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Unfälle in Serie bei der Tour de FranceHoffnung nach dem Fall

Vor der vierten Etappe schlagen sich etliche Fahrer der Tour de France mit den Folgen ihrer Stürze herum. Darunter sind auch einige Mitfavoriten.

Autsch! Lennard Kämna, Teamkollege von Emanuel Buchmann, am Boden Foto: Panoramic International/imago

Dani Martinez konnte es nicht fassen. Gerade noch hatte der Kolumbianer eine famose Aufholjagd hingelegt, war nach gleich zwei Stürzen auf der zweiten Etappe der Tour de France etwa 20 Kilometer vor dem Ziel an das Hauptfeld herangekommen. Von seinem Trikot hingen Stofffetzen herab – deutliches Zeichen seines Kontakts mit dem Asphalt. Martinez war einer der Favoriten dieser Tour de France. Er gewann kurz zuvor das Vorbereitungsrennen der Dauphiné-Rundfahrt.

Martinez’ Freude, ins Feld all der anderen Gesamtsieganwärter zurückgekehrt zu sein, währte aber nur kurz. Als am Col de Quatre Chemins der spätere Etappensieger Julian Alaphi­lippe das bereits mächtig reduzier­te Peloton sprengte, musste Martinez endgültig passen. „Er hatte bei der Aufholjagd zuvor einfach zu viel Kraft investieren müssen“, meinte bedauernd sein sportlicher Leiter Charles Wegelius.

Besser als Martinez erging es anderen Pechvögeln. Mit Tom Dumoulin erwischte es einen weiteren Mitfavoriten. Der Niederländer, Co-Kapitän mit Primoz Roglic beim großen Herausfordererteam Jumbo Visma, konnte aber aus eigener Kraft den Anschluss zur Hauptgruppe schaffen und blieb bis zum Ziel mit dabei. „Es war ein dummer Sturz, ich weiß nicht mal recht, wie er passiert ist. Ich habe nach links geguckt, in dem Moment kam Michal Kwiatkowski vorbei, und dann lag ich schon unten. Zum Glück hatte ich keine Schmerzen, habe mir nur etwas das Knie angeschlagen“, bilanzierte er.

Zu den Sturzopfern des zweiten Tages gehörte auch noch Lennard Kämna, der aber ebenfalls weitermachen konnte. Bereits am ersten Tag waren nach Stürzen John Degenkolb, dessen Teamgefährte Philippe Gilbert und der Spanier Rafael Valls ausgeschieden.

Bandagen und Verbände

Bei den Fahrern, die im Rennen blieben, sah man aber viele Bandagen vor allem an Knien und Ellenbogen. Auch manches Handgelenk war weiß ummantelt. Viel fehlte nicht, und man hätte Bilder vom Peloton dieser Tour de France in eine Reihe mit den Gemälden vom Rückzug der Grande Armee Napoleons nach dem verheerenden Feldzug in Russland stellen können.

Die Hüfte hat gehalten, der Tag war nicht schlecht

Emanuel Buchmann

In den Lazarettberichten der Tour kann man allerdings auch ein paar positive Passagen entdecken. Die betreffen vor allem die Fahrer, die bereits mit Vorverletzungen in das Abenteuer Tour de France gegangen waren. Maximilian Schachmann reiste mit gebrochenem Schlüsselbein an. Bei der Lombardei-Rundfahrt war er mit einem Auto kollidiert, das sich mitten auf dem Rennkurs befand. „Für mich ist natürlich das Allerwichtigste, nicht erneut zu stürzen“, sagte er der taz. Die Folgen der Fraktur spürt er noch. „Meinem Schlüsselbein geht es zwar gut, aber ich merke es vor allem im rechten Teil des Rückens, weil dort die gesamte Muskulatur noch arbeitet. Auch der rechte Arm fühlt sich immer noch ein bisschen anders an.“

Vor allem bei den Abfahrten macht sich das unangenehm bemerkbar. „Da lastet dann viel Kraft auf dem Arm“, konstatiert Schachmann. Bei der 1. Etappe, bei der die Abfahrten durch den Regen glatt waren, ließ er besondere Vorsicht walten. Am zweiten Tag fühlte er sich schon so fit, dass er nicht nur ziemlich locker mit den Besten über den letzten Anstieg rollte. Er mischte auch noch im Sprint auf der Zielgeraden mit und wurde respektabler Neunter. „Ich denke, das Resultat hat gezeigt, dass ich konkurrenzfähig bin“, bilanzierte er erfreut.

Ein ähnliches Fazit gilt für Emanuel Buchmann. Der 27-Jährige war bei der Dauphiné gestürzt, an aussichtsreicher Stelle im Gesamtklassement damals. Sein Sturz hatte Martinez den Weg frei zum Sieg gemacht.

Auch Buchmann absolvierte den Sturzparcours unfallfrei. „Die Hüfte hat gehalten, der Tag war insgesamt nicht schlecht. Meine Form ist zwar wegen der ausgefallenen Trainingseinheiten nur bei etwa 95 Prozent. Aber ich kann jetzt die Tour schon optimistischer angehen, als noch vor einer Woche gedacht“, sagte der Ravensburger. Sein ursprüngliches Ziel, aufs Podium zu kommen, kann der Tour-Vierte des letzten Jahres also weiter im Blick behalten. Die nächste große Herausforderung für ihn bietet die erste Bergankunft der Tour am heutigen Dienstag in Orcieres – Merlette.

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