piwik no script img

Unrealistisches 1,5-Grad-ZielKrieg schlägt Klimaschutz

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Der Klimaschutz ist in den Hintergrund gerückt. Das Weiter-So bei den Emissionen ist eine fatale Entwicklung.

Überschwemmungen entlang der Ostküste Australiens, New South Wales, am 22. Mai 2025 Foto: Lindsay Moller/imago

D er große diplomatische Fortschritt, den das Klimaabkommen von Paris 2015 brachte, ist das sogenannte Restbudget: Weil sich die Staaten der Welt verpflichteten, „Anstrengungen zu unternehmen“, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, konnte die Wissenschaft berechnen, wie viele Treibhausgase die Menschheit noch produzieren darf.

Der Zusammenhang zwischen der Treib­haus­gas­konzentration in der Atmosphäre und dem Temperaturanstieg ist eindeutig, beides ist messbar und vorherbestimmt: In drei Jahren wird die Menschheit so viele Treibhausgase produziert haben, dass 1,5 Grad überschritten werden.

Wenn Krieg herrscht, ist es nachvollziehbar, dass Klimaschutz in den Hintergrund tritt. Verständlich ist es nicht. Denn die Wissenschaft sagt uns, dass die Folgen der Erderhitzung schlimmer sein werden als die Kriege, die wir kennen. Eine Berechnung des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen Nicolas Stern ergab schon vor 20 Jahren, dass die Schäden schlimmer sein werden als die der beiden Weltkriege zusammen – und zwar jedes Jahr. Trotzdem steigen die Emissionen jedes Jahr weiter an. Längst ist klar, dass der Meeresspiegel um einen Meter steigen wird. Trotzdem gibt es bei den Menschen an der Küste keinen Aufstand gegen die Untätigkeit der Politik.

Ein Vorteil des Restbudgets ist, dass die Wissenschaft dieses auch für jeden einzelnen Staat und seine Bürger verifizieren konnte. Demnach wurde das der Deutschen bereits im März 2024 aufgebraucht. Der Expertenrat für Klimafragen hat das der Bundesregierung auch mitgeteilt: Für 1,5 Grad dürften die Deutschen keinerlei Treib­haus­gase mehr produzieren.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Trotzdem gibt es immer noch kein Verbot von Gasheizungen, von Inlandsflügen, keine Fleischsteuer, keine Anreize, ohne Beton zu bauen; es gibt noch nicht einmal ein Tempolimit. Stattdessen will die Bundesregierung neue Gaskraftwerke bauen lassen, die 30 Jahre lang Treibhausgase produzieren müssen, bis sie sich amortisieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Krieg schlägt Klimaschutz

    Und Klimawandel schlägt Menschheit

    Trotzdem gibt es immer noch kein Verbot von Gasheizungen, von Inlandsflügen, keine Fleischsteuer, keine Anreize, ohne Beton zu bauen; es gibt noch nicht einmal ein Tempolimit...

    Und das wird uns und unseren Kindern einst um die Ohren fliegen.