Unterkünfte für Tausende: Die Masse macht‘s problematisch
Nach den jüngsten Gewaltausbrüchen kritisieren Opposition und Flüchtlingsrat Unterkünfte wie den Flughafen Tempelhof. Und die Koalition? Will noch viel mehr Flüchtlinge dort unterbringen.
Einen Tag nach der Schlägerei im ehemaligen Flughafen Tempelhof ist die Lage dort wieder entspannt. Kinder in Flipflops flitzen am Montag im Hangar zwischen den Zelten herum. Erwachsene rauchen vor der Halle. Warum es zu dem Konflikt kam? Sie erklären es mit der allgemeinen Unzufriedenheit der Bewohner. „Das Essen im anderen Hangar ist besser als bei uns“, ärgert sich ein Somalier. Auch das Internet funktioniere nur in einer Halle. Ein Syrer sagt: „Es ist einfach viel zu voll.“ Die Umstehenden nicken.
Am Sonntag waren in der Unterkunft nach einem Streit bei der Essensausgabe mehrere hundert Flüchtlinge aneinandergeraten. 120 Polizisten schritten ein, es gab rund 20 Festnahmen, wie die Polizei am Montag mitteilte. Zuvor war es bereits am Samstagabend in einer Spandauer Unterkunft zu Streit unter Flüchtlingen gekommen. Daraufhin brach im Heim Panik aus, rund 500 Personen flohen ins Freie.
Nicht nur die Flüchtlinge in Tempelhof, auch der Flüchtlingsrat führt die Konflikte auf die schlechten Bedingungen vor Ort zurück. „Dass eine solche extrem beengte und völlig unzureichend ausgestattete Massenunterkunft wie Tempelhof Konflikte fördert, war absehbar“, sagte Sprecher Georg Classen. Der Betrieb der Unterkunft verstoße gegen rechtliche Vorschriften und Qualitätsstandards. Classen verwies auf die Zelte, die brandschutzrechtlich unzulässig seien, sowie auf die fehlenden Sanitäranlagen: Auf dem Gelände stehen lediglich Dixieklos, Duschen gibt es vor Ort keine.
Wer macht sich strafbar?
Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte Flüchtlingen, die sich nicht an die Regeln hielten, am Sonntag mit Gefängnisstrafen gedroht. Das bezeichnete Classen als „ungeheuerlich“: „Die Frage ist vielmehr, ob sich diejenigen strafbar gemacht haben, die für eine solche Unterbringung verantwortlich sind.“
Trotz der aufflammenden Debatte über Massenunterbringung ebneten SPD und CDU am Montag den Weg für eine noch größere Unterkunft: Im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses winkten die Regierungsfraktionen eine Änderung des Tempelhofgesetzes durch, das vorübergehende Bauten auf dem Feld erlaubt. In den Hangars, in denen bislang 2.500 Flüchtlinge wohnen, sollen bis zu 5.000 Menschen unterkommen. In Traglufthallen oder Containern auf den Wiesenstreifen am Rand könnte man ebenso viele beherbergen. Vertreter der Opposition gehen von mehr als 10.000 Flüchtlingen am Standort Flughafen Tempelhof aus, der anwesende Staatssekretär dementierte diese Zahl nicht.
Die Opposition kritisierte die Gesetzesänderung scharf. „Was die Konsequenz von Massenunterkünften dieser Größe ist, haben wir am Wochenende gesehen“, sagte Fabio Reinhardt von den Piraten. Elke Breitenbach (Linke) fragte: „Warum hat der Senat bis zum heutigen Tag so wenige Immobilien, die ihm angeboten wurden, geprüft?“ Derzeit kommen jeden Tag rund 800 neue Flüchtlinge in Berlin an, so Sozialstaatsekretär Dirk Gerstle. Der Senat sei angesichts dieser Zahlen gezwungen, größere Einrichtungen zu suchen.
Am Montagnachmittag berieten sich die Betreiber der Flüchtlingsunterkünfte aus Tempelhof und Spandau mit Vertretern der Sozialverwaltung und der Polizei. Um ähnliche Konflikte in Zukunft zu vermeiden, sollten vor allem nachts mehr Sozialarbeiter vor Ort sein, sagte hinterher eine Sprecherin der Sozialverwaltung. Mehr Gemeinschaftsräume und sinnvolle Beschäftigungen könnten die Lage entspannen. Auch seien mehr Sicherheitskräfte mit Farsi-Kenntnissen vonnöten, da sich offenbar vor allem Afghanen benachteiligt fühlten. Noch in dieser Woche sollen die Betreiber von Flüchtlingsunterkünften gemeinsam mit der Polizei Konzepte entwickeln, um bei Eskalationen schneller reagieren zu können.
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