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Unterstützung der Proteste in IranSolidarität zwischen Feinden

In Tel Aviv haben sich am Wochenende etwa hundert Menschen versammelt, um ihre Solidarität mit den Menschen in Iran zu bekunden.

Ein seltenes Bild: Die israelische und die iranische Flagge wurden gemeinsam geschwenkt Foto: Judith Poppe

Tel Aviv taz | Nicht nur in Deutschland gingen am Wochenende wieder Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit den Menschen in Iran zu bekunden, sondern auch in Tel Aviv. Während sich in Düsseldorf und Köln Tausende versammelten, kamen in der israelischen Hauptstadt am Samstagabend nur etwa 100 Menschen zusammen – immerhin. Denn die Länder sind offiziell Erzfeinde. Doch auch in Israel gibt es Menschen mit engen Verbindungen zu Iran.

„Wir sorgen uns um das iranische Volk. Und wollen ihnen bei ihrem Kampf um Freiheit und Gleichheit beistehen“, sagt Solook Roya auf dem Rabinplatz in Tel Aviv. „Frau, Leben, Freiheit“, den Slogan der Proteste in Iran, rufen sie auf Persisch, Hebräisch und Englisch. Über ihnen wehen israelische und iranische Fahnen. Ein seltenes Bild, die Flaggen dieser Länder so eng aneinander wehen zu sehen.

Die allermeisten derjenigen, die sich versammelt haben, sind über fünfzig und ursprünglich iranischer Herkunft. Als Kinder oder Jugendliche sind sie aus Iran eingewandert, kurz bevor Ayatollah Ruhollah Chomeinei 1979 die Islamische Republik ausrief.

Solook Roya hält ihrer Begleiterin die Wange hin, die mit Schminkfarben die iranische Flagge darauf malt. Roya war 16 Jahre alt, als Ayatollah Ruhollah Chomenei 1979 nach Iran zurückkehrte. Mit ihrer Familie erwischte sie noch den letzten Direktflug nach Israel. Seitdem gibt es keine direkte Flugverbindung mehr zwischen den beiden verfeindeten Ländern. Doch über eine Facebook-Gruppe hat Roya noch Kontakt zu ihren ehemaligen Schulkameradinnen in Teheran, die heute auf der Straße sind und für ihre Freiheit kämpfen. Über Politik reden sie über Facebook kaum. „Zu gefährlich“, sagt Roya: „Meine Freundinnen in Iran könnten abgehört werden.“

Israels Regierung hält sich zurück

Israel hält sich in Sachen iranischer Proteste zurück, aber einige Äußerungen kommen doch. Vor knapp vier Wochen kamen die De­mons­tran­t*in­nen schon einmal in Jerusalem zusammen. Mitorganisiert wurde die Kundgebung von der Vizebürgermeisterin Fleur Hassan-Nahoum, die ihre Solidarität mit den iranischen Menschen aussprach. „Ich bete für den Tag, an dem Iran auch dem Abraham-Abkommen an der Seite der Vereinigten Arabischen Emirate, Marokkos und Sudans beitreten kann. Eine demokratische, freie Gesellschaft ist auch in unserem, in Israels Interesse.“

Das israelische Außenministerium twitterte vor einem Monat ein Video, in dem israelische Frauen ihre Solidarität mit iranischen Frauen ausdrückten. „Wir werden dich niemals vergessen, Mahsa Amini“, rufen die Frauen Richtung Iran. Und Rita, eine bekannte israelische Popsängerin iranischer Herkunft, nahm ein Video auf, in dem sie den Frauen auf Farsi Mut zusprach. Daraufhin habe sie Tausende von Nachrichten von iranischen Frauen erhalten, in denen diese Rita gebeten hätten ihre Stimme zu sein, wenn ihre nicht gehört werden können.

Aus dem Lautsprecher auf der Demonstration tönt der Aufruf an Israel, kein Atomabkommen mit Iran zu unterzeichnen: „Wenn die Sanktionen ausgesetzt werden, wird Geld ins Land fließen, das gegen die Revolution auf den Straßen eingesetzt wird“, erklärt ein Mann.

Als „Baraye“ ertönt, der Song, der zur Hymne der Proteste geworden ist, bricht eine Frau in den hinteren Reihen in Tränen aus: „Ich bin doch Iranerin“, sagt sie. „Ich kann das nicht von mir abspalten. Aber ich bin so hilflos von hier aus.“ Sie, Roya und auch die anderen, glaube fest daran, dass die Bande zwischen den Menschen beider Länder noch tief sind. Und dass sie es vielleicht auch bald wieder offiziell sein könnten.

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