Verfahren nach Protesten im Juli: Kuba bestätigt erstmals Prozesse
Laut der Justiz des Inselstaats sind 710 Personen angeklagt. Ihnen werden etwa Anstiftung, Sabotage und öffentliche Unruhe vorgeworfen.
Havanna dpa | Zum ersten Mal hat Kubas Justiz über Gerichtsprozesse gegen Hunderte Teilnehmer an Demonstrationen vom Juli informiert. Wegen Vorwürfen wie Anstiftung zum Aufruhr, Sabotage, öffentliche Unruhe, Sachbeschädigung und gewaltsamer Raub seien 710 Personen angeklagt, 55 von ihnen zwischen 16 und 18 Jahre alt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft des Karibikstaates am Dienstag mit.
69 Prozent der Angeklagten seien in Untersuchungshaft, 172 Täter bereits verurteilt. Hinzu kamen demnach 27 Teilnehmer, die jünger als 16 Jahre und damit nicht strafbar waren. Zehn von ihnen seien in Erziehungsinternate gekommen, 17 erhielten Individualunterricht.
Bei den spontanen Massenprotesten am 11. Juli – den größten gegen die sozialistische Regierung seit Jahrzehnten – war in mehreren Städten für Freiheit sowie gegen Repression und Misswirtschaft demonstriert worden. Auf Videos waren überwiegend friedliche Demonstrationen zu sehen. Die Sicherheitskräfte lösten diese auf, einige davon brutal. Ein Todesfall wurde offiziell bestätigt – ein Polizist hatte dem Mann laut Menschenrechtlern in den Rücken geschossen.
Die Anklagen wegen Anstiftung zum Aufruhr, wofür schwere Strafen vorgesehen seien, entsprächen dem Ausmaß der Gewalttätigkeit der Angeklagten und ihrer Absicht, die verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Mit manipulativen Anschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen werde versucht, den Verfahren die Legitimität abzusprechen. Die Regierung hatte von den USA gesteuerte Provokateure für die Proteste verantwortlich gemacht.
Die Prozesse finden Aktivisten zufolge hinter verschlossenen Türen statt, es würden sehr lange Haftstrafen verhängt. 25 Jahre Haft erhielt nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte etwa am 23. Dezember ein in Deutschland lebender Deutsch-Kubaner, der für einen Verwandtschaftsbesuch auf Kuba war und die Proteste für private Zwecke mit seinem Handy gefilmt hatte.
Leser*innenkommentare
Jossito
Die politischen, polizeilichen und juristischen Verhältnisse in Kuba stehen zurecht in der Kritik, obwohl wir in Europa (Russland, Polen, Ungarn, Türkei, Belarus etc) einige Staaten haben, die in einigen Aspekten mE ähnliche und schlimmere Missstände aufweisen, sich aber immerhin einer recht differenzierten medialen Wahrnehmung erfreuen dürfen.
Immerhin veröffentlicht Kuba Zahlen und stellt sich der Kritik.
Wobei ich mir wünschen würde, dass die aktuelle Mitteilung des CIA, dass 'keine ausländische Regierung für das mysteriöse „Havanna-Syndrom“ in Frage kommt' (also die angeblichen Angriffe auf Botschaftspersonal mit angeblichen Schallwaffen) auch in den deutschen Leitmedien einschließlich der taz thematisiert würde. Lange und breit wurde mit diesem Phänomen gegen Kuba polemisiert, aber bis auf einzelne Wiedergaben der entsprechenden Meldung ist es der medialen Öffentlichkeit keinen Bericht wert.
Das Kuba-Bild vollständiger und ausgewogener darzustellen (natürlich einschließlich der Missstände, aber auch ohne verzerrende selektive Berichterstattung) halte ich für einen wichtigen Beitrag, das Verständnis für globale politische Gegebenheiten zu verbessern.
S.a.: www.zeit.de/wissen...ndrom-ermittlungen
Rinaldo
Cuba ist eine Diktatur, in der es keine Gewaltenteilung gibt, sondern alle Institutionen des Staates der einzigen Partei im Land unterstellt sind. Diese Realität sollten auch die anerkennen, die zwar zu Recht gegen das US-Embargo protestieren, dieses aber als " passe par tout" für die Repression gegen das eigene Volk benutzen.
Seit Cuba dem nicaraguanischen Diktator Ortega bei der blutigen Niederschlagung der politisch-sozialen Proteste von 2018 mit Spezialtrupps beigestanden hat, sollte sich die immer noch bestehende Revolutionsromantik bei manchen Linken eigentlich in Luft aufgelöst haben.