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Urteil gegen „Klagemauer“ in KölnVerstoß gegen den Jugendschutz

Vor dem Kölner Dom demonstriert Walter Herrmann seit den frühen 1990er Jahren gegen Israel. Nun wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Die „Klagemauer“ am Kölner Dom. Bild: Imago/Arnulf Hettrich

KÖLN taz | Es war ein Abgang, ganz wie er zu ihm passt. „Das ist ungeheuerlich, was Sie hier machen“, brüllte Walter Herrmann in Richtung Richtertisch. „Ich werde weitermachen.“ Dann packte der 76-jährige Erfinder der „Kölner Klagemauer“ seine Tragetasche und entschwand wutentbrannt noch während der Urteilsbegründung aus dem Saal.

In Rage versetzt hat Herrmann seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 15 Euro auf Bewährung wegen Verstoßes gegen den Jugendschutz. Damit folgte das Amtsgericht Köln bei der Verhandlung Ende vergangener Woche dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Es geht um 15 Fotos von grausam verstümmelten Kindern, die der frühere Hauptschullehrer an seiner „Klagemauer“ als vermeintliche Opfer Israels zeigt. Solche Bilder dürften nicht öffentlich auf dem Domplatz zur Schau gestellt werden, befand das Gericht. Jede Mutter und jeder Vater müsse „die Möglichkeit haben, zu entscheiden, ob das eigene Kind mit diesen Bildern konfrontiert werden soll“.

Walter Herrmanns Plakatwand vor dem Kölner Dom ist ein Dauerärgernis. Anfang der 1990er Jahre als „Manifestation für Frieden, Völkerverständigung und soziale Gerechtigkeit“ gestartet, beschränkt sich seine von der Polizei aus unerfindlichen Gründen geduldete „Dauerdemonstration“ seit gut einem Jahrzehnt auf eine demagogisch anmutende Hetze gegen den israelischen Staat und gegen Juden. Nach Ansicht Herrmanns betreibt der jüdische Staat „eine Apartheidpolitik, die viel schlimmer ist, als sie in Südafrika war“.

Warschauer Ghetto- und Hitlervergleiche

Auch ansonsten ist der gebürtige Würzburger nicht zimperlich mit historischen Vergleichen. Auf seinen Papptafeln ist die Rede von einem „Holocaust in Gaza“ oder finden sich Vergleiche der palästinensischen Gebieten mit dem Warschauer Ghetto und Netanjahus mit Hitler.

Walter Herrmann im Jahr 2007. Bild: Pascal Beucker

Fortdauernd wird Israel auch als ein Staat bezeichnet, der Kinder willkürlich und vorsätzlich ermorde. 2010 hatte eine von Herrmann gezeigte Bildcollage für Empörung weit über Kölns Stadtgrenzen hinaus gesorgt: Sie zeigte die Karikatur eines Juden, der in den Farben der amerikanischen Flagge mit Messer und Gabel ein auf einem Teller liegendes palästinensisches Kind zerteilt und verspeist.

Insbesondere jüdische Touristen reagierten häufig mit tiefem Schock auf diese öffentlichen Verunglimpfungen im Herzen Kölns. Die Kölner Synagogen-Gemeinde spricht von unerträglichen „Hetzparolen gegen Israel“. Auch der grüne Bezirksbürgermeister Andreas Hupke bezeichnet Herrmanns Agitation als „völlig einseitig, antisemitisch und nur abscheulich“.

Die 15 inkriminierten Fotos hat Herrmann jetzt erst mal mit Zetteln zugedeckt. „Zensiert! (aufklappbar)“ steht auf ihnen. Er will gegen das Urteil juristisch vorgehen, notfalls durch alle Instanzen.

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21 Kommentare

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  • Es mindestens sonderbar, die Meinungs und Demonstrationsrechte des Herrmann in der Konkordanzabwägung dem Jugendschutz vermeintlich betroffender Minderjähriger unterzuordnen.

     

    Ein Kind, dass alleine durch Köln streifen darf, sollte in einem Alter sein, in dem die besorgten Eltern ihm verständlich machen können, dass es diese Ecke/diese Fotos zu meiden hat.

     

    Hält sich das Kind nicht daran, liegt die Verantwortung dort, wo sie immer liegt, wenn ein Kind ein Verbot oder Gebot missachtet oder umgeht. Auch das ist Teil des Elterngrundrechtes.

    Es kann somit auch wenn die Fotos dort hängen, jeder Elternteil entscheiden ob die Kinder sich diese angucken sollen oder nicht, es erfordet nur mehr Aufwand.

     

    Ein real life Aufwand, wie er mit dem vergleichbar ist, eine Kindersicherung auf dem Kindercomputer zu installieren und zu instand zu halten.

     

    Unnachvollziehbar ist aber für mich derzeit, wie die Kunstfreiheit, unter die die Ausstellung von Fotografien zweifellos fällt, dem Jugendschutz nachstehen soll, ist die Kunstfreiheit doch schrankenlos.

     

    Wie schon vormals, würde ich eine Verlinkung zur Pressemeldung oder dem Urteil, wenn vorhanden, sehr begrüßen.

  • Die Familienregierung in Damaskus bombardiert die Wohnhäuser im Land, auch in Jarmuk, seit 3 Jahren. Neulich kamen Nachrichten in der BBC, tagesschau und taz darüber wie der "Islamische Staat" Yarmouk fast vollständig erobert hatte.

     

    Von 150.000 Einwohnern, Flüchtlingen von 1948 und Syrischen Kriegsflüchtlingen sind noch 16.000 dort. Ein Terror ohne gleichen.

    Wo bleiben die Forderungen nach sofortiger Hilfeleistung und Zugang zu den vom Hungertod bedrohten?

  • offensichtlich ist die zurschaustellung von verstümmelten kinderkörpern dem amtsrichter zuviel des guten gewesen. die meinungsfreiheit ist doch wohl nur ein gut für die gutmenschen. für alle wird sie zur unverträglichkeit und muß per gerichtsurteil untersagt werden. von anderen in den sonntagsreden die einhaltung der menschenrechte einfordern ist die eine sache, sie für alle einzufordern geht dann doch zu weit. da sind dann diese erschreckenden fotos doch zu viel. wo kämen wir denn hin, wenn unsere bürger über die folgen der verteidigungsanstrengungen unserer freunde in nahost aufgeklärt würden. dies muß unter allen umständen unterbunden werden. notfalls mit einem urteil eines auf dem boden unseres grundgesetzes agierenden gerichts. das ganze kommt mir vor wie in der katholischen kirche. dort glaubt man auch ganz fest an dinge, die es nie gab.

  • Allein schon die Einschätzung dieser augenscheinlich psychopathisch intendierten Volksverhetzung als Demonstration ist schon ziemlich starker Tobak.

     

    Schade, dass es erst über den Winkelzug Jugendschutz möglich wurde, diesem Treiben wenigstens minimal etwas entgegenzusetzen.

     

    Wahrscheinlich hätten die leider auch hier versammelten Antisemiten, die Herman verteidigen, auch nichts dagegen, wenn Nazis vorm Kölner Dom öffentlich den Holocaust leugnen oder Hitler & Co. loben würden.

     

    Dieser Mann ist kein unbequemer Sonderling und auch kein mutiger Streiter für die Sache Palästinas, sondern einfach nur jemand der professionelle psychotherapeutische Betreung benötigt.

    • @Khaled Chaabouté:

      "Wahrscheinlich hätten die leider auch hier versammelten Antisemiten, die Herman verteidigen, auch nichts dagegen, wenn Nazis vorm Kölner Dom öffentlich den Holocaust leugnen oder Hitler & Co. loben würden."

       

      Richtig. Der Strafbestand der Holocaustleugnung ist, obwohl ich ihn eigentlich begrüße, eine Sache, die mir im Magen liegt. Er ist problematisch in Bezug auf freie Meinungsäußerung. Besser wäre es, Straffreiheit für denjenigen zu erlassen, der dem Holocaustleugner, evtl. auch ziemlich unangemessen persönlich die Meinung sagt. Den Staat geht das nix an.

       

      "Dieser Mann ist kein unbequemer Sonderling und auch kein mutiger Streiter für die Sache Palästinas, sondern einfach nur jemand der professionelle psychotherapeutische Betreung benötigt."

      Kann sein, kann ich von hier aus nicht beurteilen, möchte ich auch nicht ausschließen. Aber freie Meinungsäußerung ist (manchmal leider) ein Menschenrecht. Warum möchten Sie nicht, dass Menschen mit psychischen Behinderungen ihre Meinung äußern dürfen? Gehören behinderte Menschen bei Ihnen nicht zu den Menschen, denen Menschenrechte zustehen? Zuviel Peter Singer gelesen?

    • @Khaled Chaabouté:

      Die heute verbreiteten Meldungen über die Klage von Hilfsorganisationen, dass die Menschen im Gazastreifen im Stich gelassen werden, bestätigt wie notwendig ein dauerhaftes Aufmerksammachen auf den Palästinakonflikt ist.

       

      Über die erschossenen Palästinenser im Westjordanland in dieser Woche ist auch so gut wie nichts über die Medien gegangen, was tatsächlich so gut wie nichts gegen die Lage in Jarmuk ist und mir nur aus diesem Grund ein bisschen Verständnis abringt, aber auch da ist es schon wieder still geworden.

      Dies wäre bei dem Tod eines Israeli durch einen Palästinenser sicher anders gewesen.

       

      Verklärende Jubelveranstaltungen über deutsch-israelische Beziehungen gibt es zuhauf und dafür wird keine Gelegenheit ausgelassen, sei es wegen einer Kunstausstellung oder einer Buchmesse. Natürlich stets weitgehend ohne den Blick darauf, was Israel den Palästinensern seit nunmehr 67 Jahren für ein Leid bedeutet.

       

      Sie stören halt, wenn man sich gern im Licht angeblich guter deutsch-israelischer Beziehungen sehen lassen möchte, die im Übrigen und erklärter Maßen von der tatsächlichen Verantwortung aus der Vergangenheit ablenken.

    • @Khaled Chaabouté:

      Mit Verlaub -

       

      Großer Garnichtsoweiser Marabu -

      ein in der Wolle gefärbter Demokrat sind Sie ganz offensichtlich nicht -

      da ist noch gut Luft nach oben -

       

      Psychiatrisieren/Kriminalisieren -

      ist ein beliebtes Mittel -

      Unbequeme Mundtot zu machen;

      nur sei Ihnen der feine Satz von

      Gustav Heinemann - über die zutückweisenden drei Finger -

      ins Stammbuch geschrieben.

       

      Wenn Sie seit Ende der 80er in dieser

      Stadt leben würden -

      wüßten Sie -

      wie Stadt Dom & Geschäftskraten -

      im Doppelpaß mit dem

      urkölschen Satz

      "Jeder Jeck is anders" -

      &Walter Herrmann - Fußball spielen.

       

      Das Jetzige - ist lediglich eine neue -

      m.E. mehr als perfide Variante dieser

      Provinzposse.

  • Auch, wenn Herr Herrmann zu den Leuten gehört, mit denen ich wahrscheinlich keine 2 Minuten sachlich debattieren könnte, so wie seine Auffassungen wohl sind, ist das eine Form der Meinungsäußerung, die geduldet werden muss.

    Wenn dies öffentlich geduldet wird, weiß ich nicht, wer oder was die israelische Botschaft oder Inhaber anderer Meinungen davon abhält, ebenso die andere Auffassung darzustellen.

    • @Age Krüger:

      die israelische Botschaft oder Inhaber anderer Meinungen haben sich noch nie davon abhalten lassen .....,

       

      wohl aber ihnen unbequeme Gegendarstellungen stets zu verhindern gesucht.

  • so so, verstoß gegen den jugendschmutz....

    da muß man erst mal drauf kommen!

    • @christine rölke-sommer:

      Eine Verurteilung wegen antisemitischer Propaganda fände ich auch besser.

      • @nzuli sana:

        patienten gibt's! sagte mein fahrradhändler....

  • Zitat: "Jede Mutter und jeder Vater müsse „die Möglichkeit haben, zu entscheiden, ob das eigene Kind mit diesen Bildern konfrontiert werden soll“.

     

    Aha. Und wenn in Zukunft an jeder Ecke Zigarettenschachteln mit Bildern abgestorbener Organe liegen, dann ist das aber völlig OK?

    • @Schmollschwund:

      als Befürworter solcher Schockbilder auf Zigarettenschachteln sage ich mal ein vielsagendes "JA"!

  • " . . seine von der Polizei aus unerfindlichen Gründen geduldete „Dauerdemonstration“. . ." ????

     

    Ja wie? - geht´s noch?

    Wie kommt die taz denn auf dieses schmale Brett?

    (ok - Demo-Recht war ja merkwürdigerweise noch nie euer Ding).

    &Recherche - hier och nich, wa;

    is ja schon mal a taz angemahnt worden; (jetzt aber beie Welt).

     

    kurz - schlicht nicht auf Höhe des Balles.

     

    Ohne ins Detail gehen zu wollen -

    Ein bekannt findiger Kopf fand den

    Walter Hermann schützenden Dreh.

     

    Spontandemonstration -

    That´s the goal - capito!

    Die ist nämlich (noch) nicht (einmal) anmeldepflichtig - und ohne Wenn&Aber grundrechtsgeschützt.

     

    Und - hier kommt Schmunzeln auf -

    - das Bundesverwaltungsgericht gab -

    öh - seinen Segen dazu.

    Denn die Domplatte gehört - und zwar unabhängig von Eigentumsfragen -

    zu den öffentlichen Wegen und Plätzen

    der Stadt Köln, so daß die Stadt Köln und seine Domherrlichkeiten düpiert bis heute in die Tischkante beißen.

     

    Das Übrige steht auf einem - vielleicht aber gar nicht so - anderen Blatt.

    • @Lowandorder:

      "Spontandemonstration" ist es aber nicht mehr, wenn über am gleichen Platz mit gleichem Thema gestanden wird, nicht?

      • @ioannis:

        Vorschlag zur Güte -

        Machen Sie doch gegen die

        stattgebende!! - eben dies absegnende Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht -

        ein Verfahren in Karlsruhe anhängig;))

  • Kein Lob für aufrüttelndes Engagement – dies ist unbestreitbar hier zu lesen.

     

    Ja, „demagogisch anmutende Hetze“ vermag ich zu erkennen, allerdings einzig gegenüber Walter Hermann.

     

    Auf die Konnotationen, z.B. das Adjektiv „vermeintlich“ bei Opferbildern und wer zweifelt, dass es solche geben wird, und dem Unwillen Begriffe wie Apartheid, Ghetto etc. angewandt zu sehen, braucht dabei gar nicht eingegangen werden.

     

    Dabei den Begriff eines „jüdischen Staates“ zu verwenden (wo bleiben die anderen?) und dies, obwohl hinlänglich bekannt sein muss, wie belastet solch eine Vorstellung ist, nicht nur weil sie ausgrenzt sondern auch unzulässig gleichsetzt, sagt auch schon etwas über die Darstellung aus.

     

    Es stört, dass hier der „Jugendschutz“ als Argument so deutlich danebengreift, eben nicht das bietet, was man offenbar so gern als Verurteilung herbeisehnte. Das bleibt dann doch nicht verborgen.

  • "...seine von der Polizei aus unerfindlichen Gründen geduldete „Dauerdemonstration“..."

     

    Liebe taz, schon mal vom Grundrecht der Demonstronstationsfreiheit nach Art. 8 Grundgesetz, Art. 12 der europäischen Grundrechtecharta und Art. 11 der europäischen Menschenrechtskonvention gehört?

     

    Man muss nicht mögen, wofür jemand demonstriert, aber ein freiheitlich-demokratisches Land muss so etwas aushalten können. Das gilt für PEGIDA und ANTIFA genauso wie für einen Walter Hermann.

     

    Am Urteil ist nichts auszusetzen. Aber da ging es auch nur um die Zurschaustellung von Schockbildern. Dabei muss es aber auch bleiben, auch und vor allem in einer sachlichen Berichterstattung.

     

    Bin mal gespannt, ob diese Kritik freigeschaltet oder wieder gelöscht wird.

    • @John Doe:

      Jede Demo aber muss auch vorher angemeldet und genehmigt werden, sonst könnte die NPD z.B. dauerhaft vor dem Bundestag demonstrieren.

      • @Tenedor Alfonso:

        JOHN DOE Jede Demo aber muss auch vorher angemeldet und genehmigt werden,…"

         

        NÖ - und nochens - NÖ -

        (zwei weitverbreitete - auch in der taz mal heimische Irrtümer;)

         

        Eine Spontandemo - muß nicht angemeldet werden -

        deswegen stellt Walter Herrmann seine Klagemauer auch nicht dauernd, sondern - genau - spontan auf -

        mit höchstrichterlichem Segen.!!

         

        Eine Demo ist - GENEHMIGUNGSFREI -

        kann aber mit Auflagen belegt -

        oder aber im Einzelfall - die Hürden liegen hoch dank Karlsruhe - verboten werden.

        &Ende im Gelände.