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Urteil in SchottlandParlamentsschließung „ungültig“

Ein schottisches Gericht gibt Klägern gegen Boris Johnsons „prorogation“ des britischen Parlaments recht. Das letzte Wort hat nun das oberste Gericht.

Urteilsverkündung in Edinburgh, Mittwoch Foto: ap

Berlin taz | Ein Gericht in Schottland hat die am Dienstag erfolgte Beendigung der Sitzungsperiode des britischen Parlaments („prorogation“) für rechtswidrig erklärt. Der entsprechende Antrag des Premierministers Boris Johnson an die Queen sei „ungesetzlich, weil er den Zweck hatte, das Parlament auszuschalten“, urteilte der schottische Court of Session – das oberste schottische Gericht für Zivilsachen – am Mittwoch.

„Das Gericht wird dementsprechend erlassen, dass der Antrag des Premierministers an die Queen und die darauf erfolgte ‚prorogation‘ ungesetzlich war und somit ungültig ist“, endet die zweiseitige Zusammenfassung des Urteils, die das Gericht am Mittag veröffentlicht. Der komplette Urteilstext wird am Freitag erwartet.

Boris Johnson hatte am 28. August die Beendigung der laufenden Sitzungsperiode des Parlaments – bereits die längste seit dem Zweiten Weltkrieg – im Laufe der Woche des 9. bis 12. September verfügt; umgesetzt wurde das von der Queen. Die nächste Sitzung soll am 14. Oktober mit einer neuen Regierungserklärung beginnen.

Kritiker nannten diese „Zwangspause“ einen „Putsch“, der das Parlament in der heißen Brexitphase lahmlegen sollte, und reichten Klage in Schottland und England ein. Ein schottisches und ein englisches Gericht gaben vergangene Woche der Regierung recht; die „prorogation“ wurde daraufhin in der Nacht zum vergangenen Dienstag umgesetzt und das Parlament ist jetzt auf den 14. Oktober vertagt.

Es liegen nun zwei gleichrangige, aber gegensätzliche Urteile vor. Das letzte Wort hat das britische oberste Gericht in London, das am 17. September ein Urteil fällen will.

Rechtsauffassungen gehen auseinander

Aus Sicht der Kläger ist die Beendigung der Sitzungsperiode des Parlaments jetzt nicht mehr legal und das Parlament muss weiter tagen. Ein walisischer Labour-Abgeordneter besuchte umgehend am Mittwochmittag die leere Unterhauskammer und verkündete auf Twitter, Boris Johnson sei nicht da, obwohl die Fragestunde an den Premierminister laufe. Es war auch sonst niemand da, außer Touristen.

Das Büro des Parlamentspräsidenten, ohne dessen Anwesenheit das Parlament nicht tagen kann, ließ wissen, eine Rücknahme der „prorogation“ oder andere Schritte seien allein Sache der Regierung. Ein Sprecher des Premierministers sagte, die „prorogation“ laufe weiter und man warte das Urteil des obersten Gerichts ab, dem man in jedem Fall Folge leisten werde.

Die Rechtsauffassungen über die genaue Bedeutung des Urteils gehen auseinander, auch da bisher nur die Zusammenfassung vorliegt. Diese erklärt einerseits die „prorogation“ für ungültig, bezieht sich in der Sache aber nur auf den Antrag des Premierministers, nicht auf dessen Umsetzung duch die Queen.

Alles hängt nun an der Entscheidung des obersten Gerichts. Besonders kompliziert daran ist, dass schottisches und englisches Recht unterschiedlich sind und daraus nun zwei gegensätzliche Urteile entstanden sind. Der englische High Court befand, die Begründung für die „prorogation“ sei nicht justiziabel; der schottische Court of Sessions ist zum gegenteiligen Schluss gekommen.

Die Queen irregeführt?

Unklar ist auch, was folgen müsste, sollte das oberste Gericht die Ungültigkeit der „prorogation“ und damit das tatsächliche Fortdauern der gerade beendeten Sitzungsperiode feststellen. Tatsächlich bereiten sich die Abgeordneten nämlich schon auf ihre jeweiligen Jahresparteitage ab dem kommenden Wochenende vor. Ob sie stattdessen in London weitertagen wollen, ist offen.

Die Kläger haben jedenfalls die Regierung aufgefordert, das Parlament sofort wieder einzuberufen. Rechtlich aber darf die Regierung zunächst das oberste Gericht abwarten.

Andererseits: Wenn die soeben beendete Sitzungsperiode in Wirklichkeit gar nicht beendet worden ist, werden auch Dinge wie neue Anträge auf Neuwahlen einfacher. Johnson könnte seinerseits außerdem einfach eine erneute „prorogation“ einleiten, diesmal rechtssicher begründet und kürzer. Kritiker fordern andererseits Boris Johnsons Rücktritt, sollte rechtsgültig festgestellt werden, dass er die Queen irregeführt hat, um das Parlament schließen zu können.

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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Nach fünf Minuten Recherche bekommt man raus, daß die englische Parlamentsschließung ein ganz gewöhnliches Verfahren ist, daß es bereits sehr lange gibt.

    • @Thomas Schöffel:

      Vor der schwierigen Aufgabe, einen Brexit so vernünftig wie möglich in kurzer Zeit über die Bühne zu bringen, stand man bislang allerdings noch nie und ob ausgerechnet eine Parlamentsschließung dabei jetzt angebracht ist, muss doch stark bezweifelt werden.

      • @Rainer B.:

        Ja nee, is klar. Da sollten die Engländer natürlich hier vorher bei uns anfragen, ob sie das machen dürfen, oder was?

        • @Thomas Schöffel:

          Nöö, „die Engländer“ können selbstverständlich gerne machen, was sie wollen. Boris Johnson ist aber meines Wissens nach nicht „die Engländer“.

          • @Rainer B.:

            Das weiß ich auch. Und ?

            • @Thomas Schöffel:

              Und jetzt wäre eigentlich der Punkt gewesen, wo Sie ihr Wissen auch mal selber hätten anwenden dürfen. (;-))

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Der geschwäzte Artikel 15 im Yellowhammer Paper :

    15. Angesichts der EU-Zölle sind Benzinexporte in die EU nicht mehr wettbewerbsfähig.

    Die Industrie hatte Pläne, die Auswirkungen auf die Raffineriemargen und die Rentabilität abzuschwächen, aber die Politik der britischen Regierung, die Einfuhrzölle auf 0% festzusetzen, untergräbt diese Pläne versehentlich. "

    Brexiteers oder Dilletanten bei der Arbeit ........

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    "Unklar ist auch, was folgen müsste, sollte das oberste Gericht die Ungültigkeit der „prorogation“ und damit das tatsächliche Fortdauern der gerade beendeten Sitzungsperiode feststellen."

    ==

    Dominic Grieve, Tory, war von Mai 2010 bis Juli 2014 Generalstaatsanwalt für England und Wales sowie Generaladvokat für Nordirland.

    Er hat ein statement veröffentlicht welches besagt:

    ""Wenn Johnson die Königin in Bezug auf die Gründe, die Prorogation führten, belogen oder in die Irre geführt hat, sollte er, wie die Entscheidung des schottischen Gerichts impliziert, zum Rücktritt gezwungen werden.""

    ==

    Das fordert nicht die Opposition - sondern ein ehemaliger Staatsanwalt und Mitglied der Tories.

    Boris Johnson wurde aus seinem Job beim Daily Telegraph in seiner Zeit als Journalist wegen Lügen heraus geschmissen.

  • Vielleicht lässt Boris Johnson seinen Stellvertreter nach Schottland fliegen, um beim einflussreichen Duke of Hamilton zu sondieren...

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Das ein schottisches Gericht die durch Johnson und Cummings veranlasste Schließung von Westminster als ungesetzlich beurteilt ist nur ein Teil der Niederlage die Boris Johnson heute erlitten hat.

    Andrea Leadsome hatte heute morgen im Namen der Johnson Regierung erklärt, das es nicht notwendig wäre das sogenannte Yellowhammer Papier



    zu veröffentlichen.

    Yellowhammer is ein offizielles Regierungspapier welches die Folgen eines No-Deal-Brexits aus Sicht der Regierung beschreibt.

    Am Monatg wurde vom Parlament per Abstimmung beschlossen das die Regierung das Papier veröffentlichen muß - aber der Regierung fällt nichts anderes ein als ein Statement abzugeben das das nicht notwendig sei.

    assets.publishing....ssumptions_CDL.pdf

    (Auszug aus yellowhammer, Teile geschwärzt und der begleitende Mailverkehr an den Civil Service wurde ganz weggelassen)

    Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen --

    1. Die Regierung will sich weigern einen Parlamentsbeschluss umzusetzen - Johnson möchte Informationen über die Folgen des Brexits verheimlichen.

    2.. Die Regierung behandelt seine Bürger wie Stimmvieh.

    Mit Lügen wurde eine knappe Mehrheit beim rechtlich nicht bindenden 2016 Referendum erreicht - um jetzt kurz vor der Angst verhindern zu wollen, das den Bürgern die gesamte Brutalität des von Johnson angestrebten No-Deal-Brexits klar wird.

  • Könnte jemand mal die zu Grunde liegenden Gesetze darlegen?



    Wieso hat das Gericht davor anders entschieden?



    www.bbc.com/news/uk-scotland-49661855

    Hier geht es doch im Grundsatz, wann konkret der MP Entscheidungen forcieren kann und wann dieser das Parlament befragen muss.



    Wo ist das rechtlich kodifiziert?

  • Au Backe - dann wird der Boris Johnson jetzt wohl erstmal einen Schottexit einleiten und die störenden Schotten aus dem Vereinigten Königreich ausschließen. Was sollte er auch sonst noch machen? (;-))

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Boris Johnson ist ein Verlierer wie ihn Großbritannien und Europa noch nicht gesehen und erlebt hat.

      Er hat sämliche Abstimmungen in Westminster verloren, lügt wie gedruckt das er mit der EU verhandelt - was er nachgewiesenermassen nicht tut - traut sich aber nicht das 82seitige Propagandapapier der "Alternativen Gruppe" vorzulegen die nichts als heiße Luft produziert hat als Scheinalternative für den Backstop. -

      Er schickt die Abgeordneten in eine Zwangspause weil er widerrechtlich Westminster geschlossen hat - und stachelt damit nur die Wut der Opposition und der Remainer an.

      Boris Johnson zeigte alle Anzeichen ein double von Donald Trump zu sein.

      Jetzt wartet jeder darauf das sich sein Spruch "lying dead in the dich" sich irgendwie materialisiert - soll heißen das er mit seinen Sprüchen Hohn und Spott erntet wie ihn wohl kaum ein britischer und dannn noch ein bislang nicht gewählter Premiere jemals erlebt hat.

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Alles richtig, aber als den eigentlichen Verlierer sehe ich nach wie vor immer noch David Cameron, der diesen Super-Gau ohne Not und fahrlässig eingeleitet hat und damit Leuten wie Johnson und Farage erst dieses schwachsinnige Brexit-Geschenk machte.