Union, Grüne, Linke und Naomi Seibt: Verbunden durch Schwarmdummheit
Grüne und Linke zeigen Merz wegen Volksverhetzung an, statt von ihm Politik zu fordern. Steinmeier will ordentlich auf den Kabinettstisch pochen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht diese Woche?
Friedrich Küppersbusch: Werde um 6 Uhr oder früher wach.
taz: Und was wird diese Woche besser?
Küppersbusch: Kann die Zeitumstellung mal weg?
taz: Die rechte Influencerin Naomi Seibt hat angekündigt, in den USA Asyl beantragt zu haben, weil sie in Deutschland politisch verfolgt würde. Wie schlimm steht es um die Meinungsfreiheit hierzulande wirklich?
Küppersbusch: „If you share a meme, you may go to jail“, empört sich eine republikanische Kongressfrau über Seibts Bedrohung in Deutschland. Im US-Staat Tennessee hat gerade ein Ex-Polizist über einen Monat in U-Haft gesessen, nachdem er ein Trump-Meme geteilt hatte. Tauschen?
Der Artikel 108 des US-Einwanderungsgesetzes, auf den Seibt sich beruft, enthält unter Paragraf 6 die schöne Wendung „frivolous applications“. Also verantwortungsloses, schlüpfriges Asylbegehren. Und frivol, sozusagen Grundrechtsporno, kann man Seibts Selbstmarketing schon finden. Hätte sie doch einfach gesagt, sie habe Höllenangst, beim NDR ein neues Rechtsmagazin moderieren zu müssen. Das wäre immerhin glaubhaft.
taz: Grüne und Linke haben Friedrich Merz wegen Volksverhetzung angezeigt. Kommen wir mit Anzeigen weiter?
Küppersbusch: Immerhin, es hat etwas Verbindendes: Schwarmdummheit. Die Grünen haben in der Ampel die Abschottungspolitik getragen, mit der Merz neuerdings hausieren geht. Dann hat die Union sich mit einem reinen Migrationswahlkampf verzwergt. Unterdes erfrischten die Linken mit dem Thema Wohnungsnot. Wie man es danach hinbekommen kann, immer wieder an der gleichen Stelle Krawall zu schlagen, ist ein Thema für die Tiefbegabtenforschung. Und dabei herzlich egal, wer das Fass nun wieder aufmacht – oder wer nur reinkotzt. Linke und Grüne wären gut beraten, von Merz Politik zu fordern und nicht ewig sein Phantom der Opas.
taz: Steinmeier hat angekündigt, am 9. November eine „Rede zu aktuellen Gefahren der Demokratie“ zu halten. Was dürfen wir uns davon erwarten?
Küppersbusch: Laut Homepage des Präsidialamtes wird es um „die Lehren des 9. November“ gehen. Also Republikgründung 1918, Hitlerputsch, Pogromnacht, Mauerfall. Da ist für jeden was dabei. Wie man die „Wehrhaftigkeit unserer Demokratie sichern und stärken“ könne, werde der Bundespräsident fragen.
Der Spiegel hingegen hat in Privataudienz unter Schilderung mehrerer Lagen Kekse und Tee herausgefunden: Steinmeier als „Manager der Agenda-Reformen“ wolle mal ordentlich auf den Kabinettstisch pochen. „Bürokratieabbau, Staats- und Sozialstaatsreform“, da müsse mal Tempo rein. Vielleicht kann man auch noch anrufen und sich was wünschen, oder er beantwortet Userfragen. Interessant wäre beides auf einmal: Eine Betrachtung also, was die Agenda-Reformen zur Destabilisierung der Demokratie beigetragen haben. Steinmeier hat 2017 eine stabile GroKo erzwungen und 2021 einen Regierungsbruch cool gemanaged. Man muss einfach immer noch mehr verlangen, damit er nicht gut aussieht.
taz: In den Niederlanden gewinnt der linksliberale Kandidat. Peak europäischer Rechtspopulismus erreicht?
Küppersbusch: Die Holländer haben sich mit dem Hammer auf den Kopf gehauen und binnen eines Jahres herausgefunden, dass das wehtut. Deshalb fordern viele hier nun, dass wir uns auch mit dem Hammer auf den Kopf hauen. Vulgo: Wie dort Wilders PVV möge hier die AfD koaliert werden, weil das bestimmt echt Mist werde, und dann werdet ihr schon sehen.
Das Erstarken der Liberalen und auch der Christdemokraten in den Niederlanden ließe sich ebenso mit der Brandmauer begründen, mit der sie wahlgekämpft haben. Die es hier schon, noch, jedenfalls: gibt. Wilders hatte der Rumpelregierung „das härteste Asylrecht aller Zeiten“ abgenötigt und so entblößt, dass er dahinter blank ist. Denn alle Probleme blieben trotzdem ungelöst: Wohnungsnot, Stickstoffkrise, Krieg in Europa, Diskriminierung waren große Wahlkampfthemen. Learning: Die Migrantenhasser sind auf Migration angewiesen. Gerne „groetjes“ statt „tot ziens“.
taz: Am Dienstag wählt New York seinen neuen Bürgermeister. Der aussichtsreichste Kandidat ist der linke Demokrat Zohran Mamdani. Ist er die Rettung für die demokratische Partei?
Küppersbusch: Okay, Rolf Mützenich in jung, als Ex-Rapper und Muslim. Und dauerfröhlich. Würde das die SPD retten? Nö, aber verdient hätte sie es schon. Mamdani präsentiert sich als Graswurzel-Kandidat gegen das geldgeölte Establishment der Democrats, gegen die Hillarys und Kamalas, die ätherische Schwurbelthemen bedient haben statt Mietendeckel, ÖPNV und Gratis-Kita. Er bietet da Lösungen an, wo Trump nur ein Gefühl vom working class hero herumbläht, und interpretiert dessen Erzählung vom Kampf gegen die da oben neu. New York gilt Amerikanern als irgendwie halb Europa, halb irre. Gewinnt Mamdani am Dienstag, beginnt bestenfalls ein Experiment.
taz: Am Freitag beginnt in Dortmund die Messe „Hund und Pferd“ mit der Meisterschaft im Dog Dancing. Gehen Sie hin?
Küppersbusch: Weder kann ich tanzen noch kauft man mir einen Hund ab. Eher nicht.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Zu Hause gegen den Tabellenletzten Schweinfurt, die zuvor siebenmal hintereinander verloren haben. Ich wette nicht.
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