Unruhen in Südafrika: Dirigierte Krawalle
Hinter den Unruhen in Südafrika steht ein organisiertes Netzwerk krimineller Zuma-Anhänger*innen. Die Regierung hat es unterschätzt.
Jetzt wird auch sichtbar, was alles schiefgelaufen ist seit dem 8. Juli, als Ex-Präsident Jacob Zuma doch noch in letzter Minute freiwillig seine Haftstrafe wegen Missachtung der Justiz antrat, und warum seitdem vor allem zwei der neun Provinzen Südafrikas, KZN und Gauteng, im Chaos versinken.
Zuerst: Südafrikas Regierung unter Präsident Cyril Ramaphosa einschließlich des Polizeiministers Bheki Cele hat das Netzwerk von gut organisierten Zuma-Anhänger*innen in diesen zwei Provinzen unterschätzt. Zwar beteiligten sich auch arme Menschen an den Plünderungen, die sich nicht für Zuma interessieren, sondern wohl schlicht Hunger hatten und die Chance nicht verstreichen ließen, sich satt essen zu können. Dies ging aber nur, weil die Rahmenbedingungen von jenem kriminellen Netzwerk geschaffen wurden.
Nur so ist zu erklären, dass es in anderen Provinzen nicht zu derartigen Krawallen kam, etwa in Ostkap, der ärmsten Provinz Südafrikas. Hier hatten sich Kleinbusbesitzer zusammengetan, um erste Plünderungsversuche mit ihrer Präsenz vor Läden zu verhindern.
Anonymer Zuma-Anhänger im Radio
„Dieses chaotische Klauen schädigt am Ende uns Arme am meisten“, erklärte Moses Mongameli, 40, mit einem Knüppel in der Hand gegenüber der taz. „Die Polizei schafft das hier nie allein.“ Südafrikas Polizei – nicht nur in KZN und Gauteng – ist schecht ausgebildet und bezahlt. In Durban, der größten Stadt in KZN, wurden sechs Beamte festgenommen, die sich in einem Einkaufszentrum ebenfalls eindeckten.
Bis 2018 konnten sich kriminelle Kreise über den damaligen Präsidenten Zuma direkt über staatliche „Aufträge“ bedienen. Doch nachdem Ramaphosa schwor, dieser Korruption ein Ende zu bereiten, mussten viele untertauchen und über Alternativen nachdenken.
Lkw-Blockaden
Die „Volkskampagne“ #FreeJacobZuma kommt indes weder vom „Volk“, noch ist sie gekoppelt an die ethnische Gruppe der Zulus, der auch Zuma angehört – auch wenn dies manche Agitator*innen glauben machen wollen. Sie hoffen darauf, schon zu Apartheidzeiten missbrauchte Spannungen zwischen Zulus und der zweitgrößten Gruppe der Xhosa wiederbeleben zu können.
Besonders infam war ein Aufruf des Radiokommentators Ngizwe Mchunu, der drohte, dass, wenn Zuma nicht „innerhalb von drei Tagen frei ist, die Hölle losbrechen“ würde. Oder auch ein 11-Sekunden-Video, das Zumas Tochter postete, in dem auf ein Wahlplakat Ramaphosas geschossen wird.
Strategisch wichtiger für die Zuma-Anhänger*innen war indes die Sperrung großer Zufahrtsstraßen nach KZN und nach Johannesburg. Insgesamt 35 Lastwagen wurden angehalten, in eine blockierende Position gebracht und in Brand gesteckt. Die Fahrer wurden verjagt oder auch verprügelt, wenn es sich um „Ausländer“ handelte.
Dies war nicht das Werk hungernder Menschen, sondern jenes Netzwerks von Zuma-Anhänger*innen, die ihre Stunde gekommen sahen. „Ihr könnt den Staat regieren, wir regieren die Straße“, sagte einer von ihnen im Radio, der nicht namentlich genannt werden wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen