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Umsturz in Burkina FasoDominoeffekt in Westafrika

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Erst Mali, dann Guinea, jetzt Burkina Faso: Westafrika erlebt eine neue Welle der Instabilität. Sie hängt auch mit Europas Sahel-IS-Politik zusammen.

Unterstützung für das putschende Militär in Ouagadougou Foto: Pravin Char/reuters TV

E s ist immer das gleiche Muster: Meuternde Soldaten setzen den gewählten Präsidenten fest. Wenig später tritt ein bis dahin wenig bekannter, aber in der Truppe geschätzter Offizier vor die Kameras und verkündet die Bildung einer Militärregierung, um „das Land zu retten“ – während auf der Straße jubelnde Jugendliche den Putsch als Chance feiern. Im August 2020 war es Mali, im September 2021 war es Guinea, im Januar 2022 ist es Burkina Faso, jedenfalls bahnt es sich an. Die Abstände werden kürzer, die Dominosteine fallen immer schneller.

Erlebt Westafrika eine neue Ära der Instabilität, wie in den düsteren 1990er Jahren? Die begannen mit einer Serie von Aufständen gegen Einparteienherrscher – und endeten im Horror der Bürgerkriege von Liberia und Sierra Leone, die dann auch nach Guinea und Elfenbeinküste ausstrahlten. Eine Generation später breitet sich der islamistische Terror von einem Land ins andere aus, quer durch die Sahelzone.

Europa hat viel Militär und Geld in die Sahelstaaten investiert, um den Dominoeffekt des islamistischen Terrors zu bremsen. Jetzt begehren die lokalen Armeen dagegen auf, dafür die Drecksarbeit zu machen. In Mali und Burkina Faso hat sich die Wahrnehmung festgesetzt, dass die gewählten zivilen Regierungen und ihre ausländischen Freunde gemeinsam ein Interesse an der Unsicherheit haben, weil man damit Militärinterventionen legitimieren kann und nebenbei fettes Geld verdient.

Malische und burkinische Soldaten erleben jeden Tag, wie sie selbst von einem unsichtbaren Feind zusammengeschossen werden, während ihre weißen „Partner“ mit einem Vielfachen an Sold, Ausrüstung und Schutz herumspazieren. Es ist wenig überraschend, dass sie diese Arbeitsteilung satt haben.

Europas Reaktion auf all das ist vor allem wirr. Man mahnt die Rückkehr zur Demokratie an und droht ansonsten mit Rückzug. Kein Wunder, dass daraufhin die Rückkehr zur Demokratie nicht stattfindet. Den Rückzug der weißen Beschützer sehnen sich immer mehr Malier und Burkinabè herbei. Man sollte ihnen den Gefallen tun.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Vor allem sollte in Europa mehr über den negativen Einfluss Frankreichs auf seine ehemaligen Kolonien gesprochen werden. Die Unabhängigkeit von Frankreich wurde mit Verträgen erkauft, die Frankreich bis heute bestimmte Rohstoffe ihrer ehemaligen Kolonien unterhalb der Weltmarktpreise sichert. Geld das in den Staatshaushalten bitter benötigt wird. Die Länder gehören zu den ärmsten. Was an Entwicklungshilfe zurück fließt ist ein Witz gemessen an den Verlusten. Durch den Franc CFA der an dem Euro gekoppelt ist und unter der Kontrolle Frankreichs steht, kann keine eigene Währungspolitik gemacht werden. Der Handel mit Rohstoffen und der Import von Gütern wird durch den CFA erleichtert und sorgt dafür, dass reiche reich und arme arm bleiben. Rohstoffe werden durch sinkende Weltmarktpreise und Verträgen mit Frankreich billig exportiert und Konsumartikel teuer importiert. Der Binnenmarkt wird benachteiligt. Der Kampf Europas und Frankreichs gegen die Islamisten dient nur der Sicherung der Rohstoffe und zur Stützung eines Systems das diese Situation erst geschaffen hat. Die Menschen in den Ländern gaben die Schnauze voll.