Urteil im Komplex Bergisch Gladbach: Zwölf Jahre Haft
Ein zentraler Beschuldigter wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder in Bergisch Gladbach wurde verurteilt. Er führte Ermittler:innen zu vielen anderen Verdächtigen.
Der Verurteilte musste sich in dutzenden Fällen wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Vergewaltigung und Verbreitung der Darstellung der Gewalt gegen Kinder verantworten. Die meisten Taten betrafen seine eigene 2017 geborene Tochter, der er regelmäßig in Abwesenheit der Mutter sexualisierte Gewalt angetan haben soll.
Die Anklage gegen Jörg L. fußte maßgeblich auf Bildern und Videos, die er von den Taten gemacht hatte. Gezielt habe er dafür Zeiten ausgenutzt, in denen seine Ehefrau nicht zu Hause gewesen sei, erklärte die Staatsanwaltschaft. Der 43-Jährige hatte sich im Prozess zu den Vorwürfen geäußert, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Den Antrag hatte die Nebenklage-Anwältin gestellt, die die Tochter vertritt. Sie wollte das kleine Mädchen schützen.
L.s Taten führten die Ermittler:innen zu einem weit verzweigten Netzwerk von Pädokriminellen, die Kinder sexualisierte Gewalt antaten, beziehungsweise untereinander diese Darstellungen tauschten. Die Anklage forderte im Prozess eine Haftstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten und beantragte die Sicherungsverwahrung. Die Verteidigung stellte keinen konkreten Antrag zum Strafmaß, sprach sich aber gegen die Sicherungsverwahrung aus. Der aus Bergisch Gladbach stammende L. sitzt seit Oktober 2019 in Untersuchungshaft.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln gab es allein in Nordrhein-Westfalen zuletzt 201 Tatverdächtige im Komplex Bergisch Gladbach. Zwei Täter verbüßen Haftstrafen, sieben Verdächtige befinden sich in Untersuchungshaft. Seit ihrer Gründung im November gab die zuständige Ermittlungsgruppe „Berg“ 105 Hinweise an Behörden in allen 16 Bundesländern weiter. Der Missbrauchskomplex* ist dabei eine von drei großen Missbrauchsserien*, denen Ermittler in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen eineinhalb Jahren auf die Spur kamen.
Ein über Jahre unentdeckt gebliebener Komplex sexualisierter Gewalt gegen Kinder auf einem Campingplatz in Lügde erschüttert seit Januar 2019 die Öffentlichkeit. Der Fall mit rund 40 betroffenen Kindern gilt als einer der größten Skandale der vergangenen Jahrzehnte. Im Juni dieses Jahres deckten Ermittler:innen außerdem ein Netzwerk von Pädokriminellen in Münster auf.
*Anmerkung der Redaktion: In einem Reformpaket zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom Bundesjustizministerium vom 01. Juli 2020 heißt es völlig richtig: „Die Wortwahl ‚Missbrauch‘ ist unangebracht, da sie suggeriert, es gebe auch einen legalen ‚Gebrauch‘ von Kindern. Wir wollen künftig klare Begriffe verwenden: Es geht um sexualisierte Gewalt, die sich gegen Kinder richtet.“ Aktuell wird diese Formulierung noch häufig verwendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja