Unruhen in Libyen: Diplomatisches Eigentor
Mit dem Bekanntmachen des Außenministertreffens hat sich Israel selbst geschadet. Für die libyschen Oppositionellen ist es ein gefundenes Fressen.
A nfangs kamen Bilder, die man aus der arabischen Welt durchaus gewohnt ist. Als die ersten Meldungen von dem Treffen der libyschen Außenministerin Nadschla al-Mangusch mit ihrem israelischen Amtskollegen Eli Cohen öffentlich gemacht wurden, brannten in mehreren libyschen Städten Autoreifen. Demonstranten griffen das Außenministerium und das Haus des Premierministers Abdul Hamid Dbaiba in Tripolis an.
Doch beim genaueren Hinsehen auf die Proteste gegen jegliche Anerkennung des Staates Israel wird deutlich, dass sich trotz der wirtschaftlichen und politischen Krisen in Nordafrika und dem Nahen Osten viel verändert hat. In den meisten Landesteilen war niemand bereit gegen das “zionistische Gebilde“ zu demonstrieren. Das über Jahrzehnte von den Diktaturen der Region gepflegte Feindbild zieht nicht mehr. Außenministerin Mangusch mußte nicht wegen des Treffens mit israelischen Regierungsvertretern gehen.
Ihr modernes Auftreten missfällt den Ultrakonservativen schon lange. Die gegen den Willen der libyschen Delegation veröffentlichten Details des libysch-israelischen Treffens hat eine ungewöhnliche Allianz aus Salafisten, dem noch aus Gaddafi-Zeiten stammenden Geheimdienst ISA und den Gegnern der Regierung Dbaiba geschaffen. Sie schickte bezahlte Demonstranten auch gegen die immer mutiger auftretenden weiblichen Politikerinnen und Aktivistinnen in Libyen auf die Straße.
Für das Schicksal der durch radikale jüdische Siedler im Westjordanland vertriebene Palästinenser interessieren sich nur wenige in der Region. Der Eigennutz des israelischen Außenministers hat die frühere Menschenrechts-Aktivistinnen Nadschla al-Mangusch in Gefahr gebracht. Mit dem unsensiblen Ausplaudern des vertraulichen Treffens wollte die israelische Regierung daheim punkten.
Auf der Agenda von Regierungschef Benjamin Netanjahu steht die Normalisierung zu Ländern in der arabischen Welt. Ein Vorhaben, das nach dem nun möglichen Sturz der libyschen Regierung eher schwieriger werden dürfte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins