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Unruhen an der Gaza-GrenzeZwei Tote und Dutzende Verletzte

An der israelischen Grenze werden zwei Palästinenser durch Schüsse getötet. Demonstranten lenken Drachen mit brennender Flüssigkeit nach Israel.

Palästinensische Demonstranten tragen am Freitag einen verwundeten Mann weg Foto: ap

Gaza/Tel Aviv dpa | Bei erneuten Zusammenstößen mit israelischen Soldaten sind im Gazastreifen zwei Palästinenser getötet worden. Die beiden seien an der Grenze zu Israel durch Schüsse tödlich verletzt worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium am Freitag mit. Einer der Toten sei ein Mensch mit Behinderung gewesen. 126 weitere Palästinenser seien verletzt worden, davon rund die Hälfte durch Schüsse. Israels Regierung kam indes anlässlich der 70-Jahr-Feiern des jüdischen Staates in Tel Aviv zusammen.

Bei Massenprotesten an der Gaza-Grenze sind seit Ende März nunmehr 37 Palästinenser getötet und Hunderte durch Schüsse israelischer Soldaten verletzt worden. Die israelische Armee hat immer wieder betont, die meisten der Getöteten seien „Terroristen“ gewesen.

Es ist der schlimmste Gewaltausbruch seit dem Gaza-Krieg 2014. Anlass für den „Marsch der Rückkehr“ ist der 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung. Die Palästinenser sehen die Staatsgründung als Katastrophe an, weil 1948 Hunderttausende von ihnen fliehen mussten oder vertrieben wurden. Sie pochen auf ein „Recht auf Rückkehr“ in das heutige israelische Staatsgebiet. Israel lehnt dies ab.

Nach palästinensischen Schätzungen ging die Zahl der protestierenden Palästinenser weiter zurück – von am Anfang mehreren Zehntausend auf am Freitag nur noch mehrere Hundert. Die israelische Armee sprach von rund 3000.

Autoreifen und präparierte Lenkdrachen

Junge Palästinenser zündeten am Freitag Dutzende Autoreifen an und präparierten Hunderte Lenkdrachen. Sie lenkten die Drachen nach Israel – mit brennenden Flüssigkeiten sowie arabischen und hebräischen Botschaften wie „Zionisten: Es gibt keinen Platz für Euch in Palästina“. Bei ähnlichen Aktionen in den vergangenen Tagen hatten mehrfach Felder in Israel Feuer gefangen, wie die Times of Israel berichtete.

Nach Augenzeugenberichten feuerten israelische Soldaten am Freitag massiv auf die Drachen. Die Armee teilte lediglich mit, dass mehrere Drachen am Boden gelöscht worden seien, wenn notwendig.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach in einer Mitteilung bezüglich der Massenproteste von „ungewöhnlich schweren und ernsten Verletzungen der Patienten, die sehr komplexe Behandlungen brauchen“. Mitarbeiter der Organisation hätten seit Anfang April mehr als 500 Menschen mit Schussverletzungen versorgt. „Die meisten der Patienten werden infolge ihrer Verletzungen langfristige physische Schäden haben“, hieß es.

Am Freitagmorgen hatte die israelische Armee die palästinensische Bevölkerung davor gewarnt, sich dem Grenzzaun zu nähern

Die Proteste im Gazastreifen sollen bis zum 15. Mai dauern. Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel gegründet. Die Palästinenser begehen den 15. Mai als Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), weil im ersten Nahost-Krieg 1948 rund 700.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden. Am 14. Mai wollen die USA zudem die US-Botschaft in Jerusalem eröffnen.

Am Freitagmorgen hatte die israelische Armee die palästinensische Bevölkerung davor gewarnt, sich dem Grenzzaun zu nähern. Ein Armeeflugzeug warf Flugblätter über dem Küstengebiet ab, wie die Armee mitteilte.

„Ihr beteiligt Euch an gewaltsamen Unruhen“, heiße es darin. „Die Terrororganisation Hamas nutzt Euch aus, um Terroranschläge zu verüben.“ Die Armee versuche, die Verluste zu begrenzen, werde aber keine Beschädigung der israelischen Sicherheitseinrichtungen dulden.

Feierlichkeiten fortgesetzt

Die Hamas hatte 2007 die Macht im Gazastreifen an sich gerissen. Sie wird von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft. Sie hat sich die Zerstörung Israels auf die Fahne geschrieben und strebt die gewaltsame Einrichtung eines islamischen Palästinas auf dem Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan-Fluss an.

Israel setzte am Freitag seine Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen fort. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kam zu einer festlichen Kabinettssitzung in Tel Aviv zusammen. „Wir sind sicher, dass wir die Fähigkeit haben, uns selbst zu verteidigen“, sagte Netanjahu. Dies sei „die Essenz der Unabhängigkeit“. „Wir hören die Drohungen aus dem Iran.“ Die israelischen Sicherheitskräfte seien auf jede Entwicklung vorbereitet.

Die Feiern enden nach 70 Stunden am Samstagabend. Während des Sabbat gibt es von Freitagabend an eine Ruhepause. Der Staat Israel wurde zwar am 14. Mai 1948 ausgerufen. Israel feiert sein 70. Jubiläum allerdings nach dem hebräischen Kalender. Deshalb begannen die Feierlichkeiten schon am Abend des 18. April.

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33 Kommentare

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  • „Ihr beteiligt Euch an gewaltsamen Unruhen“, heiße es darin. „Die Terrororganisation Hamas nutzt Euch aus, um Terroranschläge zu verüben.“

     

    Wie wahr !

    Die Spendenwelle für die Hamas läuft mit Mitleid besser - und "tote Behinderte" sind noch "Presse wirksamer"

    • @Justin Teim:

      wirklich lustig.

      die spendewelle (22,000,000,000 per annum) auf der anderen seite hat damit ueberhaupt nichts zu tun.

  • "Einer der Toten sei ein Mensch mit Behinderung gewesen"

     

    Was spielt die Behinderung des Menschen für eine Rolle bzw wieso wird das erwähnt? War die Behinderung für den Soldaten, der auf die Gewaltexzesse aus Gaza reagierte, sichtbar? Warum nahm ein behinderter Mensch an den Gewaltexzessen teil? Soll Israel durch versteckte Schlagzeilen wie "Soldaten erschießen Behinderten" noch mehr dämonisiert werden?

    • @Nicky Arnstein:

      nehmen Sie doch endlich Ihre 3-D-brille ab!

      • @christine rölke-sommer:

        Ich empfehle Ihnen dringend eine 3D-Brille, samit ihr Israel- Palästina-Weltbild weniger eindimensional ist.

  • die taz sollte up-daten

    //imemc.org/article/israeli-soldiers-killed-four-palestinians-including-a-child-injured-729-in-gaza-on-friday/

    • @christine rölke-sommer:

      Was hat ein Kind bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zu suchen? Da fallen mir Golda Meirs weise Worte ein: "Es wird erst Frieden geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben als sie uns hassen"

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @christine rölke-sommer:

      Die taz sollte nicht auf unseriöse Quellen reinfallen. So wie Sie.

      • @97796 (Profil gelöscht):

        //http://www.msf.org/en/article/palestine-msf-teams-gaza-observe-unusually-severe-and-devastating-gunshot-injuries

  • "mit brennenden Flüssigkeiten sowie arabischen und hebräischen Botschaften wie „Zionisten: Es gibt keinen Platz für Euch in Palästina“""

  • wann, frag ich mich, spricht es sich bis in die taz-redaktionsstube herum, dass the great march of return keine *unruhen* ist!?

    und wie wär's, wenn mann+frau mal über https://archive.org/details/NormanFinkelstein-GandhiPoliticalStruggleIsrael-palestine nachdächte?!

    ps: wenn ich wissen will, wie viele tote+verletzte das von der israelischen armee veranstaltete gemetzel gefordert hat, guck ich bei //imemc.org/ nach, z.b. - da werd ich sachlicher iformiert als hier.

    • @christine rölke-sommer:

      Wozu beehren Sie uns dann permanent hier, wenn Sie woanders "sachlicher informiert werden? Nur um Ihre unsachlichen, einseitigen, scheinbar von Israel-Hass zerfressenen Ansichten abzusondern?

      • @Nicky Arnstein:

        und Ihre postings sind durch liebe zu israel motiviert?

        dass ich nicht lache!

        • @christine rölke-sommer:

          Ich weiß, dass Ihnen meine Postings nicht zusagen. Kein Grund jedoch, sarkastisch zu sein. Wussten Sie, dass Sarkasmus eine Form der Verbitterung ist?

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @christine rölke-sommer:

      Also Ihre Quellenangaben sind wirklich exzellent. Wenn man lachen will.

    • @christine rölke-sommer:

      Unruhe: [...]

      "unter einer größeren Anzahl von Menschen herrschende, durch [zornige] Erregung, Empörung, Unmut, Unzufriedenheit gekennzeichnete Stimmung"

       

      1. Größere Anzahl Menschen

      2. Erregung, Empörung, Unmut, Unzufriedneheit

       

      Was passt da jetzt nicht?

      • @BluesBrothers:

        patienten gips, murmelte der fahrradhändler

  • Militärisch gesehen ist es nur in Ausnahmefällen nötig auf die Leute zu schießen, und selbst wenn die Grenzanlagen beschädigt werden sollten, sind Bruchstellen dahinter von der Tzahal zu halten.

     

    Die Linie von Bibi und des Aluf ist dumm!

     

    Auf die Leute zu schießen macht Israel keinen Meter sicherer. Es macht die Leute noch wütender, nachdem sie tote Freunde und Verwandte zu Grabe getragen haben. Es schädigt Israels Ansehen und bedient nur Israels Rechte.

     

    Und darum muss Israels Linke bei den nächsten Wahlen einen guten Kandidaten wählen, mit den israelischen Arabern über eine Unterstützung verhandeln und dann den Likud mit dem Rechten Pack aus der Regierung werfen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      Ich denke, das Ganze ist mit Molotovcocktails, Steinschleudern und brennenden Autoreifen genau so von der Hamas geplant und jeder Tote ist Wasser auf ihre Propagandamühlen.

       

      Der Hamas ist es auch egal, ob Israel von einer rechten oder von einer linken Regierung regiert wird. Erklärtermaßen will es Israel von der Landkarte radieren. Die Hamas wird auch nicht mit einer Regierung, in der israelische Araber sind, verhandeln.

       

      Diese bilden by the way bereits die drittgrößte Fraktion in der Knesset.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Das ist mir alles bekannt. Mir geht es um Israels inneren Zustand.

         

        Mit der Hamas wird man in deren aktuellen Zustand nie über irgendetwas reden können als Waffenstillstand.

         

        Aber Israel hat ziemlich loyale Bürger die arabische Israelis sind. Die muss man einbinden wenn man nicht stark genug ist, die richtigen Punkte selbst durchzusetzen. Selbst die Befragungen der Regierung zeigen, die Leute wollen auch wenn es einen Palästinenserstaat gibt weiter in Israel wohnen.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Sven Günther:

          Ok, das klingt logisch und einleuchtend. Aber die Frage ist doch, warum die Israelis anders gewählt haben.

           

          Und da kommt ja vielleicht der Sicherheitsaspekt ins Spiel. Vielleicht ist es ja so: Je feindlicher die Leute die Lage empfinden, desto rechter wählen sie.

          • @88181 (Profil gelöscht):

            Das ist teilweise richtig, aber es liegt auch an den jüdischen Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion.

             

            Sie haben Israels Diskurs wesentlich weiter verschoben, als es vorher gedacht.

             

            Und natürlich liegt es an der Schwäche der Linken, wenig Konzepte und viele luftige Versprechen.

             

            Daher brauchen die jemand der auch militärisch nicht völlig unbeschrieben ist, daher Ehud Barak.

             

            Ich war kein großer Fan von Scharon, aber wenn der Held von Ägypten sagt, wir ziehen uns aus Gaza zurück, dann konnten das auch konservative Israelis akzeptieren.

             

            Und so jemanden braucht Israel wieder.

            • @Sven Günther:

              Schauen wir uns doch die Geschichte an.

              1978: Der Likud- Ministerpräsident Menachem Begin, und Anwar as-Sadat schließen Frieden zwischen Israel und Ägypten.

              2000: Der Avoda- Ministerpräsident Ehud Barak scheitert in Camp David hoffnungslos. Wobei Ehud Barak und seine Leute wirklich alles versucht haben. Hier ein eindrucksvoller Bericht von Israels ehemaligem Außenminister Shlomo Ben-Ami,:

              //embassies.gov.il/berlin/AboutIsrael/the-middle-east/naherostendokumente/Ben_Ami.pdf

              Wenn die politischen Eliten des Nachbarn keinen Frieden wollen, ist das die Situation, egal ob Israel eine rechte oder linke Regierung hat.

              Bei uns in Deutschland ist das Problem, dass unsere christlichen Nahostexperten lieber im Internet "nahost-forum bremen" oder anderes Zeug lesen, anstatt sich den Bericht von Schlomo Ben-Ami durchzulesen oder das Buch von Yaacov Lozowick "Israels Existenzkampf".

            • @Sven Günther:

              @ sven günther : nein, auch vor der Einwanderungswelle der russischen Juden war Israel SYSTEMATISCH eine Staat, die ihre "arabische" Mitbürger nicht gleich behandelt hat. Mehr noch; sie haben nicht die gleiche Bürgerrechte wie jüdische Israelis - ein Merkmal, der als die Basis einer Apartheid-Staat funktioniert.

              siehe: https://youtu.be/0eH71dj9GfQ

              • @Ninetto:

                Die arabischen Israelis haben die gesetzlich gleichen Rechte wie die jüdischen Israelis und alle Anderen auch.

                • @Sven Günther:

                  Das stimmt einfach NICHT.

                  Sie sind einfach nicht informiert. Wenn Sie die Gesetze Israels studieren, oder einfach den Link zum Video von Johnathan Cooks Vortrag über die verschiedene Staatsbürgerschaften Israels anhören, vielleicht werden Sie es endlich kapieren.

                  Oder eine einfache Frage: warum gibt es in Israel keinen Merkmal "Nationalität=Israel" in den Dokumenten?

              • @Ninetto:

                Und wir, mit unserer deutsch christlichen Kultur, in der unsere nächsten Vorfahren den Holocaust betrieben haben, sind natürlich berufen, die Überlebenden über die halbe Welt zu verfolgen, um ihnen in ihrer Zuflucht Apartheid vorzuwerfen.

                 

                Ist das Ihr Credo?

                 

                Während etwa 20 Prozent der Israelis Palästinenser sind, die dort mehr staatsbürgerliche Rechte genießen als in allen anderen arabischen Staaten, wie Tilman Tarach jüngst erwähnte, interessieren sich unsere Friedensfreunde für die katastrophale Lage der Palästinenser in ihren anderen Heimatländer, beispielsweise im Libanon, wo keinerlei Anstrengungen unternommen werden, die Palästinenser in die Zivilgesellschaften zu integrieren eher wenig.

                 

                Hier nochmal was zu lesen:

                https://www.israelnetz.com/politik-wirtschaft/wirtschaft/2017/08/21/arbeitsministerium-foerdert-einstieg-von-arabern-in-hightech-branche/

  • Der ach so friedliche Protest resultiert also in Taten, die bei uns als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr und bis zu 10 Jahren geahndet würden. Wie kann das nur sein? hat die geballte Liebe der Demonstranten sich selbst entzündet.

  • Wikipedia:

    14. Mai 1948: Die israelische Unabhängigkeitserklärung.

    15. Mai 1948: Fünf arabische Staaten, Ägypten, Jordanien, Irak, Syrien und Libanon greifen Israel an. Damit beginnt die zweite Phase des Palästinakrieges.

     

    Seit 70 Jahren zahlt sich Aggression für die Araber nicht aus. Aber sie machen weiter.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Mzungu:

      Ein großer jüdischer Wissenschaftler sagte einst: Wahnsinn ist, immer das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Araber sollten auf Juden hören, anstatt mit ihrem Gürtel auf die loszugehen.