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Unliebsame BerichterstattungDie lange Nase der AKP

Die Staatsanwaltschaft in Ankara ermittelt gegen eine Hamburger Journalistin. In Deutschland nimmt die Solidarität mit Erdoğan-Kritikern ab.

Präsidentschaftswahlen in der Türkei: Stimmabgabe im Hamburger Konsulat Foto: dpa

Hamburg taz | Terrorpropaganda und Präsidentenbeleidigung. So lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in Ankara gegen die in Hamburg lebende deutsche Journalistin Süheyla Kaplan. In der Vergangenheit hatte Kaplan über die türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen aus Sicht der in Deutschland lebenden Türken berichtet. Sie teilte Interviews und politische Kommentare auf Facebook und Twitter.

Laut ihrem Anwalt Akın Hürtaş stützt sich die Ermittlung auf vier solcher Beiträge. Dazu gehört eine Karikatur des mittlerweile inhaftierten ehemaligen Karikaturisten der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, Musa Kart.

Kaplan besitzt seit einem Jahr die deutsche Staatsangehörigkeit. Deshalb habe sie beschlossen, den Fall zu veröffentlichen, teilte Adil Yiğit, selbst ein in Deutschland lebender türkischer Journalist, mit. „Das Auswärtige Amt muss endlich Stellung beziehen und die Meinungsfreiheit verteidigen“, fordert er. Gegen mehrere in Hamburg und im weiteren Bundesgebiet lebende türkische Kollegen liefen in der Türkei ähnliche Verfahren.

Süheyla Kaplan lebt seit 2002 in Deutschland und arbeitete bis 2012 für die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı. Weil sie sich zu kritisch gegenüber Erdoğan äußerte, wurde sie dort entlassen. Mittlerweile arbeitet sie für den Kölner Sender Artı TV, der 2017 von türkischen Exil-Journalisten gegründet wurde und auch in der Türkei ausgestrahlt wird. 2018 erhielt Kaplan die deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Polizei besuchte ihre Eltern

Von den Ermittlungen erfuhr Kaplan erst, nachdem die Polizei ihre in der Türkei lebenden Eltern aufgesucht und gefordert hatte, Kaplan solle zum Verhör erscheinen. „Unerträglich“, findet das der Deutsche Journalisten-Verband und sieht darin ein systematisches Unterdrucksetzen der Verwandten und Kollegen in der Türkei.

In einer Pressemitteilung vom 31. Mai schreibt der Verband: „Tragisch am Verhalten der türkischen Regierung ist die schleichende Gewöhnung an einen nicht hinnehmbaren Zustand, niemand ist mehr überrascht.“

Oppositionelle und kritische Journalisten werden in den sozialen Medien systematisch bloßgestellt

Adil Yiğit, Journalist

„Oppositionelle und kritische Journalisten werden in den sozialen Medien systematisch bloßgestellt“, sagt Yiğit, „die AKP-Regierung versucht, über Internet-Trolle Journalisten zu kriminalisieren und so die Solidarität zu verringern, mit Erfolg“. Zwar fühle sich die Bevölkerung in der Türkei nach dem Erstarken der Opposition bei den letzten Wahlen sicherer. Bei den Türken in Deutschland sei die Sorge aber größer geworden, auch weil es an Solidaritätsbekundungen fehlt und Diffamierungskampagnen vermehrt auftreten.

Gerade in Hamburg kämen solche Fälle häufig vor, sagt Cansu Özdemir (Linke). „Hier entsteht eine türkische Bürgerwehr, die Informationen über Oppositionelle und Journalisten an den türkischen Staat weitergibt“, sagt sie. Seit 2014 habe der türkische Geheimdienst hier verschiedene Arme entwickelt.

Von der Pressefreiheit gedeckt

Das zeige unter anderem der Fall der in Deutschland verbotenen Rockergruppe Osmanen Germania, die Verbindungen bis in die höchsten politischen Kreise der AKP pflegen. Auch der AKP-nahe und in Hamburg stark vertretene Arbeitgeberverein UID (Union Internationale Demokraten) hatte die Gruppe finanziert. Teile seiner Führung leben in Hamburg und sind als SPD-Mitglieder bekannt.

Özdemir fordert in dieser Sache von allen Parteien eine klare Positionierung. „Die Einflussnahme der türkischen Regierung betrifft insbesondere Hamburger Bürgerinnen“, sagt Özdemir, „deshalb könne man nicht darauf warten, dass der Bund sich äußert“. Darüber hinaus müsse der Europabeauftragte des Senats oder die Bürgerschaftspräsidentin ein Gespräch mit dem türkischen Konsulat führen und deutlich sagen, dass solche Vorgehensweisen nicht akzeptiert werden.

Hürtaş versucht nun die Staatsanwaltschaft in Ankara dazu zu bringen, ein Rechtshilfeersuchen an die deutsche Staatsanwaltschaft zu schicken. Sollte Kaplan in Hamburg aussagen, werde man feststellen, dass die Vorwürfe nicht haltbar und die Aussagen Kaplans von der Pressefreiheit gedeckt seien.

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