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Umweltbundesamt listet Maßnahmen aufSpritpreise, Tempolimit, Maut

Im Verkehrssektor muss massiv nachgesteuert werden, so das Umweltbundesamt. Es legt Vorschläge für die Koalitionsverhandlungen vor.

Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, der seine Emissionen gegenüber 1990 nicht gemindert hat Foto: Martin Gerten/dpa

Berlin dpa | Das Umweltbundesamt hat sich für einschneidende Maßnahmen ausgesprochen, damit die Klimaziele im Verkehrsbereich erreicht werden können: höhere Spritpreise, Abschaffung der Pendlerpauschale, massiver Ausbau von Bussen und Bahnen, Tempolimit, Pkw-Maut. Der CO2-Preis sollte demnach ab 2022 im Vergleich zur bisherigen Planung mindestens verdoppelt werden. Das würde deutlich steigende Benzin- und Dieselpreise bedeuten. Im Gegenzug will das Bundesamt einen sozialen Ausgleich.

„Der Verkehr steuert beim Klimaschutz in die falsche Richtung“, sagte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, der Deutschen Presse-Agentur. „Ohne massive Anstrengungen auch dort wird es insgesamt nichts mit dem Klimaschutz.“ Es seien im Verkehrssektor viel wirkungsvollere Maßnahmen notwendig.

„Auch wenn die Spritpreise derzeit sehr hoch sind, sagen die Preise für Benzin und Diesel nicht die ökologische Wahrheit“, erklärte Messner. „Aus Klima- und Umweltschutzsicht ist es sinnvoll, den CO2-Preis weiter zu erhöhen. Und das ist auch sozialverträglich möglich, wenn der Staat die zusätzlichen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung nutzt, um die EEG-Umlage deutlich zu senken und gleichzeitig klimaverträgliche Antriebstechnologien zu fördern.“

Messner sagte weiter: „Mir ist bewusst, dass die aktuellen Spritpreise an den Tankstellen viele davon abschrecken, diese Diskussionen zu führen. Wir müssen aber ehrlich sein und alle Optionen diskutieren. Dabei gehören steigende CO2-Preise und Rückzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zusammen.“

Der Verkehrssektor sei der einzige Bereich in Deutschland, der seine Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 nicht gemindert habe. „Was noch schlimmer ist: Wir werden auch die selbst gesetzten Ziele aus dem Klimaschutzgesetz bis 2030 im Verkehrssektor deutlich verfehlen, wenn wir nicht massiv nachsteuern. Mit den aktuell beschlossenen Maßnahmen landen wir im Jahr 2025 bei 28 Millionen Tonnen zu viel und liegen im Jahr 2030 sogar 41 Millionen über den gesetzlichen Zielen.“

Pendlerpauschale und Dieselprivileg

Diese riesige Lücke könne aber geschlossen werden, wenn ein Reformpaket des Umweltbundesamtes umgesetzt werde, so Messner. „Wir setzen stark auf den Ausbau der Alternativen zum Pkw- und Lkw-Verkehr, auf Elektrifizierung und eine verursachergerechte, aber auch sozialverträgliche CO2-Bepreisung des Verkehrs.“

Die Behörde schlägt in einem umfassenden Papier etwa vor, das Dieselprivileg ab 2023 schrittweise abzuschaffen – bisher wird Diesel geringer besteuert als Benzin. Außerdem solle die steuerliche „Subventionierung“ von Dienstwagen ab 2022 schrittweise abgebaut werden.

Die Pendlerpauschale solle ab 2027 abgeschafft werden, heißt es weiter. Sie setze Fehlanreize für den Klimaschutz. Die Pauschale unterstützte den Trend zu langen Arbeitswegen. Zugleich würden Arbeitswege überdurchschnittlich häufig in Pkw mit nur einem Insassen zurückgelegt. Um soziale Härten abzufedern, sollten Wegekosten in Härtefällen bei der Einkommenssteuer berücksichtigt werden.

Messner sagte: „Natürlich wird man uns wieder vorwerfen, den üblichen „Giftschrank“ aufzumachen. Es ist aber die bittere Wahrheit, dass wir im Verkehrssektor viel Zeit verloren haben und daher nun viele Stellschrauben gleichzeitig bewegen müssen, damit die Klimawende noch gelingt.“ Das Umweltbundesamt hatte erst vor Kurzem eine Liste mit klimaschädlichen Subventionen vorgelegt.

Die Behörde schlägt weiter vor, den Öffentlichen Personennahverkehr, den Rad- und Fußverkehr und die Schiene mit zusätzlichen Milliarden Euro massiv auszubauen. Für neue Pkw solle es strengere, europäische CO2-Flottenzielwerte geben, um die Markteinführung von Elektroautos zu beschleunigen. Die Alternative sei eine nationale E-Quote. Der Kauf neuer CO2-armer und damit klimaschonender Pkw könne durch einen Bonus gefördert werden – und der solcher mit hohem CO2-Ausstoß durch einen Malus verteuert.

Bereits in der laufenden Dekade müssten die Weichen gestellt werden, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden könne, heißt es in dem Papier. Dazu seien auch Instrumente nötig, die erst nach 2030 wirkten.

Das Umweltbundesamt schlägt etwa die Einführung einer Pkw-Maut auf allen Straßen ab etwa 2030 vor. „Eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut setzt Anreize, Autofahrten zu verkürzen oder ganz einzusparen oder stattdessen auf klimafreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen“, heißt es im Papier. Eine Pkw-Maut würde künftig den größten Beitrag zur Straßenfinanzierung leisten. Dies sei auch nötig, weil eine zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs zu sinkenden Einnahmen durch die Energiesteuer führe. Die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland war 2019 vom Europäischen Gerichtshof gestoppt worden.

Messner sprach sich außerdem für ein generelles Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen aus. Dieses könnte praktisch sofort und ohne Mehrkosten dem Klima helfen und erhöhe zudem die Verkehrssicherheit. SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Sondierungspapier einem generellen Tempolimit aber bereits eine Absage erteilt – die FDP ist gegen ein Tempolimit.

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9 Kommentare

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  • Offensichtlich besteht beim Umweltbundesamt der "Verkehrssektor" nur aus Autos. Wenn ich daran denke, wie exorbitant seit 1990 die LKW-Kolonnen, Sprinter-Flotten, Kreuzfahrten und Flüge zugenommen haben, da erwarte ich schon mehr als nur einseitiges Auto - Bashing. Mobilität kostet immer Energie, meistens aus fossilen Brennstoffen erzeugt.



    Die mittelfristige Lösung muss in kürzeren Wegen liegen und in einer generellen Besteuerung aller Verkehrsmittel mit Ausnahme von Bussen und Bahnen. Nennt sich Lenkungswirkung.

  • Wenn ich die Kommentare so lese sind...klar wie sollte es auch anders sein..die Anderen Schuld...

    Das ist übrigens die ganz normale Ansicht der unbedarften Autonutzenden. Denn wer sich in eine Dose setzt und von der Welt da draußen abschirmt entwickelt wohl in etwa so einen Realitätsbezug.

    Aber wie bitteschön soll eine Klimawende funktionieren, wenn man auf der einen Seite weniger CO2 freisetzen will, auf der anderen Seite aber Autos und andere Produkte immer größer werden.??

    Meiner bescheidenen Meinung nach müßte der Preis für die Autonutzung mindestens so hoch sein wie die Kosten die das Autofahren verursacht..und das ist sehr viel mehr als heute üblich. Die Werbung für Autos und andere Umweltschädliche Produkte muss dringend gestoppt werden.. Und bitte: können alle die zu große Autos fahren endlich mal aufhören rumzuheulen und sich die Dinge schönzuschreiben.!! Alternativen gibt es genug...vom ÖPNV über das Fahrrad..bis zu kleinen (bedarfsgerechten) Autos...und übrigens wird auch niemand gezwungen sich überdimensionierte PKW anzuschaffen..die taugen im übrigen auch eh nur als Potenzhilfen für Angeber und alte Säcke..

    ..so das musste mal gesagt werden....

  • Beamte in ihrem Elfenbeiturm stellen Forderungen auf, die mit der Lebensrealtität der Menschen wenig zu tun haben: Niemand sucht sich absichtlich lange Arbeitswege aus, kaum jemand fährt nur zum Spaß in der Gegend herum, nicht alle können sich Elektroautos überhaupt leisten. Ein SUV-Fahrer mit einem sechstelligen Jahreseinkommen muss sich nicht einschränken, ein Schichtarbeiter der sich für seine Familie keine Stadtwohnung leisten kann, muss dafür richtig bluten.

    • @Frank Stippel:

      sind sie Schichtarbeiter ?

  • Leider sind all diese Maßnahmen, global gesehen, völlig wirkungsfrei und haben bis auf ein "gutes Gewissen" keinerlei Wirkung für das Klima.



    Warum ?



    Weil die nicht der Verbrauch sondern die Fördermengen des Öls den CO2 Ausstoß bestimmen.



    Diese Fördermengen bleiben aber gleich, denn die Förderländer sind auf die Einnahmen angewiesen, deren Staatshaushalte leben vom Öl.



    Was passiert wenn die Industrieländer weniger verbrauchen ?

    Die Förderländer erhöhen(!) die Förderung, weil der Ölpreis sinkt und der sinkende Ölpreis wird dann, um deren Haushalte zu sichern, durch mehr Ölförderung und damit auch mehr CO2 ausgeglichen.

    • @Paul Rabe:

      Noch als Nachtrag, der Ölverbrauch in den Schwellenländern ist sehr preissensibel.



      Das bedeutet jede beliebige höhere Fördermenge kann von Förderländern in Schwellenländern, wenn der Preis klein genug ist, auch abgesetzt werden.



      Das macht aus der Sicht der Förderländer auch viel Sinn, denn die Förderkosten von Öl sind vor allem auch Fixkosten für Anlagen etc.



      Aus der Sicht eines Förderlandes macht also eine Reduktion der Fördermenge wenig Sinn, die Fixkosten bleiben.

      Leider werden solche grundlegenden ökonomischen Zusammenhänge bei uns, insbesondere bei der Partei der GRÜNEN, überhaupt nicht beachtet, wenn man behauptet, daß ein "Verzicht" bei uns den globalen CO2 Ausstoß mindern könnte.

  • In der Berichterstattung zum Thema CO2-Steuer wird immer wieder unterschlagen, dass 75 Prozent der Gebäude mit Gas und Öl geheizt werden. Das Umweltministerium hat offenbar überhaupt keinerlei Vorstellung, was eine Verdopplung der CO2-Steuer für ein sozialer Sprengstoff ist. Spätestens ab 19.November, das ist der letzte Tag, an dem die Grundversorger ihre Preise fürs neue Jahr kommunizieren müssen, wird auch intensiv über die Abschaffung/Reduzierung der CO2-Steuer diskutiert werden.

  • Da offenbart sich in entlarvender Weise was ich schon lange sage:



    An die großen Klimasünder kommt man nicht ran - also gängelt man den kleinen Mann.

    Ich persönlich kenne niemanden mehr, der leichtfertig oder aus purer Bequehmlichkeit in die Benzinkutsche steigt.



    Aber ich sehe rechts und links der Straßen immer weniger SUVs rumstehen.



    Nicht weil es weniger gäbe. Die werden jetzt immer brav in die Garage gefahren weil es eben keine Statussymbole mehr sind sondern eher das Gegenteil.



    Und das ist ist gut so - aber es zeigt, dass Autofahren schon lange nicht mehr als Vergnügen wahrgenommen wird.

    Es gäbe so viele sofort wirksame Maßnahmen wie z.B. intelligente Ampelschaltungen, Restlaufanzeigen an Ampeln, Aufheben von umweltzerstörenden Umwegen und und und.

    Aber was tut man: Man versucht die sozial Schwachen von der Straße zu drängen.



    Denn eines ist klar: Dem Herrn Studienrat, dem Herrn Doktor oder dem Herrn Assessor tun die paar Kröten mehr nicht weh.

    • @Bolzkopf:

      So hat hal jeder seine Blase. Ich kenne sehr viele, mit mit eingenommen, die sehr gerne "ne Runde drehen" oder mal am Wochenende einen Ausflug ( Stuttgart-Bodensee) oder einfach mal abends ne Stunde durch die Gegen cruisen. Und das sind sehr, sehr viele.