Massendemonstration in Teheran: Hunderttausende protestieren

Die Unterstützer des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mussawi lassen sich nicht einschüchtern: Mehrere Hunderttausend demonstrieren in Teheran.

Demonstranten so weit das Auge reicht: Teheran am Montag. Bild: dpa

"Katz und Maus" oder besser gesagt "Feuer und Wasser" ist das neueste Spiel in den Auseinandersetzungen zwischen oppositionellen Jugendlichen und der Staatsmacht Mahmud Ahmadinedschads. Die Spielregeln sind einfach: Die Jugendlichen zünden die Müllcontainer an und ziehen ihres Weges. Kurz darauf kommen die Basidschis, die Schlägertruppen der Islamischen Republik, auf ihren Motorrädern vorbei. Statt Schlagstöcken haben einige der Beifahrer einen Feuerlöscher dabei. So schnell der Brand entfacht war, so schnell ist der Unruheherd gelöscht. Solche Szenen wiederholen sich, obwohl der bei den Präsidentenwahlen unterlegene Hossein Mussawi bemüht ist, seine Unterstützer zu beruhigen. Kurz vor der Bekanntgabe des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei, das Wahlergebnis überprüfen zu lassen, ließ er eine angekündigte und von der Regierung verbotene Demonstration im Zentrum Teherans von seiner Frau Sarah Ranahward bei einer Veranstaltung an der Universität Teheran am Morgen kurzfristig absagen. Die Polizei habe die Erlaubnis bekommen, mit scharfer Munition gegen die Demonstranten vorzugehen. Man wolle ein Blutbad verhindern, argumentierte sie. Mussawi selbst hat eine Art Sit-in vor dem Mausoleum Ajatollah Chomeinis angekündigt, wenn die Ergebnisse nicht revidiert würden. Damit würde er die Regierung in eine schwierige Lage bringen, wenn Mussawi die Konfrontation mit der Staatsmacht an der Grabstätte des Vaters der Islamischen Revolution vor 30 Jahren verlegen würde. Anders als am ersten Tag der Proteste, waren die Sicherheitskräfte diesmal omnipräsent, vor allem im bessergestellten Norden Teherans und an den Universitäten, den Hochburgen der Mussawi-Anhänger. Und sie gingen auch präventiv vor. Am Afrika-Boulevard im Norden der Hauptstadt hatten die Revolutionsgarden eine Straßensperre errichtet und hatten es vor allem auf jugendliche Motorradfahrer abgesehen. Im Verlauf des gestrigen Montags allerdings versammelten sich an die hunderttausend Anhänger Mussawis trotz des Verbots. Die Straßen im Zentrum Teherans waren über mehrere Kilometer blockiert. "Wir kämpfen, wir sterben, wir werden diese Wahlmanipulation nicht akzeptieren", skandierten die Demonstranten. Viele waren in grüne Kleider gewandet, der Farbe ihres Kandidaten Mussawi. "Mussawi, nimm unsere Stimmen" oder "Wenn Ahmadinedschad Präsident bleibt, werden wir jeden Tag protestieren", schallte es aus der Menge. Die Kundgebungen dauerten bei Redaktionsschluss noch an, es war unklar, wie die Behörden reagieren werden. Die Proteste des ersten Tages waren vor allem per Handy koordiniert worden, und nachdem das Handynetz abgeschaltet worden war, dienten Motorradfahrer als Späher und Boten. Überhaupt hat das Motorrad in diesen Tagen in Teheran eine ganz besondere Bedeutung bekommen. Auf ihnen wird nicht nur die Pizza ausgeliefert. Eine Polizei-Spezialeinheit und die ideologischen Basidschi-Schläger, aber ebenso die jugendlichen Aufständischen bedienen sich des Zweirades. Die einen haben Schlagstöcke als Waffen dabei, die anderen ein Handy und zwei Finger für das Siegeszeichen. Die Mussawi-Anhänger haben auch eine ganz andere Form des Widerstands entdeckt. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit stellten sie sich auf die Dächer und riefen "Allahu Akbar - Gott ist groß". Überall in Teheran war der Ruf zu hören. Eine einfallsreiche Aktion, weil hochgradig symbolisch. Zu Zeiten des Schahs haben die Iraner das Gleiche von den Dächern gerufen. Die Botschaft an Ahmadinedschad ist deutlich: Wir sind den Schah losgeworden, wird werden auch dich loswerden. Die Behörden können gegen diese Aktionen wenig unternehmen. Schließlich kann man in der Islamischen Republik Iran niemanden festnehmen, weil er auf dem Dach die Größe Gottes anpreist. Bleibt das Wahlergebnis so stehen, wäre das für Irans Frauen verheerend, fürchtet die Frauenrechtlerin Jamila Kadivar: "Noch einmal vier Jahre Ahmadinedschad bedeutet, dass es auch nicht für die Frauen weitergeht", sagt sie zur taz. "Es wird im neuen Kabinett wieder keine Ministerin geben, auch keine politischen Beraterinnen, keine stellvertretenden Ministerin und auch keine iranischen Diplomatinnen", fürchtet sie. Hoffnungen auf Gesetze, die die Frauen gleichstellen, müsste man begraben, und auch an der Universität wird die Geschlechtertrennung beibehalten werden. "Alle Wünsche der Frauenaktivisten werden weitere vier Jahre verpuffen", fürchtet sie.

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