Urteil gegen Donald Trump: Übergriff in der Umkleidekabine

Ein US-Bundesgericht verurteilt den früheren US-Präsidenten wegen sexueller Nötigung. Donald Trump selbst spricht von Hexenjagd und bestreitet alles.

Die Anklägerin lächelt vor dem Gerichtgebäude in die Kameras

Erleichtert vor dem Gerichtsgebäude nach dem Urteil gegen Trump: Anklägerin E. Jean Carroll Foto: Seth Wenig/ap

NEW YORK afp/rtr | Der frühere US-Präsident Donald Trump ist wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung der Journalistin E. Jean Carroll zu fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld und Schadenersatz verurteilt worden. Die neun Geschworenen eines Bundesgerichts in New York urteilten am Dienstag, Trump habe Carroll 1996 „sexuell missbraucht“ und später verleumdet. Den Vorwurf der Vergewaltigung wiesen sie zurück. Carroll sprach von einem Sieg „für alle Frauen, die gelitten haben, weil ihnen nicht geglaubt worden ist“.

Mit dem Urteil in dem viel beachteten Zivilprozess wird Trump erstmals wegen Vorwürfen der sexuellen Gewalt rechtlich belangt. Er ist im Verlauf der Jahrzehnte von rund 20 Frauen des sexuellen Fehlverhaltens bis hin zur Vergewaltigung beschuldigt worden. Er wies solche Vorwürfe stets zurück.

Die heute 79-jährige Carroll wirft Trump vor, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Carroll sagte aus, sie habe Trump bei Bergdorf's helfen wollen, ein Geschenk für eine andere Frau auszusuchen. Sie hätten sich Dessous angesehen. Danach habe Trump sie in eine Umkleidekabine gelockt, ihren Kopf gegen die Wand gestoßen und sie vergewaltigt. Carroll sagte, sie könne sich nicht an das genaue Datum oder Jahr erinnern.

Zwei von Carrolls Freunden bestätigten, sie habe ihnen damals von der Vergewaltigung erzählt, sie aber zur Verschwiegenheit verpflichtet. Carroll erklärte, sie habe sich 2017 entschlossen, ihr Schweigen zu brechen. Grund seien Berichte über sexuelle Übergriffe des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein. Damals gingen viele Frauen mit Berichten über ähnliche Erfahrungen an die Öffentlichkeit.

E. Jean Carroll: „Ein Sieg für alle Frauen“

Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein „Typ“. Carroll verklagte den Präsidenten daraufhin in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.

Die Geschworenen sprachen Carroll nun nach weniger als dreistündigen Beratungen fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung.

Während der Urteilsverlesung herrschte angespannte Stille im vollbesetzten Gerichtssaal. Carroll nahm den Urteilsspruch bewegt auf und umarmte ihr Anwaltsteam. Ihre Anwältin Roberta Kaplan zeigte sich „sehr glücklich“ über das Urteil.

„Dieser Sieg ist nicht nur für mich, sondern für alle Frauen, die gelitten haben, weil ihnen nicht geglaubt worden ist“, erklärte Carroll, nachdem sie das Gericht in Manhattan lächelnd verlassen hatte.

Trump schimpft erneut über „Hexenjagd“

Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte Rechtsmittel gegen das Urteil an. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe – die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten.

Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. „Dieses Urteil ist eine Schande – eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten“, erklärte der 76-jährige Republikaner, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten will, auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: „Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist.“

Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht „verteidigen“ dürfen. Trump hatte selbst entschieden, dem Prozess fernzubleiben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet.

In dem Prozess sagten zwei weitere Frauen aus, die Trump sexuelle Übergriffe vorwarfen. Die damalige Reporterin der Zeitschrift People, Natasha Stoynoff, berichtete, Trump habe sie 2005 in seinem Club Mar-a-Lago in Florida in die Enge getrieben und sie einige Minuten lang gegen ihren Willen geküsst. Eine andere Frau, Jessica Leeds, sagte aus, dass Trump sie auf einem Flug 1979 geküsst, betatscht und seine Hand unter ihren Rock geschoben habe. Die Geschworenen hörten auch Ausschnitte aus einem 2005 aufgenommenen Video, in dem Trump sagt, Frauen ließen sich von ihm „an die Muschi fassen“.

Weitere Verfahren gegen Trump sind anhängig

In einem getrennten Verfahren wurde der Ex-Präsident Ende März in New York wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Präsidentschaftswahl 2016 wegen des Vorwurfs einer Fälschung von Geschäftsunterlagen angeklagt. Es war die erste Anklage gegen einen früheren Präsidenten in der US-Geschichte. Der Strafprozess soll erst im kommenden Jahr beginnen. Trump hat vor Gericht auf nicht schuldig plädiert.

Gegen den Ex-Präsidenten laufen außerdem mehrere weitere Ermittlungen. Ein US-Sonderermittler prüft Trumps Verantwortung bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021 und die Mitnahme von zahlreichen Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus in sein Privatanwesen Mar-a-Lago nach dem Ende der Amtszeit des Republikaners. Im Südstaat Georgia laufen Ermittlungen wegen eines möglichen Versuchs der illegalen Einflussnahme auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020.

In der polarisiertem US-Gesellschaft erscheint es unwahrscheinlich, dass das zivilrechtliche Urteil Auswirkungen auf Trumps Anhängerschaft haben wird. Sie sehen die juristischen Auseinandersetzungen ihres Vorbilds als Kampagne seiner Gegner. „Die Trump-Gegner werden dabei bleiben, die Trump-Befürworter werden sich nicht ändern, und die ambivalenten Wähler werden sich von solchen Dingen nicht beeindrucken lassen“, sagte der republikanische Wahlkampfstratege Charlie Gerow.

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