Unterbringung von Geflüchteten: Fensterlose Mehrbettzimmer
Immer noch leben Geflüchtete in Hamburgs „Ankunftszentrum“ unter prekären Bedingungen. Die SPD findet das okay, die Grünen äußern sanftes Unbehagen.
Das Ankunftszentrum ist die erste Anlaufstelle für Geflüchtete in Hamburg. Anfangs hieß es noch, sie sollen nur wenige Tage dort bleiben. Seit Oktober 2018 bleiben jene, die eine angeblich „schlechte Bleibeperspektive“ haben, weil sie aus einem angeblich sicheren Herkunftsland kommen oder bereits in einem anderen Land registriert wurden, aber bis zu sechs Monate und sogar noch länger dort. Das erklärte Ziel: schnelle Abschiebung. Eine den umstrittenen Ankerzentren „funktionsgleiche Einrichtung“ habe Hamburg, soll ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums vor kurzem gesagt haben.
Mehrere Organisationen der Geflüchtetenhilfe wollen, dass sich das ändert und haben Forderungen an die Hamburger Politik formuliert, die an diesem Donnerstag Thema einer Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen von SPD, Grünen, Linken, CDU und FDP sein werden. Auch das Ankunftszentrum wird diskutiert werden, denn eine Forderung ist die Reduzierung der Wohnpflicht dort auf wenige Tage. Vor Beginn des Asylverfahrens soll den Menschen eine dreiwöchige Orientierungsphase gewährleistet werden, genauso wie eine verlässliche und unabhängige Rechtsberatung.
Außerdem solle der Schutzbedarf vulnerabler Personen, also jener Menschen, die beispielsweise traumatisiert oder Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, früher und systematischer erfasst werden und dieser Schutzbedarf sich auch in der Art ihrer Unterbringung niederschlagen.
Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung der Diakonie
Dass es an diesen Mechanismen fehlt, sagt auch Christiane Schneider, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Die taz hat sie und die Vertreter*innen anderer Parteien zu der Unterkunft befragt.
„Viele Geflüchtete haben vor oder während ihrer Flucht traumatische Erfahrungen gemacht. Um sie zu erkennen und adäquat behandeln zu können, braucht es ein sicheres Umfeld, das die Zentrale Erstaufnahme keinesfalls bieten kann“, sagt Schneider. Auch sie fordert, dass Menschen nicht mehr wochen- und monatelang in Rahlstedt untergebracht werden.
Und es leben dort nicht nur Erwachsene. Auch schulpflichtige Kinder werden längerfristig untergebracht, obwohl das eigentlich nicht so sein soll. Und es müssen dort auch Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, über Wochen und Monate unter den genannten Umständen leben, wenn ihre Eltern eine „schlechte Bleibeperspektive“ haben.
„Einspruch! Spielräume nutzen“: Podiumsdiskussion zur Zukunft der Hamburger Flüchtlingspolitik am 13. Februar, 18 Uhr, Hauptkirche St. Petri
Die Menschen seien gewissermaßen zusammengepfercht mit keiner anderen Perspektive als Warten auf ihren Abschiebeflug, sagt Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung der Diakonie. „Für Kinder ist die Unterbringung in dieser Halle schlicht nicht zumutbar.“
Doch dass sich daran etwas ändert, ist nicht absehbar. Die FDP ließ die Fragen der taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die zuständige CDU-Fachpolitikerin Franziska Rath war noch nie in dem Ankunftszentrum.
Und laut SPD ist alles bestens. Für Kazim Abaci, Sprecher für Migration und Geflüchtete der SPD-Fraktion, ist das Ankunftszentrum „eine sehr gute Einrichtung“. Den Aufenthalt dort für Menschen ohne „besondere Schutzbedürftigkeit“ über mehrere Monate nennt er grundsätzlich „vertretbar“. Auf die nicht-schulpflichtigen Kindern geht er dabei nicht ein.
Und Antje Möller, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, spricht von der „Unwirtlichkeit der Hallen und der abgeschiedenen Lage der Einrichtung“ und sagt, die Grünen halten es für notwendig, dass der mehrmonatige Aufenthalt dort beendet wird. Aber die Unterkunft besteht erst seit Rot-Grün.
Dabei gibt es auch laut Möller als Reserve vorgehaltene Kapazitäten in anderen Einrichtungen. Andere Unterkünfte werden einfach geschlossen. „Die Unterbringung in Rahlstedt zu den dort herrschenden Bedingungen ist eine politische Entscheidung, keine Frage von Kapazitäten“, sagt Schneider.
Dirk Hauer von der Diakonie erwarte von Rot-Grün, dass das Primat des Abschiebeinteresses aufgehoben wird: „Und wenn die Menschen mit sogenannter schlechter Bleibeperspektive schon gesondert untergebracht werden sollen, dann muss das an einem anderen Ort in einer vernünftigen Einrichtung sein.“
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