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Urteil zu Freihandelsabkommen CetaNach der Klage ist vor der Klage

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen das Freihandelsabkommen Ceta zwar abgewiesen. Doch die Sache ist damit noch lange nicht gelaufen.

Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen gegen Ceta zurückgewiesen Foto: U. J. Alexander/imago

E s sieht so aus, als wäre das Rennen gelaufen – aber der Schein trügt: Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen die vorläufige Anwendung des EU-kanadischen Freihandelsabkommens Ceta zwar weitgehend abgewiesen. Ob Ceta in Gänze verfassungskonform ist, ist damit aber keineswegs entschieden.

Mit dem Votum der Rich­te­r:in­nen ist der Startschuss zur Ratifizierung des umstrittenen Wirtschaftspakts gefallen. Die Ampel-Parteien hatten sich darauf verständigt, die Entscheidung aus Karlsruhe abzuwarten. Die Ratifizierung ist kein Automatismus. Für die Grünen dürfte sie heikel werden, denn viele ihrer An­hän­ge­r:in­nen lehnen den Handelsvertrag energisch ab.

Hunderttausende sind vor wenigen Jahren gegen Ceta und das gescheiterte Schwesterabkommen TTIP mit den USA auf die Straße gegangen. Dafür gab es gute Gründe: Pakte wie diese sichern Konzernen Vorrechte, mit denen der Ver­brau­che­r:in­nen­schutz und die Rechte von Ar­beit­neh­me­r:in­nen ausgehebelt werden können. Durch Ceta könnte ein Privatisierungsdruck entstehen, der etwa Kommunen zum Verkauf von städtischen Betrieben zwingt.

Immerhin hatte die Protestbewegung einen Erfolg: Die umstrittenen privaten Schiedsgerichte mit Klageprivilegien für Unternehmen wurden modifiziert, stattdessen soll es eine Art Handelsgerichtshof geben. Doch Konzerne sollen nach wie vor klagen können, wenn politische Entscheidungen – zum Beispiel zum Klimaschutz – anvisierte Gewinne beeinträchtigen.

Zu Recht warnen Organisationen wie der BUND davor, dass das die sozial-ökologische Transformation aushebeln kann. Zu diesen Klageprivilegien hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert, denn sie sind nicht Teil der vorläufigen Anwendung. Im Zuge der Ratifizierung kommt das Thema aber unweigerlich auf den Tisch, spätestens wenn das entsprechende Zustimmungsgesetz des Bundestags vorliegt. Dieses Gesetz sollte unbedingt den Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen vorgelegt werden. Einige NGOs kündigten bereits an, eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Zustimmungsgesetz zu prüfen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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2 Kommentare

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  • Mit dem Zusatzprotokoll, was die Wallonen rein verhandelt haben ist das eigentlich akzeptabel geworden.



    TTIP ist eh mittelfristig vom Tisch und die Schiedsgerichte sind in NAFTA 2.0 (USMC) auch komplett raus.



    Da wird sich wohl auch hier was machen lassen.

    Wobei: Wie gesagt die Zusatzprotokolle von Gabriel+Wallonen haben schon fixiert, dass keinerlei Privatisierungsverpflichtungen und Einschränkungen des Rechtes zu Regulieren bestehen. Und wenn das klargestellt ist, stellt sich nur noch die allg. Sinnfrage nach Zollerleichterungen, die aber schon seit '17 in Kraft sind ohne Schaden.

  • Meine Reaktion nach den ersten Pressemeldungen liefen auf eine heftige Gerichtsschelte hinaus. Aber zum Glück müssen Gerichtsurteile im Rechtsstaat akribisch begründet werden, und nach Lektüre der Pressemitteilung des Gerichts (www.bundesverfassu...22/bvg22-022.html) über diese Begründung bleibt in der Sache Lob: Die Abweisung der Verfassungsbeschwerden stützt sich fast ausschließlich auf nachvollziehbare formale Gründe und gibt genug Hinweise darauf, wie eine materielle Entscheidung aussehen könnte, wenn CETA vollumfänglich (einschl. der unsäglichen Befugnisse des "gemeinsamen Ausschusses" und des Streitschlichtungsverfahrens) in Kraft gesetzt werden sollte.

    Nicht nachvollziehen kann ich allerdings, warum diese rein formale Abweisung sechs Jahre in Anspruch genommen hat.