Untersuchungen zu rechtem Terror: War der NSU wirklich nur zu dritt?

Noch immer gibt es viele offene Fragen zur Mordserie der rechten Terrorzelle. In Bayern befasst sich nun ein weiterer Untersuchungsausschuss mit dem NSU.

Eine Innenansicht einer Bar

NSU-Verbrechen: In der Nürnberger Bar „Sonnenschein“ explodierte im Jahr 1999 eine Rohrbombe Foto: Timm Schamberger/dpa

MÜNCHEN taz | Zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge, über ein Dutzend Raubüberfälle: Die blutige Spur des NSU ist lang, die Verbrechen auch vier Jahre nach dem Mammutprozess gegen Beate Zschäpe und weitere NSU-Unterstützer nur unzureichend aufgeklärt. Im Bayerischen Landtag soll sich daher ab Donnerstag ein neuer Untersuchungsausschuss mit dem NSU-Komplex befassen. Es ist bereits der zweite in Bayern, deutschlandweit sogar schon der 15.

Den Abgeordneten geht es in ihrem 198 Fragen umfassenden Katalog vor allem um Verbindungen des NSU zur bayerischen Neonaziszene. In Bayern war die Terrorzelle besonders aktiv, hier wurde auch die Hälfte der Morde begangen. Vor allem in Franken konnte der NSU dem Anschein nach auf ein starkes Unterstützernetz zurückgreifen. Der Ausschuss, der von den Oppositionsfraktionen Grüne und SPD gemeinsam initiiert worden war, hofft, diese Strukturen nun besser durchleuchten zu können.

Besonderes Augenmerk will der Ausschuss dabei auf den Anschlag auf die Bar Sonnenschein in Nürnberg legen. Bei dem Attentat im Juni 1999 wurde der Wirt von einem in einer Taschenlampe versteckten Sprengsatz schwer verletzt. Die Tat war der Auftakt der NSU-Verbrechen, wurde aber bis heute nicht aufgeklärt. Hätte man damals anders ermittelt, hätte dann vielleicht die Mordserie mit zehn Toten und Dutzenden Verletzten verhindert werden können? Das ist eine zentrale Frage, die den Ausschuss ab jetzt beschäftigen wird.

Erstmals übernimmt ein Grüner den Vorsitz

Und natürlich ist da auch die Frage: Wer mischte neben dem Kerntrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe noch mit? Und wie? So ist etwa unklar, welche Rolle Susann Eminger spielte. Sie ist die Frau des verurteilten NSU-Unterstützers André Eminger. Der Wirt der Sonnenschein-Bar soll sie viele Jahre nach dem Anschlag auf Bildern wiedererkannt haben. Offenbar wurde sie in der Kneipe gesehen. Hat sie den Ort ausgekundschaftet? Hat sie gar die Rohrbombe deponiert? An einen Zufall jedenfalls will man kaum glauben. Mundlos und Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, Zschäpe wurde 2018 vom Oberlandesgericht München zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der Ausschuss wird am Donnerstagnachmittag vom Landtag eingesetzt, gleich im Anschluss wollten sich seine Mitglieder zur konstituierenden Sitzung treffen. Ein Novum in der bayerischen Parlamentsgeschichte: Mit dem Landtagsabgeordneten Toni Schuberl wird erstmals ein Grüner den Vorsitz eines Untersuchungsausschusses übernehmen. Zeit für seine Untersuchung hat das Gremium bis Herbst nächsten Jahres, dann geht die Legislaturperiode in Bayern zu Ende.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.