Unterstützung für Radentscheid: Fast 90.000 gültige Unterschriften
Das Volksbegehren für eine bessere Radpolitik hat die erste Hürde genommen. Nun muss die Innenverwaltung die Rechtmäßigkeit prüfen.
107.763 Unterschriften hatte die Initiative Mitte Juni eingereicht. Kontrolliert wurde von den Bezirken, ob sie von wahlberechtigten BerlinerInnen stammen und diese jeweils nur einmal unterschrieben hatten. 16 Prozent der Unterschriften wurden für ungültig befunden, das entspricht der Quote früherer Volksbegehren.
Allerdings war keine Initiative bisher in der ersten Stufe so erfolgreich: Lediglich 20.000 gültige Unterschriften sind nötig, um ein Volksbegehren einzuleiten.
Die Initiatoren fordern ein neues Verkehrskonzept für Berlin, in dem der Fahrrad- vor dem Autoverkehr Vorrang hat. Gefordert werden unter anderem 350 Kilometer Fahrradstraßen mit Vorfahrt für Radler, zwei Meter breite Radwege an jeder Hauptstraße, 200.000 neue Fahrrad-Abstellplätze und eine Grüne Welle für Radler auf mindestens 50 Straßenabschnitten.
Vier Monate Zeit für die Politik
Nun prüft die Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit des „Volksentscheids Fahrrad“. Kommt sie zu einem positiven Ergebnis – was Beobachter für sehr wahrscheinlich halten –, haben Abgeordnetenhaus und Senat von da an vier Monate Zeit, sich zu dem von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurf zu positionieren.
Wie viel Platz brauchen Radler? Darüber diskutieren am heutigen Donnerstag, 19 Uhr, im taz Café in der Rudi-Dutschke-Straße 23 Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD), der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Stefan Gelbhaar, Kerstin Stark, (Initiative Volksentscheid Fahrrad) und Volker Krane (ADAC). Anschließend wird das Fußball-EM-Halbfinale übertragen.
Lehnen sie ihn ab, kommt es zum eigentlichen Volksbegehren. Dabei muss die Initiative dann erneut sammeln – die Hürde liegt bei rund 175.000 Unterschriften. Erreicht sie diese, kommt es zum Volksentscheid, bei dem alle wahlberechtigten BerlinerInnen abstimmen können. Die Initative hofft auf einen Abstimmungstermin parallel zur Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres.
Vielleicht kommt es aber schon früher zu einer Einigung. Mitte Juli treffen sich Mitglieder der Initiative und die zuständige Senatsverwaltung für Verkehr zu einem ersten Gespräch. Gut möglich, dass das Thema schließlich Teil der Koalitionsverhandlungen für die neue Regierung wird. Denn am 18. September wird in Berlin gewählt.
„Volksentscheid retten“ gibt Unterschriften ab
Am Donnerstag hat noch eine andere Initiative einen großen Erfolg errungen: Rund 70.000 Berliner unterstützen ein Volksbegehren für verbindlichere und faire Volksentscheide. Die Initiative „Volksentscheid retten“ reichte die von ihr gesammelten Unterschriften bei der Innenverwaltung ein. Die erste Hürde zur offiziellen Einleitung eines Volksbegehrens sind damit geschafft, teilten die Initiatoren mit. Nötig sind dafür 50.000 gültige Unterschriften, denn „Volksentscheid retten“ will zwei Artikel der Berliner Landesverfassung ändern.
Dafür sind die Hürden höher als für Begehren, die einfache Gesetze durchsetzen wollen. Beim Begehren selbst müssten mindestens 500.000 Berliner unterschreiben, damit es zum Entscheid kommt. Es wäre das erste Mal, dass in Berlin eine Verfassungsänderung per Volksentscheid durchgesetzt wird. Auch dieser Volksentscheid soll, so er denn kommt, parallel zur Bundestagswahl 2017 stattfinden.
Die Initiative will unter anderem, dass das Abgeordnetenhaus per Volksentscheid verabschiedete Gesetze nicht mehr einfach so ändern kann. Die Bürger sollen dies mit einer erneuten Unterschriftensammlung verhindern können. Das Quorum bei der Abstimmung soll von 25 auf 20 Prozent der Wahlberechtigten gesenkt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind