Urteil zu Geflüchteten in Schweden: Bleiben bis zum 108. Geburtstag
Eine Afghanin wird laut einem Gerichtsurteil doch nicht abgeschoben – sie ist 106 Jahre alt. Doch die Abschiebung könnte dafür ihre Familie treffen.
Doch Schweden meint keinen Platz für die Greisin aus Afghanistan zu haben. Im Sommer war ihr Asylantrag abgelehnt worden und das zuständige „Migrationsverket“ ordnete die Ausweisung der 106-jährigen an. Hohes Alter allein sei kein Bleibegrund konstatierte die Behörde und auch ihr Gesundheitszustand kein Abschiebehindernis. Diese Entscheidung löste sowohl in Schweden als auch im Ausland Empörung aus.
„Ist es für Schweden wirklich so unmöglich, dieser Frau ein würdiges Lebensende bei uns zu ermöglichen“, fragte ihre Anwältin Farzaneh Dehdari und erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht in Göteborg.
Das sieht in einer am Mittwoch ergangenen Entscheidung zwar auch keine individuellen Asylgründe, hob aber den Ausweisungsbeschluss gegen Bibihal Uzbek auf. Es sei nicht ersichtlich, wie eine Frau in diesem extrem hohen Alter, die noch dazu nahezu blind und bewegungsunfähig sei, eine Reise nach Afghanistan absolvieren solle.
Labiler Gesundheitszustand
Vielmehr bestehe ein erhebliches Risiko, dass sich ihr höchst labiler Gesundheitszustand verschlechtern könne. Abgesehen davon würde es für sie auch keine Möglichkeit geben in Afghanistan zurechtzukommen.
Unter humanitären Gesichtspunkten wäre es deshalb „geradezu anstößig“ ihr die Rückkehr in ihr Heimatland zuzumuten. Der gegen sie ergangene Ausweisungsbeschluss wird vom Gericht als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ und als Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention charakterisiert.
„Darauf hatten wir gehofft“, freut sich Anwältin Dehdari. Allerdings gibt es neben Licht auch Schatten. Das Gericht räumt erst einmal nur ein 13-monatiges Bleiberecht ein und das auch nur für Bibihal Uzbek persönlich und nicht für ihre restliche Familie. Ihre Verwandten sind bislang ebenfalls von einem Ausweisungsbeschluss betroffen.
Nun bekam das Migrationsverket vom Gericht die Auflage, darüber eine neue Entscheidung zu treffen. Vorsichtshalber wird der Behörde von den RichterInnen aber noch eine ausdrückliche Anleitung mit an die Hand gegeben, damit nicht erneut ein Menschenrechtsverstoß herauskommt.
Es sei wohl angebracht aufgrund Uzbeks Situation auch der Familie ein 13-monatiges Bleiberecht – mit einer anschließenden Verlängerungsmöglichkeit – zu gewähren. Ob das beim Amt verstanden wird? Fortsetzung folgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich