Urteil gegen Blogger: Wir sind (nicht) AfD ;)
Nathan Mattes überlegt, ob er seine Webseite „wir-sind-afd.de“ in der Berufung verteidigt. Ein Gericht sieht das Namensrecht verletzt.
Mattes betreibt die Seite „wir-sind-afd.de“ seit 2015. Er hat dort zwanzig Originalzitate von AfD-Politikern mit Quellenangaben zusammengestellt. Ein Beispiel: „Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte“, so der Tübinger AfD-Bundestagskandidat Dubravko Mandic.
Im April 2017 hat die AfD den 25-jährigen Mattes abgemahnt. Als Mattes nicht nachgab, klagte die AfD. Zunächst mit Erfolg. Anfang Februar entschied das Landgericht Köln: Der Blogger muss die Domain aufgeben und löschen lassen.
In dem Prozess ging es nicht um die Inhalte der Seite. Mattes könne seine Kritik an der AfD durchaus äußern, so die Richter, aber nicht auf einer Seite mit dem Domainnamen „wir-sind-afd“. Problematisch sei allenfalls die Aussage „Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei“ in der Kopfzeilen der Seite. Dieser Satz ist – im Gegensatz zum Rest der Seite – kein Zitat, sondern wurde der AfD von Mattes untergeschoben. Dies stufen die Richter als „reine Schmähkritik“ ein, die verboten wäre. Darauf kam es aber laut Landgericht gar nicht an, weil es hier nur um das Namensrecht der AfD ging.
„Dekonstruktion der AfD durch Transparenz“
Die Verwendung der Domain „wir-sind-afd“ erwecke zunächst den Eindruck, die Seite stamme von der AfD oder sei von ihr autorisiert. Dies führe zu einer „Zuordnungsverwirrung“, so das Landgericht. Dies sei von Mattes auch beabsichtigt. Er wolle Internet-Nutzer auf die Seite lenken, die eine Seite von AfD-Gegnern nicht besuchen würden. Der Identitätirrtum werde „als Mittel der Meinungsmache“ benutzt. Es komme nicht darauf an, dass ein aufmerksamer Leser alsbald merke, dass die Seite wohl von AfD-Gegnern ins Netz gestellt wurde.
Diese unbefugte Benutzung des Kürzels AfD verletze auch die berechtigten Interessen der Partei, so das Urteil. Entscheidend sei, dass der Name der AfD benutzt werde, „um gegen sie Propaganda zu machen“.
Mattes dagegen könne sich zwar auf die Meinungsfreiheit berufen. Diese sei aber durch das zivilrechtliche Namensrecht begrenzt. Zwar müsse das Zivilrecht mit Blick auf die Grundrechte ausgelegt werden, hier gehe das Namensrecht aber vor. Gerade im Wahlkampf habe die AfD ein Interesse gehabt, „Verwechslungsgefahr“ zu vermeiden. Mattes dagegen habe seine Kritik an der AfD auch anders äußern können. Er könne seine Meinung sagen, müsse es aber im eigenen Namen tun und „nicht unter Missbrauch des Namens des Gegners“. Mattes könne sich auch nicht darauf berufen, er betreibe Satire oder eine Parodie. Satire ziehe etwas durch Übersteigerung ins Lächerliche, referieren die Kölner Richter, rufe aber keinen Irrtum über den Urheber hervor.
Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, kritisierte das Urteil in seinem Podcast „Lage der Nation“. Das Kölner Gericht habe übersehen, dass es auf der Seite „wir-sind-afd.de“ um „Dekonstruktion der AfD durch Transparenz“ gehe. „Es ist ja gerade der Witz der Seite, dass der Eindruck erweckt wird, die AfD spreche selbst“. Aber auch Buermeyer räumt ein, dass es sich hier um einen „rechtlichen Grenzfall“ handele.
Eine Freundin von Mattes hat inzwischen ein Crowdfunding gestartet, um die Prozesskosten zu decken. Dabei sind schon über 50 000 Euro zusammengekommen. Bis Mitte März will Mattes nun entscheiden, ob er Rechtsmittel einlegt und in die Berufung zum Oberlandesgericht Köln geht.
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