Umsturz in Burkina Faso: Dominoeffekt in Westafrika
Erst Mali, dann Guinea, jetzt Burkina Faso: Westafrika erlebt eine neue Welle der Instabilität. Sie hängt auch mit Europas Sahel-IS-Politik zusammen.
E s ist immer das gleiche Muster: Meuternde Soldaten setzen den gewählten Präsidenten fest. Wenig später tritt ein bis dahin wenig bekannter, aber in der Truppe geschätzter Offizier vor die Kameras und verkündet die Bildung einer Militärregierung, um „das Land zu retten“ – während auf der Straße jubelnde Jugendliche den Putsch als Chance feiern. Im August 2020 war es Mali, im September 2021 war es Guinea, im Januar 2022 ist es Burkina Faso, jedenfalls bahnt es sich an. Die Abstände werden kürzer, die Dominosteine fallen immer schneller.
Erlebt Westafrika eine neue Ära der Instabilität, wie in den düsteren 1990er Jahren? Die begannen mit einer Serie von Aufständen gegen Einparteienherrscher – und endeten im Horror der Bürgerkriege von Liberia und Sierra Leone, die dann auch nach Guinea und Elfenbeinküste ausstrahlten. Eine Generation später breitet sich der islamistische Terror von einem Land ins andere aus, quer durch die Sahelzone.
Europa hat viel Militär und Geld in die Sahelstaaten investiert, um den Dominoeffekt des islamistischen Terrors zu bremsen. Jetzt begehren die lokalen Armeen dagegen auf, dafür die Drecksarbeit zu machen. In Mali und Burkina Faso hat sich die Wahrnehmung festgesetzt, dass die gewählten zivilen Regierungen und ihre ausländischen Freunde gemeinsam ein Interesse an der Unsicherheit haben, weil man damit Militärinterventionen legitimieren kann und nebenbei fettes Geld verdient.
Malische und burkinische Soldaten erleben jeden Tag, wie sie selbst von einem unsichtbaren Feind zusammengeschossen werden, während ihre weißen „Partner“ mit einem Vielfachen an Sold, Ausrüstung und Schutz herumspazieren. Es ist wenig überraschend, dass sie diese Arbeitsteilung satt haben.
Europas Reaktion auf all das ist vor allem wirr. Man mahnt die Rückkehr zur Demokratie an und droht ansonsten mit Rückzug. Kein Wunder, dass daraufhin die Rückkehr zur Demokratie nicht stattfindet. Den Rückzug der weißen Beschützer sehnen sich immer mehr Malier und Burkinabè herbei. Man sollte ihnen den Gefallen tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen