Untersuchung der Stiftung Warentest: Vitamingummis mit Nebenwirkungen
Die Stiftung Warentest hat Nahrungsergänzungsmittel für Kinder untersucht. Das Ergebnis sei „alarmierend“.

17 der 18 untersuchten Produkte, die zum Beispiel Vitamine, Omega-3-Fettsäuren oder Eisen enthalten, hatten demzufolge Mängel. Der häufigste: Die enthaltene Dosis an Vitaminen oder Mineralien überschreitet die empfohlenen Richtwerte, teilweise sogar die für Erwachsene. „Das Gesamtergebnis ist durchaus alarmierend“, sagt Holger Brackemann von der Stiftung Warentest.
Nahrungsergänzungsmittel fallen in den Bereich Lebensmittel. Eine Zulassung gibt es daher ebenso wenig wie verbindliche Vorgaben für die Dosierung der Wirkstoffe. Als Basis für die Untersuchung hat die Stiftung Warentest daher wissenschaftliche Empfehlungen etwa des Bundesamts für Risikobewertung (BfR) zugrunde gelegt. Beispiel Vitamin A. Das ist häufig in Multivitamin-Präparaten enthalten. Die Stiftung Warentest fand in 4 der untersuchten Produkte mehr Vitamin A, als das BfR für Kinder empfiehlt, teilweise war demnach das Doppelte der Dosis für Erwachsene enthalten.
Dazu kommt: Laut dem BfR erreichen oder überschreiten sowohl Erwachsene als auch Kinder ohnehin die empfohlenen Verzehrmengen für Vitamin A. „Die Hersteller verkaufen für teuer Geld überflüssige Produkte“, kritisiert Brackemann. Er spricht von einem „Geschäft mit der Angst und Sorge der Eltern“, die fürchten, dass ihre Kinder unterversorgt sein könnten. Eine Überdosierung mit Vitamin A könne unter anderem zu Kopfschmerzen führen und Haut und Leber beeinträchtigen.
Besonders problematisch: „Die Produkte kommen häufig in einer Form daher, dass sie wie Süßigkeiten aussehen“, sagt Brackemann. Bärchenformen sind besonders häufig, aber auch kleine Autos oder süße Säfte gibt es. Der Experte warnt daher: „Es besteht die Gefahr, dass Kinder die Produkte als Süßigkeit verstehen und zu viel davon zu sich nehmen.“
Forderung nach gesetzlichen Höchstmengen
Die Stiftung Warentest fordert nun verbindliche gesetzliche Vorgaben für Höchstmengen. Auch andere Expert:innen sehen Defizite: „Die Ergebnisse der Stiftung Warentest machen deutlich: Die bisherigen gesetzlichen Regelungen reichen nicht. Es braucht ein Zulassungsverfahren für Nahrungsergänzungsmittel“, sagt Sabrina Göddertz, Lebensmittelexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des vzbv hatte im vergangenen Oktober ergeben, dass mehr als die Hälfte der Verbraucher:innen sich sehr oder eher schlecht zu möglichen Gesundheitsrisiken von Nahrungsergänzungsmitteln informiert fühlte.
„Kindgerechte Formen wie Fruchtgummis werden vor allem deshalb in dieser Form angeboten, um die Akzeptanz bei Kindern zu erhöhen“, verteidigt Antje Preußker vom Lebensmittelverband Deutschland die Praxis. Nahrungsergänzungsmittel könnten „eine sinnvolle Ergänzung“ zu einer ausgewogenen Ernährung und einem gesunden Lebensstil sein.
Nicole Merbach von der Stiftung Warentest rät jedoch von einer pauschalen Gabe ab. Kinder hierzulande seien in der Regel mit Vitaminen und Mineralien gut versorgt. Im Verdachtsfall könne ein:e Kinderärzt:in per Blutuntersuchung klären, ob es einen Mangel gebe. Gesünder gestalten lasse sich ein Speiseplan, indem etwa Gemüse regelmäßig in unterschiedlichen Darreichungsformen – roh, gekocht oder püriert versteckt – angeboten werde. Insbesondere bei Brotboxen für Schule oder Kita helfe es, die Kinder bei der Bestückung mit einzubinden. Und manchmal könne schon ein anderes Wort Wunder wirken: Werde das Vollkornbrot als Sandwich bezeichnet, komme es gleich besser an.
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