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Unbefriedigende BeziehungenDas Gute am Erwachsensein

Kann man nur mit Part­ne­r*in glücklich sein? Nein. Wir sollten uns öfter gegen unbefriedigende Beziehungen entscheiden.

Der Mythos vom Glück durch Partnerschaft hält viele Menschen in toxischen Beziehungen Foto: Balijkas/getty

E rwachsen werden ist toll. Wir müssen an der Tür zum Club nicht mehr zittern, ob wir als unsere ältere Freundin auf dem geliehenen Ausweis durchgehen. Wir können Schokolade essen, obwohl wir uns schon die Zähne geputzt haben. Aber so richtig gut wird es meist erst Jahre später: Wenn wir beim Daten keinen Bullshit mehr akzeptieren.

Gerade als Mädchen und junge Frauen konzentrieren wir uns viel zu häufig auf die Fragen: Gefalle ich ihm? Bin ich gut genug für sie? Next-Level-Erwachsenwerden heißt, uns zu fragen: Gefällt er mir überhaupt? Ist sie wirklich gut für mich? Wie möchte ich behandelt werden? Was wünsche ich mir in einer Beziehung/Freundschaft/Affäre und ist mein Gegenüber bereit, dieses Bedürfnis zu erfüllen?

In meinen Zwanzigern habe ich viel Zeit damit verbracht, Beziehungen aufrechtzuerhalten, die mir nicht gut taten und Anerkennung an Orten zu suchen, wo es keine gab. Ich habe mich wiederholt schlecht behandeln lassen und die Schuld dafür bei mir gesucht. Ich habe Schmerzen beim Sex ausgehalten, nur um „die Stimmung nicht kaputt zu machen“.

Jetzt, mit Anfang Dreißig, fängt das an, sich zu ändern. Mein Gegenüber schafft es das gesamte erste Date über nicht, mir eine einzige Frage zu stellen? Red Flag. Ich muss drei mal wiederholen, dass ich so nicht angefasst werden möchte, bis mein Date es respektiert? Große Red Flag. Ein Typ will mir erklären, dass es mir besser gehen würde, wenn ich mich einfach nicht so „auf Sexismus konzentrieren“ würde? Ciao. Meine neue Bekanntschaft weiß nicht so richtig, was sie will? Kein Problem, aber ich werde nicht darauf warten, dass sie es herausfindet.

Wir haben es verdient, wie die wertvollen Menschen behandelt zu werden, die wir sind

Wer in dieser Gesellschaft als Mädchen erzogen wird, lernt, bewusst oder unbewusst, dass unser Leben erst dann wirklich glücklich und erfüllt sein wird, wenn wir einen Mann an unserer Seite haben. Dass jeder Mann besser ist als gar kein Mann. Im Zweifelsfall auch jede Beziehung mit egal wem, falls wir nicht auf Männer stehen. Das stimmt nicht. Dieser Mythos hält viele Menschen, insbesondere junge Frauen, in toxischen Beziehungen und niedrigen Selbstwertgefühlen.

Die feministische Autorin Laurie Penny hat einen Essay mit dem Titel geschrieben: „Maybe you should just be single“. Darin vertritt sie die These, dass viel mehr Frauen in ihren Zwanzigern Abenteuer erleben oder sich selbst verwirklichen sollten, anstatt ihre Zeit und Energie an mittelmäßige Männer zu verschwenden. Ich stimme ihr zu. Allerdings denke ich nicht, dass wir uns öfter gegen unbefriedigende Beziehungen entscheiden sollten, um stattdessen eine Weltreise oder Karriere oder Kunst zu machen. Ich denke, dass wir uns öfter gegen unbefriedigende Beziehungen entscheiden sollten. Punkt. Wir haben es verdient, wie die wertvollen Menschen behandelt zu werden, die wir sind. Wir haben etwas Besseres verdient. Und keine romantische Zweierbeziehung ist im Zweifelsfall besser.

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Lou Zucker
Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
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9 Kommentare

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  • "Wir haben es verdient, wie die wertvollen Menschen behandelt zu werden, die wir sind."

    [Mic drop - Arme verschränken und Schmollmund machen oder ganz klassisch: Den Raum verlassen und die Tür knallen]

    Klingt - wen man den eigentlichen Adressaten des Satzes bedenkt, etwas postadoleszent.

    Die erwachsenere Variante des Satzes wäre vermutlich:



    Wir sollten uns selbst wie wertvolle Menschen behandeln, weil wir es sind und weil es uns hilft, dadurch jene leichter auszusortieren, die uns nicht wie wertvolle Menschen behandeln können oder wollen.

  • Ich würde es am zwei Aspekte ergänzen:

    Wir sollten uns für befriedigende Beziehungen eher entscheiden.. Zahlreiche Beziehungen entstehen nicht, wo die Werthaltungen wunderbar zusammen passen, aber oberflächliche Kriterien, wie der Wohnort oder Körpergröße zum Ausschluss führen. Studien zeigen aber, die die Beteiligten in solchen Beziehungen sehr glücklich werden könnten.

    Studien zeigen auch nach wie vor, dass Menschen in Paarbeziehungen eine bessere seelische und körperliche Gesundheit haben und zufriedener sind. Nur weniger wollen dauerhaft Single sein, es wird geschätzt, dass dieser Prozentsatz in den nächsten Jahrzehnten auf 109 % steigt.

    Richtige Auswahl (Passung der Lebensprinzipien) und kontinuierliche Beziehungsarbeit (offen reden, veränderutngsbereit, gemeinsame Ziele etablieren, an Krisen wachsen) sind entscheidend. So können sogar unbefriedigende Beziehungen befriedigend werden.

    Beziehungen sind nicht statisch, sondern veränderbar. Oft wiederholen wir alte, dysfunktionale Muster. Da kann es sinnvoll sein, zunächst einmal durch Beziehungsarbeit Verbesserungen zu erreichen. Erst danach, wenn alles nicht fruchtet, ist konsequente Abgrenzung angesagt.

    • @PolitDiscussion:

      Leider kann man nicht korrigieren, ich wollte natürlich sagen 10 %, nicht 109%. Muss künftig sorgfältiger meine Texte prüfen. ...

  • Glück durch Partnerschaft oder Ehe braucht viel viel von dem es Immer-Wieder-versuchen. Wer es nicht hat oder tut, bleibt lieber allein, möchte sie nicht ihr Leben zugrunde richten

  • Viel Palaver und keine neue Erkenntnis.

  • Selbstverständlich ist keine Beziehung immer besser als eine schlechte Beziehung. Da sich der Egoismus immer stärker ausbreitet, die Kompromissbereitschaft nachlässt und Tinder stets für neuen Nachschub sorgt, verstetigt sich des Status der Beziehungslosigkeit dann häufig letzten Endes.

    Mit Mitte vierzig kann ich jedenfalls ohne weiteres bestätigen, dass diejenigen ohne feste Partnerschaft vergleichsweise unglücklich wirken und ein hoher Bodycount dies nicht wettzumachen scheint.

    • @DiMa:

      Nicht generell alle Menschen ohne feste Partnerschaft wirken unglücklich, sondern hauptsächlich diejenigen, die ständig suchen bzw. in der Überzeugung gefangen sind, suchen zu müssen, meistens in Begleitung von Gedanken wie "Was haben die anderen, was ich nicht hab?" und ähnliches aus der Kategorie "Wenig Selbstwertgefühl".



      Es gibt aber durchaus Menschen, die ohne feste Partnerschaft problemlos klarkommen, doch es kann dauern, bis das Umfeld das akzeptiert. Wir alle wachsen praktisch mit dem Mantra "Auf jeden Topf passt ein Deckel" auf, also dem Konzept eines idealen Partners, der irgendwo da draußen auf uns wartet. Darum kommen die wenigsten auf die Idee, dass es auch alternative Lebensformen geben könnte.

  • Yo danke. Das kommt mit gutem timing reingeschnyt:)

  • Ja. Irgendein Konzept für Beziehungen braucht(e) man/frau wahrscheinlich (immer schon). Warum nicht das von Laurie Penny.