Urteil zu Freihandelsabkommen Ceta: Nach der Klage ist vor der Klage
Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen das Freihandelsabkommen Ceta zwar abgewiesen. Doch die Sache ist damit noch lange nicht gelaufen.
E s sieht so aus, als wäre das Rennen gelaufen – aber der Schein trügt: Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen die vorläufige Anwendung des EU-kanadischen Freihandelsabkommens Ceta zwar weitgehend abgewiesen. Ob Ceta in Gänze verfassungskonform ist, ist damit aber keineswegs entschieden.
Mit dem Votum der Richter:innen ist der Startschuss zur Ratifizierung des umstrittenen Wirtschaftspakts gefallen. Die Ampel-Parteien hatten sich darauf verständigt, die Entscheidung aus Karlsruhe abzuwarten. Die Ratifizierung ist kein Automatismus. Für die Grünen dürfte sie heikel werden, denn viele ihrer Anhänger:innen lehnen den Handelsvertrag energisch ab.
Hunderttausende sind vor wenigen Jahren gegen Ceta und das gescheiterte Schwesterabkommen TTIP mit den USA auf die Straße gegangen. Dafür gab es gute Gründe: Pakte wie diese sichern Konzernen Vorrechte, mit denen der Verbraucher:innenschutz und die Rechte von Arbeitnehmer:innen ausgehebelt werden können. Durch Ceta könnte ein Privatisierungsdruck entstehen, der etwa Kommunen zum Verkauf von städtischen Betrieben zwingt.
Immerhin hatte die Protestbewegung einen Erfolg: Die umstrittenen privaten Schiedsgerichte mit Klageprivilegien für Unternehmen wurden modifiziert, stattdessen soll es eine Art Handelsgerichtshof geben. Doch Konzerne sollen nach wie vor klagen können, wenn politische Entscheidungen – zum Beispiel zum Klimaschutz – anvisierte Gewinne beeinträchtigen.
Zu Recht warnen Organisationen wie der BUND davor, dass das die sozial-ökologische Transformation aushebeln kann. Zu diesen Klageprivilegien hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert, denn sie sind nicht Teil der vorläufigen Anwendung. Im Zuge der Ratifizierung kommt das Thema aber unweigerlich auf den Tisch, spätestens wenn das entsprechende Zustimmungsgesetz des Bundestags vorliegt. Dieses Gesetz sollte unbedingt den Verfassungsrichter:innen vorgelegt werden. Einige NGOs kündigten bereits an, eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Zustimmungsgesetz zu prüfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite