfall“ einzustufen. Die Begründung überzeugt nicht.

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke bei einer Wahlveranstaltung

Im Fokus der Verfassungsschützer: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke Foto: Michael Dalder, reuters

Ist die AfD eine eindeutig verfassungswidrige Partei, ist sie ein Verdachtsfall oder nur ein Prüffall? Darüber diskutieren die Verfassungsschützer schon seit über zwei Jahren. Und die Gesellschaft wird immer ungeduldiger, will endlich Klarheit. Dass die Klärung nun ausgerechnet zu Beginn des Superwahljahrs 2021 erfolgen sollte, war aber eine Schnaps-Idee, wie die letzten Tage gut illustriert haben.

Ende Februar hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD vom Prüffall zum Verdachtsfall hochgestuft. Sie war damit offizielles „Beobachtungsobjekt“ des Verfassungsschutzes. Gegen diese Hochstufung hatte die AfD schon vorab geklagt. Doch bis zu einem ersten Gerichtsurteil im Eilverfahren, in dem die Frage zumindest grob geprüft wird, dauert es einige Monate. Derzeit wird nur darüber gestritten, was bis zu dieser ersten gerichtlichen Eilentscheidung gilt.

Gilt die AfD bis dahin bereits als Verdachtsfall oder muss die Einstufung bis zur ersten gerichtlichen Prüfung warten. Operativ hat das so gut wie keine Bedeutung. Ob die AfD in den kommenden Monaten mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden kann oder nicht, ist ziemlich irrelevant. Welcher Flügel sich gerade innerparteilich durchsetzt, sieht man ja ganz offen, bei Programm-Debatten, bei der Aufstellung von Wahllisten. Dafür braucht man keine Telefonate abzuhören.

Nein, es geht nur um den Begriff als Pranger. Die AfD will kein „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ sein und ihre Gegner wollen den stigmatisierenden Begriff so schnell wie möglich nutzen. Die erste Einigung zwischen Gericht und Bundesamt war naiv: Der Verfassungsschutz durfte die AfD als Verdachtsfall einstufen, aber nicht darüber reden – um der AfD den Pranger zu ersparen. Das ging natürlich schief, wie wir in dieser Woche gesehen haben.

Völlig falsches Timing

Die Hochstufung wurde bekannt, alle Medien schrieben darüber – zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Doch wie das Verwaltungsgericht Köln nun reagiert, ist erst recht absurd. Die Kölner Richter machten ausschließlich das Bundesamt für diesen Super-Pranger verantwortlich.

Das Bundesamt habe entweder die Information selbst an die Medien „durchgestochen“ oder es habe nicht ausreichend dafür gesorgt, dass die Hochstufung der AfD geheim bleibt. Dabei gab es doch viele Mitwisser, etwa die Landesämter für Verfassungsschutz und die Geheimdienskontrolleure des Bundestags. Es ist gut möglich, dass das Oberwaltungsgericht (OVG) Münster, die Verantwortlichkeit des Bundesamts nicht so einseitig sieht und daher die Einstufung als Verdachtsfall bestehen lässt.

Das wäre dann der nächste Paukenschlag, vielleicht wenige Tage vor den Landtagswahlen. Die Schlussfolgerungen werden so oder so schief und manipulativ sein. Wenn die AfD beim OVG gewinnt, wird sie jubeln: „AfD zu Unrecht als Verdachtsfall gebrandmarkt“. Wenn das Bundesamt gewinnt, werden die anderen Parteien die AfD nur noch als „gerichtlich bestätigten rechtsextremen Verdachtsfall“ bezeichnen. Und das obwohl es doch nur um eine Übergangsphase bis zur ersten inhaltlichen Gerichtsentscheidung geht.

Die Klärung, ob die größte Oppositionspartei im Bundestag vom Verfassungsschutz beobachtet werden soll, ist heikel genug. Aber diese Klärung ausgerechnet in einer Zeit permanenten Wahlkampfs zu versuchen, ist geradezu demokratieschädigend.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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