Unruhen in Atlanta nach Polizeischüssen: Tödliche Schüsse in Atlanta
Neue Unruhen in den USA: Nach Schüssen auf den Schwarzen Rayshard Brooks wird der beteiligte Polizist gefeuert. Atlantas Polizeichefin tritt zurück.
![Mehrere Menschen mit Plakaten in der Hand blockieren eine Straße in Atlanta. Mehrere Menschen mit Plakaten in der Hand blockieren eine Straße in Atlanta.](https://taz.de/picture/4202128/14/Atlanta_Proteste-1.jpeg)
Anschließend versuchten sie ihn festzunehmen. Brooks wehrte sich, es kam zu einem Handgemenge – davon gibt es Videoaufnahmen von Passanten und den polizeilichen Body-Cams. Dabei gelang es Brooks, sich den Polizisten zu entwinden und davonzulaufen. Er soll einem der beiden dabei die Taser-Pistole geklaut haben. Auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera des Restaurants sieht man Brooks weglaufen. Als der eine Polizist nur einige Meter von ihm entfernt ist, dreht Brooks sich im Laufen um, und die Aufnahme legt nahe, dass er den Taser auf den Polizisten richtet. Daraufhin gibt der die Schüsse ab. Brooks wird später ins Krankenhaus transportiert, wo auch eine Notoperation sein Leben nicht mehr retten kann.
Scharfe Reaktionen folgten am Samstag. Vor dem Restaurant und auf der nahe gelegenen Interstate-Autobahn versammelten sich Protestierende. „Wessen Straße? Unsere Straße!“, riefen sie und immer wieder den Namen des getöteten Rayshard Brooks. Später räumte die Polizei unter Einsatz von Tränengas die blockierte Straße und nahm 36 Personen fest. Das Wendy’s-Restaurant ging in Flammen auf.
Atlantas demokratische Bürgermeisterin Keisha Lance Bottoms forderte noch am Samstag die Entlassung des Polizisten, der geschossen hatte, und gab den Rücktritt der Polizeichefin Erika Shields bekannt. „Ich glaube nicht, dass dies eine gerechtfertigte Anwendung von tödlicher Gewalt war“, sagte sie. Selbst wenn es rechtmäßig gewesen sei, sei es falsch gewesen.
„Das ändert gar nichts!“
„In den vergangenen Wochen ist in Atlanta mehr als klar geworden, dass wir zwar eine Polizei haben, die voll ist von Männern und Frauen, die mit Ehre, Respekt und Würde an der Seite der Bürger arbeiten. Dennoch gibt es im Verhältnis zwischen Polizisten und den Communitys, denen sie dienen, eine Lücke zu dem, was unsere Erwartungen sind und sein sollten“, sagte die Bürgermeisterin.
Sie hatte sich Ende Mai, als es im Zuge der Proteste wegen der Tötung des 46-jährigen George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis auch in Atlanta zu gewaltsamen Protesten gekommen war, mit einer flammenden Rede an die Protestierenden gewandt: „Das ändert gar nichts! Wir reden nicht mehr über die Ermordung eines unschuldigen Mannes, wir reden darüber, wie ihr Polizeiautos auf den Straßen von Atlanta abbrennt. Geht nach hause!“
Die zurückgetretene Polizeichefin Erika Shields schrieb in einer Erklärung: „Ich habe Vertrauen in die Bürgermeisterin, und es ist Zeit für die Stadt, voranzukommen und Vertrauen zwischen der Polizei und denen aufzubauen, denen sie dient.“
Vic Reynolds, der Chef der Ermittlungsbehörde von Georgia (GBI), sagte auf einer Pressekonferenz, das GBI werde rasch alle Fakten sammeln und diese der Staatsanwaltschaft übermitteln. Er warnte vor vorschnellen Schlüssen – und verwies auf die aufgeheizte Stimmung im Land. „Ich möchte nicht, dass irgendjemand unter irgendwelchen Umständen zu irgendeiner Form von Urteil eilt, was in diesen Fällen auf beiden Seiten sehr einfach ist“, sagte er. Den Ermittlern sei bewusst, dass in solchen Fällen „enorme Gefühle“ mit im Spiel seien und dies durch die derzeitige Situation verstärkt werde. Die Staatsanwaltschaft müsse beurteilen, ob es gerechtfertigt gewesen sei, dass der Polizist geschossen habe.
Brooks war Vater von vier Kindern. Er habe an dem Freitag den 8. Geburtstag einer seiner Töchter gefeiert, teilte die Familie mit. Ihr Anwalt L. Chris Stewart forderte, den Polizisten anzuklagen. Es könne nicht sein, dass eine Elektroschockpistole als nichttödliche Waffe verstanden werde, aber wenn ein Afroamerikaner sie schnappe und damit wegrenne, sie doch als tödliche Waffe gelte und Schüsse auf die rennende Person nach sich ziehe, sagte er.
Ein Problem bleibt in den USA die kurze und stark auf Gewaltausübung fokussierte Polizeiausbildung. In Atlanta etwa müssen Polizeianwärter*innen lediglich 21 Wochen, rund viereinhalb Monate, auf der Polizeiakademie absolvieren – ein Crashkurs mit den Schwerpunkten Selbstverteidigung, körperliche Fitness und Schusswaffentraining. Anschließend gehen sie direkt in den Patrouillendienst, zunächst im Team mit einem erfahrenen Kollegen. Nach weiteren drei Monaten gelten sie als fertig ausgebildet. Drei Jahre müssen sie dann Patrouille schieben, bevor sie sich auf andere Stellen innerhalb der Polizei bewerben können. Garrett Rolfe, der entlassene Todesschütze von Rayshard Brooks, war seit Oktober 2013 bei der Polizei, sein suspendierter Kollege seit 2018
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden