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Urteil des BundesverfassungsgerichtsRundfunkbeitrag nur für Erstwohnsitz

Das Bundesverfassungsgericht billigt die neue Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, gibt aber einer Beschwerde recht.

Sie haben entschieden: Richter des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Foto: dpa

Karlsruhe taz Die Einführung des Rundfunkbeitrags im Jahr 2013 war verfassungskonform. Mit diesem Grundsatzurteil sicherte jetzt das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Nur ein Detail wurde beanstandet: Für eine Zweitwohnung darf kein erneuter Rundfunkbeitrag verlangt werden.

Früher wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk über Rundfunkgebühren finanziert. Zahlen musste jeder, der ein empfangsbereites Gerät (Radio, Fernseher oder Computer) besaß. Weil dabei jedoch zu viel geschummelt wurde, gibt es seit 2013 den leichter abzurechnenden Rundfunkbeitrag. Zahlen muss nun jeder Wohnungsinhaber. Grundlage ist ein Staatsvertrag der Bundesländer. Pro Wohnung werden derzeit monatlich 17,50 Euro fällig, auch für eine Familie oder eine WG. Gegen den Rundfunkbeitrag bildete sich eine Bewegung, die ihn von Anfang an als verfassungswidrig ablehnte; verbunden mit grundsätzlicher Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der zu teuer und zu links sei.

In Karlsruhe wurde nun über Verfassungsbeschwerden von drei Privatpersonen sowie der Autovermietung Sixt geurteilt. Die Verfassungsrichter stellten dabei klar, dass der Rundfunkbeitrag keine Steuer ist, die in den allgemeinen Haushalt fließt. Die Länder könnten die Rundfunkfinanzierung im Rahmen ihrer Kompetenz für den Rundfunk regeln. Der Rundfunkbeitrag verstoße auch nicht gegen Grundrechte, so Karlsruhe.

Gemessen wurde er am „Grundsatz der Belastungsgleichheit“, der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt. Der Staat könne „Beiträge“ nur von jemand verlangen, der auch einen Vorteil hat. Die Leistung, die mit dem Rundfunkbeitrag abgegolten wird, liege in der individuellen Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sehen und zu hören, so die Richter. Der gesellschaftliche Nutzen allein genüge nicht. Der Rundfunkbeitrag sei keine allgemeine „Demokratieabgabe“.

Richter: Ungleichbehandlung gerechtfertigt

Es gebe auch kein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Für 17,50 Euro pro Monat habe man Zugriff auf die Haupt- und Nebenprogramme von ARD und ZDF sowie auf neun „Dritte Programme“. Neben dem Deutschlandradio gebe es im Rahmen der ARD insgesamt 67 regionale Hörfunkprogramme, zuzüglich der Online-Angebote der Sender. Allerdings komme es nicht darauf an, ob das Angebot tatsächlich genutzt werde, so das Gericht.

Eine Ungleichbehandlung sahen die Richter zwar darin, dass ein Single genauso viel bezahle wie eine Familie oder eine Wohngemeinschaft. Diese Ungleichbehandlung sei aber gerechtfertigt, weil in Wohnungen meist Ehepaare, Familien oder andere schützenswerte Gemeinschaften zusammenleben. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags einen weiten Gestaltungsspielraum.

Erfolg hatte nur die Klage des Software-Beraters Bernhard Wietschorke, der privat in Frankfurt wohnt, jedoch in Stuttgart arbeitet, wo er eine zweite Wohnung hat. In beiden Wohnungen lebt er allein. Er fand es ungerecht, dass er den Rundfunkbeitrag zweimal bezahlen muss. Dem stimmten die Verfassungsrichter zu.

Die Doppelbelastung verstoße gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit. „Das Rundfunkangebot kann von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden“, sagte der Senatsvorsitzende Ferdinand Kirchhof. Bis Juni 2020 müssen die Länder den Staatsvertrag ändern. Die doppelte Zahlungspflicht endet aber sofort.

Die Richter nutzten das Urteil, die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu betonen, der sein Programm „unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen“ gestalten könne. Er sei damit weiterhin ein Gegenpol zum privaten Rundfunk und sichere Vielfalt. Diese Funktion sei auch nicht durch die Entwicklung des Internets in Frage gestellt, „im Gegenteil“, so Kirchhof. Kostenlose werbefinanzierte Internet-Angebote müssten wie der private Rundfunk auf einen Massenmarkt zielen und könnten daher auch keine Vielfalt garantieren. Hinzu komme die Gefahr, dass Inhalte mit Hilfe von Algorithmen gezielt auf Interessen und Neigungen der Nutzer zugeschnitten werden, „was wiederum zur Verstärkung gleichgerichteter Meinungen führt“, betonte der Senatsvorsitzende.

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20 Kommentare

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  • Nachdem das endlich geklärt ist, können wir vielleicht endlich anfangen, darüber zu diskutieren *wofür* das Geld ausgegeben wird?



    Ich habe überhaupt nichts gegen den Rundfunktbeitrag, aber ist es z.B. nötig, mafiösen Organisationen wie der FIFA und dem IOC Millionen in den Rachen zu werfen?

    • @Zwieblinger:

      Da schau her - er mal wieder!;)

      Aber ha noi!



      Da kommen einem schonn die Tränen!



      Gell.

    • @Zwieblinger:

      Ach, geklärt ist das gar nichts. Die Verfassungsrichtenden werden schon mal wieder umkippen, wenn es politisch opportun scheint.

      Wird Zeit, dass es endlich mal eine Verfassung gibt statt dieses elenden Grundgesetzes.

      • @TurboPorter:

        En passant.

        Daß es eine den Souverän - die Bürger dieser Republik - verachtender Schachzug war - via Wende/DDR/Anschluß den Grundgesetz-Auftrag - Eine Gesamtdeutsche Verfassung schaffen!



        Zu - Torpedieren! Newahr!



        Da hamse recht!



        & u.a. ein



        Hans-Jochen Vogel hat in der ja bereits gestarteten Verfassungs-Kommission!



        Bella Figura! Gemacht (allein er - so ein Weggefährte vor Ort!;)

        Alles richtig!



        Aber! Dieses Grundgesetz - die heutige Verfassung dieses Staates - ist trotz viel zu vieler & teils niederträchtiger Änderungen (“NotstandsNo“ & Asylschreddern z.B.) - doch doch!



        Die beste & freiste der Verfassungsgeschichte der Deutschen!



        &



        Weltweit immer noch - (mit) on the top!



        &



        Da schließ ich unsere 8 Primadonnen*



        Onkel Herbert/Horst Ehmke-vulgo -



        Däh! 'Arschlöcher in Karlsruhe' mit ein!

        kurz - Frauman werfe die Flinte erst in den Korn - fänd sich was besseres - kerr

        unterm——



        Bei aller Kritik im Einzefall! Newahr!

        * Öffentliche Anhörung vor Wahl! Klar!



        Statt Kaupelmauschel im Hinterzimmer



        & unbedingt -



        Kaffeekränzchen Regierung/Karlsruhe!



        Verfassungswidriges NO GO! Das Ja!;((



        Gehört stante pede abgeschafft!

        Ende des Vorstehenden

  • Ja wie? Is doch fein!



    Nach Bruder Kirchhoff-Flop!



    Fiel Bruder-Präsi - Aach was ein!;)



    “Einer Ja! - Zwei - Aber Nein!“



    kurz - Ex&Hopp! Wie Fein!

    • @Lowandorder:

      Sorry - VizePräser - newahr!;)

  • Mir fallen ohne lange nachzudenken 3 Dinge ein bei denen ich die öffentlich (Schlecht)Rechtlichen nutze.



    1: MDR Info, ein Sender den ich fast täglich höre.



    2: die ZDF Heute Show.



    3: Die Fußball WM.



    Das Singles genau so viel zahlen, wie ich und meine Frau, ist vielleicht nicht fair. Aber wer kann wirklich von sich sagen niemals NIE nicht ein Angebot der Öffentlichen genutzt zu haben? (Tagesschau.de gilt auch!)

    Was ich unfair finde, ist die Belastung von Firmen. Ich bezahle den Beitrag und darf nun die Empfangsgeräte in meiner Wohnung, Gartenlaube, Zweitwohnung, Auto und sonstwo nutzen.



    Aber meine Firma soll noch einmal extra für den Dienstwagen zahlen?

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Ich bin froh in einem Rechtsstaat zu leben und akzeptiere das Urteil. Ob die schriftliche Begründung dann meine Meinung trifft, ist mir nicht so wichtig; entscheidend ist, ob sie nachvollziehbar ist.



    Ich habe übrigens kein Fernsehgerät und bezahle gleichwohl ungefragt meinen Anteil an den Werbeeinnahmen der privaten Sender über die jeweiligen Produktpreise.

  • Na, dann frage ich mich, wann die Zeitungssteuer kommt. Denn es gibt Zeitungen, ob man sie lesen will oder nicht, spielt keine Rolle. Was ich mich frage, warum die öffentlich rechtlichen nicht verschlüsselt zu empfangen sind. Dann kann jeder entscheiden, ob er für Volksmusikprogramme, die 100. Wiederholung von Tatort und sonstige aufgewärmte Programme zahlen möchte.

    • @Nicky Arnstein:

      Ihren Vorschlag umzusetzen wäre theoretisch möglich, aber nur, wenn als Gegenleistung für diese „Zeitungssteuer“ (es wäre keine Steuer, sondern wie auch der Rundfunkbeitrag eine Gebühr) eine Vielfalt an öffentlich-rechtlichen Zeitungen produziert würde und kostenlos für alle verfügbar wäre.

      Da Zeitungen im Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen aber materiell an Papier gebunden sind, dürfte die praktische Umsetzung schwierig sein, ganz zu schweigen von der ökologischen Belastung.

      Also machen Sie sich keine falschen Hoffnungen.

    • @Nicky Arnstein:

      1. Zeitungen sind private Unternehmen und im Gegensatz zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk keinerlei gesellschaftlicehr Kontrolle unterworfen. 2. Eine Verschlüsselung von ARD und ZDF bedeutet eine Kontrolle der Nutzer, da dazu jeder Einschaltende registriert wird. 3. Klingt das alles wie aus der medienpolitischen Mottenkiste der AfD.

  • "Ob der Einzelne ein Empfangsgerät hat oder die Angebote nicht nutzen will, spielt demnach keine Rolle."

    Also eine "Gebühr" auch, wenn die tatsächliche Nutzung nicht stattfindet? Unsere höchsten Richter wussten schon immer, was von ihnen erwartet wird...

    • @agerwiese:

      Wir zahlen ja auch für Schulen, wenn wir selber keine Kinder haben. Für Autobahnen, wenn wir selber nur Fahrrad fahren. Für Polizei, auch wenn sie den Einbruch beim Nachbarn und nicht bei Ihnen selbst untersucht. Manche Dinge sind eben gesamtgesellschaftlich sinnvoll, auch wenn nicht jeder Einzelne immer jedes Angebot selber nutzt oder nicht jeder einzelne immer so happy damit ist, was idealiter demokratisch als sinnvolle Gemeinschaftsausgabe beschlossen wurde.

      Ich für meinen Teil kann nur überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb bei jeder anderen gesamtgesellschaftlichen Investition das Prinzip "jeder trägt soviel bei, wie er kann" gilt, während beim Rundfunkbeitrag jeder Gutverdiener oder gar Multimillionair mit genau derselben Beitragsleistung zur Kasse gebeten wird wie arme Schlucker, für die das enorm vielGeld ist und oftmals "keine neue Brille" oder "nix zu essen nächste Woche" bedeutet. Das ist m. E. zutiefst ungerecht und ebenso asozial wie die "ich denke nur kurzsichtig an meinen individuellen Vorteil" - Denke.

  • Na super! Wer der Beitragsabzocke zumindest teilweise entgehen möchte, der braucht sich jetzt bloß noch eine zweite Wohnung zulegen - allerdings greift dann die Zweitwohnungssteuer, die ja - ganz im Gegensatz zum Rundfunkbeitrag - von Anfang an auch korrekt als Steuer gekennzeichnet wurde.

    Die öffentlich-rechtliche Endloswiederholungsschleife steht also weiterhin unter dem besonderen Schutz des Staates.



    Gott sei Dank konnten so das „Wort zum Sonntag“ und Sandra Maischbergers AfD-Reklame-Sendung noch einmal in letzter Minute gerettet werden «(º¿º)»

  • Mal wieder bricht das Bundesverfassungsgericht die Verfassung, hoppla, das "Grundgesetz". Ist doch ne coole Sache: die blosse Tatsache, dass der Staat entscheidet, ein (Medien-)angebot zur Verfügung zu stellen, zwingt die Bürger bereits, dieses Angebot dann auch zu bezahlen. Was für ein Blödsinn.

    • @TurboPorter:

      „Mal wieder bricht das Bundesverfassungsgericht die Verfassung“

      Das BVerfG bricht die Verfassung nicht, es legt sie aus und wendet sie an.

      „die blosse Tatsache, dass der Staat entscheidet“

      Wissen Sie, was das Tollste daran ist? Die überwältigende Mehrheit der stimmberechtigten Bürger haben die Bundes- und Landtagsabgeordneten gewählt, die das alles beschlossen haben. Wählen Sie halt anders.

      • @Zwieblinger:

        Geniessen Sie es, den Kakao auch noch zu trinken, durch den man Sie zieht, lieber Zwieblinger?

        • @TurboPorter:

          In diesem Fall: Ja.

  • Kein Grund zum Zurücklehnen für ARD und ZDF - erstens droht durch die Ministerpräsidenten eine neue - eventuel konservativere - Formulierung des Rundfunkauftrags. Zweitens muss offensiv eine gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit des nicht dem Kommerz sondern der Gesamtheit und der Verfassung verpflichteten Rundfunks geführt werden. Dazu gehört allerdings ein kritisches Aufarbeiten der Entwicklung und politischen Einflussnahmen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den letzten Jahrzehnten.

    • @Philippe Ressing:

      „kritisches Aufarbeiten der Entwicklung und politischen Einflussnahmen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk“

      Sie meinen so etwas wie die permanenten und teilweise erfolgreichen Versuche der CSU, den BR zu zensieren. Unvergessen der 22. Mai 1986, 21 Uhr.



      www.br.de/radio/ba...enwischer-100.html