Umstrittenes Wahlergebnis im Iran: Ein Zuckerbrot für die Opposition
Revolutionsführer Ali Chamenei will das Ergebnis der Wahl im Iran durch den Wächterrat überprüfen lassen. Aber ein anderes Resultat ist davon nicht zu erwarten
Die Vorwürfe von Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl im Iran vom vergangenen Freitag sollen überprüft werden. Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei, der erste Mann im Staat, forderte einem Bericht des staatlichen iranischen Fernsehens zufolge den Wächterrat dazu auf, das Wahlergebnis zu untersuchen. Die unterlegenen Kandidaten und ihre Anhänger hatten den deutlichen Sieg des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahamdinedschad angezweifelt.
Mit diesem Schritt versucht die iranische Führung, den Druck, unter den sie im In- und Ausland geraten ist, etwas zu mildern. Unter anderem hat die EU den Iran aufgefordert, den Vorwurf der Wahlfälschung zu aufzuklären. "Ich hoffe, sie werden allen Beschwerden über Unregelmäßigkeiten nachgehen, und ich zolle all den Iranern großen Respekt, die ihre Unzufriedenheit deutlich gemacht und friedlich demonstriert haben", sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Montagmorgen zum Auftakt eines Außenministertreffens in Luxemburg. Auf der anderen Seite steht jetzt die Opposition in der Pflicht, die Vorwürfe des Wahlbetrugs nachzuweisen.
Die Entscheidung Chameneis kommt allerdings etwas spät. Sie steht nämlich im Widerspruch zu der Tatsache, dass der Revolutionsführer unmittelbar nach der Bekanntgabe des Ergebnisses Ahmadinedschad gratuliert und den Wahlausgang als einen "göttlichen Bescheid" bezeichnet hatte. Dem üblichen Prozedere zufolge hätte er damit warten müssen, bis der Wächterrat die Wahlergebnisse bestätigt hatte. Doch dieses Gremium hatte sich zunächst gar nicht zu Wort gemeldet.
Dem britischen Rundfunksender BBC zufolge traf sich der Wahlverlierer Mir Hossein Mussawi am Sonntagabend mit Chamenei, um seine Beschwerden vorzutragen. Nach Angaben seines Büros forderte Chamenei Mussawi dazu auf, Beschwerden auf dem gesetzlichen Weg vorzubringen und die Angelegenheit in Ruhe zu regeln. Zuständig dafür ist der Wächterrat. Zugleich ermahnte Chamenei den angeblichen Wahlverlierer Mussawi, im Rahmen der Gesetze zu handeln und seine Anhänger zu beschwichtigen.
Am Montag gab der Wächterrat seine erste Erklärung seit den Wahlen ab und teilte mit, zwei Verlierer hätten die Wahl formal angefochten. Nun habe der Wächterrat sieben bis zehn Tage Zeit, um über die Rechtmäßigkeit der Eingabe zu entscheiden. Die Beschwerden kamen von Mussawi und Mohsen Rezai. Auf einer von Mussawis Wahlkampfseiten im Internet hieß es, eine Annullierung der Wahl sei der einzige Weg, das öffentliche Vertrauen in die Staatsorgane wiederherzustellen. Es müsse Neuwahlen geben. Der Wächterrat wollte sich am Dienstag mit Mussawi treffen, um über dessen Vorwürfe zu beraten.
Der Wächterrat ist ein sehr einflussreiches Gremium im politischen System des Irans. Sein Vorsitzender, Ajatollah Ahmad Dschannati, hatte sich bereits vor der Wahl für Ahmadinedschad ausgesprochen. Er gehört zu den ultrarechten Geistlichen.
Die zwölf Mitglieder des Wächterrats haben die Aufgabe, die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung zu prüfen. Sie haben in rechtlichen Fragen das letzte Wort und können mit ihrem Veto die Beschlüsse des Parlaments kippen. Sechs Mitglieder des Wächterrats sind Theologen und werden vom Revolutionsführer ernannt. Drei weitere weltliche Rechtsgelehrte werden vom Justizminister ernannt, der seinerseits vom Revolutionsführer berufen wird. Die restlichen drei Mitglieder werden dem Parlament gewählt. Damit ist der Wächterrat eine Bastion der Konservativen und dem Revolutionsführer hörig. Auch bei den Wahlen spielt der Wächterrat eine wichtige Rolle. Von 475 Kandidatinnen und Kandidaten für die Präsidentschaft ließ er nur 4 Männer zu.
Die Überprüfung der Wahl wird sicherlich das Problem nicht lösen, zumal von ihr nichts anderes zu erwarten ist als eine Entscheidung im Sinne des Revolutionsführers und zugusten von Ahmadinedschad.
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