Ungewollt Kinderlose in Deutschland: Das Gesetz aus einer anderen Zeit
Viele sind ungewollt kinderlos. Das liegt auch daran, dass in Deutschland neben der Schweiz das restriktivste Reproduktionsrecht in Europa gilt.
W egen der Pflegeversicherung wurde zuletzt viel von „Kinderlosen“ gesprochen, deren Beitrag erhöht werden soll. Eine gute Gelegenheit, über die Politik und ihren Beitrag zur „Kinderlosigkeit“ in Deutschland nachzudenken. Denn nicht alle Menschen sind gewollt kinderlos. Sehr viele sind es nicht. Das liegt auch daran, dass in Deutschland neben der Schweiz das restriktivste Reproduktionsrecht in Europa gilt.
Die Reproduktionsmedizin wird in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1990 geregelt. Reproduktionsmedizinisch war 1990 noch Mittelalter. In vielen Bereichen wurden die Gesetze dem Fortschritt der Wissenschaft angeglichen – nicht aber in der Reproduktionsmedizin. Konservative Politiker:innen wollen über das Gesetz nicht einmal diskutieren.
Beispiel Eizellspende: Sie ist in Deutschland verboten, im Gegensatz zu fast allen europäischen Ländern. Jedes Jahr gehen zwischen 3.000 bis 5.000 Frauen ins Ausland, um mithilfe einer Eizellspende schwanger zu werden.
Es ist schwer, eine Kinderwunschbehandlung durchzustehen – diesen Prozess in einem anderen Land durchzumachen, ist ungleich belastender. Die Frauen halten es außerdem meist geheim, da es illegal ist; auch mit ihren Ärzt:innen dürfen sie nicht darüber sprechen – die machen sich strafbar, wenn sie dazu beraten.
Das Leid interessiert den Gesetzgeber kaum
Beispiel künstliche Befruchtung: Beim Elective Single-Embryo Transfer werden mehrere Eizellen, die der Frau zuvor entnommenen wurden, im Labor befruchtet und die Embryonen einige Tage beobachtet. Nur der Embryo mit den besten Entwicklungschancen wird in die Gebärmutter implantiert. So steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft. Auch das ist in Deutschland verboten.
Hierzulande werden der Frau mehrere Embryonen implantiert und man hofft, dass einer durchkommt. Die Schwangerschaftsrate bei künstlicher Befruchtung liegt in Deutschland nur bei 23,6 Prozent, während sie in Schweden bei 29,5 Prozent liegt. Dort wird der Single-Transfer routinemäßig durchgeführt und vielen Frauen bleibt eine erneute psychisch und körperlich belastende Behandlung erspart.
Letztes Jahr appellierte die Bundesärztekammer an die Regierung, die Fortpflanzungsmedizin dem internationalen Stand der Forschung anzugleichen. In einem Memorandum schreibt die Kammer, dass das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1990 auf damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe: „Viele der seitdem eingetretenen Entwicklungen ließen sich Ende der 1980er Jahre nicht vorhersagen.“ Ach was.
Interessiert den Gesetzgeber aber nicht besonders. Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß wünscht sich „eine gelassene Debatte zum Embryonenschutzgesetz“. Man brauche „keine Schnellschüsse“. Nach 30 Jahren. Das Leid der Frauen, Familien und all jener, die nicht dem Bild der „klassischen“ Familie entsprechen, besteht damit fort.
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