Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs: Türkei diskriminiert Aleviten
Seit Jahren kämpfen die Aleviten um staatliche Anerkennung in der Türkei. Bringt ein Urteil aus Straßburg die Wende?
Als zweitgrößte türkische Religionsgemeinschaft erheben sie zudem Anspruch auf staatliche Fördermittel und treten dafür ein, dass ihre religiösen Führer Beamtenstatus bekommen. Die Regierung in Ankara hatte ein entsprechendes Gesuch 2005 zurückgewiesen. Türkische Gerichte bestätigten diese Entscheidung. Sie wurde damit begründet, dass die Aleviten eine religiöse Bewegung innerhalb des Islams seien.
Nach Auffassung der Straßburger Richter verkennt das den religiösen Charakter des alevitischen Glaubens, der tief in der türkischen Geschichte und Gesellschaft verankert sei. Wie sie ihre Religion verstehen, sei Sache der Gläubigen und nicht des Staates.
Aleviten leben nicht nach den fünf Säulen des Islam. So pilgern sie zum Beispiel nicht nach Mekka und fasten auch nicht im Ramadan. Frauen und Männer sind gleichgestellt und beten im selben Raum.
Eklatantes Ungleichgewicht
Was die Stellung der Aleviten im Vergleich zu den Sunniten angeht, sprechen die Richter von einem „eklatanten Ungleichgewicht“. Die Restriktionen hätten in vielerlei Hinsicht Nachteile für die Organisation und Finanzierung des religiösen Lebens. Die Begründung, die der türkische Staat dafür abgebe, sei „weder relevant noch ausreichend in einer demokratischen Gesellschaft“.
Das Urteil wurde von der Großen Kammer des Gerichtshofs gesprochen und ist damit unanfechtbar. Für die Mitgliedstaaten des Europarats sind die Urteile aus Straßburg bindend, das heißt, sie müssen die beanstandeten Menschenrechtsverstöße in Zukunft vermeiden. Wie die Türkei mit dem Richterspruch umgeht, war zunächst unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut