Uni Osnabrück cancelt Bundeswehr-Kritik: Cancel Culture für die Bundeswehr
Kritische Blicke auf Militär-Werbung verhindert: Osnabrücks Uni-Präsidium torpediert einen Workshop der „Werkstatt für Antifaschistische Aktionen“.
Einem bundeswehrkritischen Workshop hat das Präsidium der Universität Osnabrück kurz vor der Veranstaltung den gebuchten Raum entzogen. Für den 12. November hatte die lokale studentische Initiative „Unordnungsamt“ (UA) für Raum 15/113, Seminarstraße 20, in einem Gebäude der Universität, eine außerakademische Übung angekündigt.
Deren Titel: „Adbusting: Militär-Werbung mit minimalinvasivem Vandalismus bekämpfen“. Durchführen sollte sie die Berliner „Werkstatt für Antifaschistische Aktionen“. Der Entzug des Raums sei dem Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) mündlich mitgeteilt worden, „wohl damit man dagegen nicht juristisch vorgehen kann, was im übrigen bis heute so ist“, so Marc*.
Mit dem UA selbst habe das Präsidium nicht gesprochen. „Eine politische Veranstaltung wurde aus politischen Gründen gecancelt“, fasst der UA-Aktivist zusammen. Auch auf eine Mail, mit der sich die Organisator*innen erkundigten, weshalb und auf welcher Rechtsgrundlage ihnen der Raum vorenthalten wurde, habe das Präsidium nicht geantwortet, so Marc zur taz. In der UA-Mail war um „transparente Aufklärung“ gebeten worden.
Die Hintergründe kann sich das UA daher nur indirekt erschließen. „Das war sehr diffus“, sagt UA-Aktivist Simon* der taz. „Klar, es ist für uns nichts Neues, dass wir uns zuweilen in Bereichen bewegen, in denen es zu Gegenwind kommt. Aber was genau da abgelaufen ist, wissen wir nicht.“
Theorien kursieren: Die Polizei habe interveniert. Oder ein „besorgter“ Bürger. Der taz antwortet Uni-Präsidentin Susanne Menzel-Riedl, die bald in Münster Rektorin werden soll, erst auf dringende Mahnung und mehrere Tage nach Verstreichen der gesetzten Frist.
„Die Raumbuchung durch den AStA erfolgte wenige Stunden vor der Veranstaltung ohne Nennung des Veranstaltungstitels“, schreibt Uni-Sprecher Oliver Schmidt in ihrem Auftrag der taz. „Allein schon wegen der Kurzfristigkeit“ sei daher eine Genehmigung „unwahrscheinlich“ gewesen, behauptet er.
Davon könne „keine Rede sein“, widerspricht jedoch Marc. Der Raum sei „mehrere Tage zuvor“ gebucht worden. Selbst die Absage, über die ihn der Asta in Kenntnis gesetzt hatte, sei ja schließlich „mehr als 24 Stunden vor der Veranstaltung“ erfolgt: Das geht aus der SMS-Kommunikation zwischen Asta und UA hervor. Auch sei der Titel der Veranstaltung seit Langem bekannt gewesen. Bereits Ende Oktober war sie vom UA auf Instagram beworben worden.
In einem juristischen Kurzgutachten, vom UA in Auftrag gegeben, ist von einem Verweis der Unileitung auf einen angeblichen „Aufruf zu Straftaten“ gemäß Paragraf 111 des Strafgesetzbuchs die Rede. Den würde der Workshop-Inhalt implizieren, so der Vorwurf, den das Gutachten überprüft.
Allseitige Verwirrung
Es kommt zu dem Schluss, dass der Vorwurf „strafrechtlich nicht haltbar und verfassungsrechtlich bedenklich“ sei. Die fehlende Anhörung und die Verweigerung der Schriftform verletze zugleich elementare Grundsätze des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Studentische politische Bildung werde „kriminalisiert“.
Den Workshop halte man „für unterstützenswert“, schreibt der Asta der taz. Der Ankündigungstext sei „scheinbar irreführend formuliert“. Es könnte gewirkt haben, „als würde die Veranstaltung aktiv zum Vandalismus auffordern“.
Man solidarisiere sich mit dem UA, sei aber gleichzeitig „an einem freundlichen Umgang mit dem Präsidium interessiert“. Man sehe sich als „vermittelnde Instanz“, habe sich mit Unipräsidentin Menzel-Riedl getroffen, um „allseitige Verwirrung aufzuklären“.
Aktivist Simon vermutet als einen der Absagegründe das „Einknicken“ der Unileitung gegenüber kritischen Fragen der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) im Vorfeld des Workshops. Auch der Asta war mit ihnen konfrontiert. Eine davon: Ob man die Gefahr sehe, dass Inhalte des Workshops als Aufrufe zu Straftaten verstanden werden könnten?
Politik gehört zum gesetzlichen Auftrag
Adbusting sei „nicht zwingend strafbar“, hatte der Asta der NOZ geantwortet. Der Begriff Vandalismus sei als „überspitzte Schlagzeile“ gewählt. „Minimalinvasiv“ mache dabei deutlich, um welche Art von Adbusting es sich handele, nämlich „keine, welche sich im strafbaren Rahmen bewegt“.
Es gehe um eine „allgemeine, politische Diskussion darüber, was die Grenzen dieser Methode sind, was wann sinnvoll ist“. Uni-Sprecher Schmidt bestreitet allerdings, dass es eine Presseanfrage der NOZ zu dem geplanten Workshop „Adbusting“ beim Präsidium gegeben hat.
Der Asta beruft sich auf das Niedersächsische Hochschulgesetz. Das gibt der Studierendenschaft die Möglichkeit, politische Bildung zu organisieren. Adbusting, eine subversive Umgestaltung von Werbung, müsse „eine gewisse Provokation“ beinhalten. Unis von Bielefeld bis Hannover hatten kein Problem damit. Dort hat der Workshop stattgefunden.
Präsidium verspürt keinen Druck
Der Studierendenrat (Stura) hatte sich in einem Statement früh mit dem UA solidarisiert. Initiiert durch „Die Kleinen Strolche – linke Hochschulgruppe“, die größte Fraktion im Rat, sollte es „Druck auf das Präsidium sowie die NOZ aufbauen“ und Solidarität mit dem UA ausdrücken, schreibt der Asta der taz.
In einem Treffen von Asta-ReferentInnen mit Menzel-Riedl seien jedoch „andere Aussagen bezüglich des Ablaufes“ aufgekommen, sei „Fehlkommunikation“ angesprochen worden. Die NOZ habe, so das Präsidium, „zu der Veranstaltung spezifisch gar keinen Druck gemacht“.
Vandalismus? Minimalinvasiv? So viel Stress diese Begriffe der UA bereitet haben: „Sollten wir den Workshop noch einmal anbieten“, sagt Simon, „werden wir seinen Titel beibehalten.“ Marc: „Man darf sich durchaus an uns reiben!“
*Namen geändert
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