piwik no script img

Urteil zu AusländerbehördenKein Zwang zu Integrationskurs

Eine 62-jährige Türkin wurde von der Ausländerbehörde zu einem Integrationskurs verdonnert. Eine falsche Entscheidung, wie ein Gericht jetzt urteilte.

Das Urteil stellt fest: Nur integrationsbedürftige Ausländer sollen zu Integrationskursen verpflichtet werden. Bild: dpa

MANNHEIM dpa | Eine 62-jährige Analphabetin mit türkischem Pass darf nicht verpflichtet werden, an einem deutschen Integrationskurs teilzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellte in einem am Freitag veröffentlichten Urteil klar, dass Ausländerbehörden bei Integrationskursen einen Ermessensspielraum haben.

Für die Frau, die unter einer Krankheit leide, sei die Teilnahme unzumutbar. Außerdem habe sie die Integration ihrer Kinder „besonders erfolgreich“ abgeschlossen, betonte das Gericht. Die Türkin hatte geklagt, weil die Ausländerbehörde des Karlsruher Landratsamtes sie zu einem Kurs verpflichtet hatte.

Zuvor hatte das Verwaltungsgericht eine Klage der Frau abgewiesen – damit ging sie jetzt mit Erfolg vor. Die Hausfrau lebt seit 1981 in Deutschland bei ihrem türkischen Ehemann, der einen Lebensmittelladen betreibt. Alle sechs Kinder sind Deutsche und haben einen Schulabschluss, ein Sohn studiert Wirtschaftsinformatik. Es sei die ureigene Entscheidung der Klägerin, mit ihrer Familie nur türkisch zu sprechen, so die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs.

Nach dem Aufenthaltsgesetz müssten Ausländer nur dann einen Integrationskurs machen, wenn sie in besonderer Weise integrationsbedürftig seien – dies treffe auf die Frau nicht zu (Az.: 11 S 208/13). Das Gesetz zwinge die Behörden auch nicht, jemanden zur Kurs-Teilnahme zu verpflichten.

Das Urteil hat laut einem Gerichtssprecher zwar voraussichtlich eine Signalwirkung für andere Behörden, es müsse aber von Fall zu Fall entschieden werden. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • S
    Steffi

    Es ist mir schleierhaft, wie eine 62jährige Türkin, die seit 30 Jahren hier lebt, NICHT dazu verpflichtet werden kann, einen Deutschkurs zu absolvieren. Das ist der erste Schritt zur Integration. Ohne Verständigung kein Kontakt zu deutschen NachbarInnen. Aber natürlich: der türkische Lebensmittelladen ist gleich um die Ecke, der mann spricht deutsch, die Kinder auch, die gerne übersetzen.

    Es trägt zur Bildung bzw. Beibehaltung von Parallelgesellschaften bei, wenn die deutsche Sprache nicht Pflichtprogramm für alle Einwanderer wird.

  • DN
    Deutschland, noch immer in den 30ern

    Prima! Dieser Fall ist nur einer von sehr vielen. Ich habe eigene Erfahrungen in der Sache gemacht. Die meisten Deutschen haben keine Ahnung, welcher Schikane Ausländer in Deutschland ausgesetzt sind. Das Lernen der deutschen Sprache wird nur vorgeschoben. Ich kann nur hoffen, dass Deutsche im Ausland zukünftig ebenso behandelt werden. Denn nur so wird bei uns wieder Vernunft einkehren.

    Ich schäme mich dafür, dass die CDU und CSU in Deutschland sich in Konkurrenz zur NPD sehen.

    • G
      gast
      @Deutschland, noch immer in den 30ern:

      Mein Gott ja genau die NPD.

       

      Fall Sie nie die Medien sehen, jeder der irgendwo einwander, muss bereits bei der Einreise die Sprache können und das ist auch gut so.

       

      Nur gibt es halt Leute die leben 20 od. auch 40 Jahre hier und sprechen immer noch nicht deutsch, weil sie es auch nicht wollen und da man meist ohnedies unter sich bleibt spricht man nur die Muttersprache.

       

      Was Schikanen betrifft, ja, die gibt es mehr als genug hier und das meist unangebracht, aber manche Menschen mit bestimmter Hautschattierung passen halt so schön in die Raster die man durch Vorverurteilung getroffen hat. Es gibt sicher Kriminelle, aber die gibt es unter Deutschen sicher auch. Nur was Menschen zusammen treten betrifft da gibt es bestimmte Leute die damit sehr schnell zur Hand sind.

  • In diesem Einzelfall mag die Entscheidung zweifelhaft sein, aber ansonsten sollte man schon die deuschen Interessen vertreten. Wer hier leben will, muß auch unsere Kultur und Traditionen achten. Ich muß das im Ausland ja auch und das ist auch gut so.

    • K
      Kimme
      @Heiko:

      Sehe ich ähnlich, nach über 30 Jahren in Deutschland und mit einem Alter von 61 Jahren ist so eine "Integrationsmaßnahme" unnütz. Außerdem sehje ich durch die hier erworbenen Bildungsabschlüsse der Kinder eine insgesamt ausreichende wenn nicht gar gute Integration der Familöie vorhanden, was in diesem Fall auch die Mutter mit einschließt. Da sollte man das Geld sinnvoller einsetzen.

      Generell halte ich Integrations- und Sprachkurse aber für sinnvoll, solange sie auch richtig durchgeführt werden. Ein 3-wöchiger Sprachkurs hat da wenig Sinn.