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Untersuchung zu Chemiewaffen in SyrienChlor-Gas gegen Dörfer eingesetzt

Einem UN-Bericht zufolge wurde im syrischen Bürgerkrieg „höchstwahrscheinlich“ Giftgas in drei Dörfern angewendet. Die USA machen Assad verantwortlich.

Chemiewaffenzerstörung: Vorführung durch die Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten Bild: reuters

NEW YORK ap | Im syrischen Bürgerkrieg ist UN-Inspektoren zufolge „höchstwahrscheinlich“ Chlor-Gas gegen drei Dörfer eingesetzt worden. 350 bis 500 Menschen seien von den Attacken im vergangenen Jahr betroffen gewesen, 13 von ihnen getötet worden, hieß es im dritten Bericht einer Untersuchungskommission der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Der Report fuß auf Interviews mit Bewohnern der Dörfer Talmenes und al-Tamana in der Provinz Idlib und der Ortschaft Kafr Sita in der Region Hama. 32 von 37 der Befragten erklärten demnach, sie hätten zum Zeitpunkt der Angriffe Helikopter mit Fassbomben und giftigen Chemikalien gesehen oder gehört.

16 weitere Anwohner suchten demnach die Schauplätze auf und gaben an, die Bomben oder deren Reste gesehen zu haben. 29 Menschen hätten zudem den „markanten Geruch der Gaswolke“ wahrgenommen, der nach dem Einschlag der Bombe freigesetzt worden sei. Zum Bericht gehören zudem Beschreibungen von 152 Videos und 189 Beweisstücken sowie Fotos von Schauplätzen und dem Chlor-Zylinder einer Fassbombe.

Über die Verantwortlichen für die Angriffe äußerten sich die Autoren nicht. Doch die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, machte die Regierung in Damaskus als Schuldigen aus. „Nur das syrische Regime benutzt (Helikopter)“, twitterte sie. Der stellvertretende syrische Außenminister Fajsal Mekdad hatte den Einsatz von C-Waffen oder Chlor-Gas durch die Armee vehement zurückgewiesen.

Chlor-Gas wird zwar nicht offiziell als chemisches Kampfmittel geführt. Doch acht Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats, darunter die USA und Jordanien, legten dem jüngsten OPCW-Bericht Ende Dezember einen Brief bei, in dem sie auf eine Resolution vom September 2013 verwiesen, die Syrien zur Zerstörung seines Chemiewaffenarsenals auffordert.

Am Dienstag wurde der Report zu den mutmaßlichen Chlor-Gas-Attacken im Sicherheitsrat diskutiert. Diplomaten zufolge drangen die USA, andere westliche Länder sowie Jordanien auf eine rasche Reaktion des höchsten UN-Gremiums. Doch Russland, der engste Verbündete Syriens, beharrte darauf, dass die Erkenntnisse des Berichts allein Sache der OPCW seien.

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11 Kommentare

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  • Das ist doch sehr einfach zu beantworten, wie es zu den Übersetzungsfehlern kommt. Eine Generation, die absolut unbeleckt von den Naturwissenschaften ist, hat nur gelernt, dass es wichtig ist mitzureden - ganz egal worum es auch gehen mag. Chlorine-Gas gehört zu der absolut gefährlichen Gruppe "Haupt-Nummer 7"; international nennt sie sich Halides, schon dieser Name deutet doch im Wortklang auf eine islamistische Loge, ähnlich wie die italienische Geheimloge P2 hin, letztere war für Bombenattentate berühmt. Also nicht nur die Vorratsdatenspeicherung brauchen wir sofort, sondern neben der Nichtverjährung von Kinderpornografie auch die Autobahnmaut nur für Ausländer aus Südeuropa. Unsere Sicherheit ist äußerst bedroht!

    (Halides, engl. Pluralform für "Halogene", die 7. Hauptgruppe im Periodensystem, zu der auch Chlor gehört).

  • Bezeichnend ist, dass die falsche Übersetzung "Chlorin-Gas" es in eine Menge von Medien geschafft hat (z.B. Welt, Focus, taz sowie einige Online-Dienste - zeigt eine duckduckgo-Suche von heute morgen). Die meisten haben es aber - wie die taz (online) korrigiert - was passiert in der Print-Ausgabe?

    Hier ist für mich mal wieder deutlich geworden, dass selbst triviale (und - wie viele Kommentare ja auch ausführen - leicht zu entdeckende) Fehler von vielen Redaktion ungeprüft aus Agenturmeldungen übernommen werden. Stellt sich die Frage, was ist mit nicht so leicht überprüfbaren Fehlern?

  • "Chlorin Gas". Wie vermutet handelt es sich um einen Übersetzungsfehler der Agentur. In den englischsprachigen Meldungen ist von chlorine gas die Rede, das mit Chlorgas zu übersetzen ist (siehe Kommentare vom 7.1.15 von Peter Mueller und mir). Dieser Fehler ist von der Redaktion auch dankenswerter Weise korrigiert worden. Chlorgas wird für viele chemische Prozesse benutzt und so ist auch nachvollziehbar, dass die Substanz nicht spezifisch als chemische Waffe geächtet ist, obwohl sie als solche angewendet werden kann und wie die Meldung zeigt auch wird. Soviel zu den Kommentaren von Georg Schmidt und Günter Hering.

    • @Thomas Herrmann:

      wieso von mir?? ehrlich gesagt, ich halte wenig von Twitter Nachrichte und schnellen Aussagen, man muss einfach der Faktor: Feind schlechtmachen berücksichtigen, gerade in Zonen wie in Syrien, sag ich mal, ausserdem haben die USA vorgemacht, wie man Gift versprüht, nehmen wit die Entlaubungsaktionen in Vietnam, 1000nde Menschen leiden noch heute unter deren Folge, man hats vergessen, man schreibt nicht davon, die Betroffenen gekommen kaum Hilfe, schon garnicht von den Verursachern!

  • die übersetzungsfehler sind eben nicht zu vermeiden. siehe die rede des ehemaligen iranischen ministerpräsidenten. die folgen daraus tragen ja immer die unschuldigen, wenn es schief geht aufgrund dieser übersetzungsfehler. wo bleiben die beweise?

  • wie gesagt, mit Aussagen glauben, sollte man Vorsichtig sein, siehe Wiki RICE

     

    Zum Bürgerkrieg in Libyen verbreitete Rice das Gerücht, Gaddafi setze Viagra-unterstützte Massenvergewaltigungen als Waffe ein; US-Militärs und -Geheimdienste widersprachen sofort und erklärten, dass dafür keinerlei Beweise vorlägen.[12]

  • erst mal "höchstwahrscheinlich"-ja was und dann natürlich schnell mal twittern, einfach schnell man ins Internet gesetzt, dass diese US Botschafterinnen nicht immer auf der Höhe ihres Können sind, hat die damalige US Botschafterin bei Saddam Hussein bewiesen, mit oder ohne Absicht, wegen ihrer Aussage meinte Saddam die USA hätten gegen seinen Einfall in Kuweit nix, was den zweiten Golfkrieg zur Folge hatte !

  • Die Diplomaten sollten einfach mal bei Wikipedia nachschlagen. Dort finden sie zum Stichwort "Chlorin" u.a.: "Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden."

    Chlorine ist mit dem Chlorophyll verwandt. Es wird aus lebenden Chlorella-Algen "and other green plants" gewonnen. Es ist nicht gasförmig, sondern ein schwarzes Pulver, ein "non-hazardous chemical", das als Chlorin E6 u.a. in der Tumortherapie eingesetzt wird. (Weitere Quelle: http://www.medkoo.com/bio-reagents/ChlorinE6.htm).

    Also irgend etwas stimmt hier nicht, außer die unveränderte Absicht der USA, in Syrien militärisch einzugreifen.

  • Sie reden natuerlich von Chlorgas, nicht Chloringas. Was soll denn Chloringas ueberhaupt sein, bitteschoen?

  • Was ist Chloringas ? Möglicherweise eine fehlerhafte/fehlende Übersetzung aus dem Englischen "Chlorine" = Chlor. Das Chlorgas nicht als chemischer Kampfstoff geführt wird, würde mich allerdings wundern. Meines Wissens war es das erste für die Massentötung benutzte Giftgas überhaupt und wurde unter der technischen Leitung von Fritz Haber am 22.4. 1915 in Ypern bei der 2. Flandernschlacht eingesetzt (Wikipedia). Es hat auch einen ganz charakteristischen Geruch, was wiederum zur Beschreibung durch die Opfer in Syrien passen würde. Wäre schön wenn das mit dem "Chlorin" von der taz Redaktion geklärt und ggf. korrigiert würde. Die fehlerhafte oder fehlende Übersetzung von Namen chemischer Verbindungen/Arzneimitteln ist übrigens ein Standard der Presseagenturen, der auch anderweitig zu häufigen Verwirrungen führt.

    • @Thomas Herrmann:

      Schades das es nicht mal sprachlich zur korrekten Sachverhaltsdarstellung reicht.

       

      Warum hier "Chlorine" in Denlish, statt in "Chlor" übersetzt wurde, bleibt unerfindlich.

       

      Ein signifikantes Defizit beim naturwissenschaftlichen Sachverstand ist leider Standard.

       

      Chlor war schon 1918 von allen beteiligten Mächten als veraltet eingestuft. Und danach auch auf keiner Kriegswaffenliste mehr zu finden.

       

      Derzeit gilt als Anlage zum KWKG bei der Begriffsbestimmung Chemische Kampfstoffe die BAFA Liste 1.

       

      Und da ist Flüssigchlor auch nicht drauf, warum auch?

       

      Es hat bisher zu den Chlorgeschichten auch noch niemand schlüssig erklären können, ob das aus Kampfschäden an Wasseraufbereitung oder aus geplanter Freisetzung stammt oder welche Kampfmittel dazu Verwendet werden. Außer wilden Geschiten natürlich.