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Umstrittenes TTIP-AbkommenFehlstart für Freunde des Freihandels

Für TTIP-Anhänger war 2015 ein Flop. Auch das neue Jahr wird schwierig. Es gibt nicht einmal einen Entwurf. Große Fortschritte werden wohl ausbleiben.

Gegner von TTIP gibt es einige: Demo im Oktober 2015 in Berlin Foto: dpa

Brüssel/Den Haag taz | Die EU will sich zur „Innovations- und Jobmaschine“ verwandeln, verkündete Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einem Besuch in den Niederlanden, die im Januar den sechsmonatigen EU-Vorsitz übernommen haben. Als Schlüssel dazu gilt ihm immer noch TTIP, das Handels- und Investitionsabkommen mit den USA.

Allerdings begann 2016 für Freunde des Freihandels fatal: Sie stehen mit leeren Händen da, obwohl das Fundament für TTIP längst stehen sollte. Nun liegt nicht einmal ein Entwurf vor.

Nun läuft den TTIP-Anhängern die Zeit davon. Am 8. November wählen die USA einen neuen Präsidenten. Bis vor der Sommerpause muss unbedingt ein Deal stehen, sonst geht TTIP im Wahlkampf unter, warnt die EU-Kommission.

Allerdings stehen die USA schon jetzt auf der Bremse. Sie lehnen sowohl den geplanten neuen Investitions-Gerichtshof als auch die geforderte Verankerung von Arbeitnehmerrechten in das Abkommen ab. Beides sind zentrale EU-Forderungen.

Das Europaparlament macht Druck

Vor allem das Europaparlament macht Druck. Der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer fordert mehr Einsatz: „Die europäische Seite muss wesentlich härter verhandeln als bisher“, sagte der deutsche Politiker. „Das ist ja keine Verhandlung mehr, das ist eine Kapitulation“, kommentierte Bütikofer. Ähnlich sehen das auch viele niederländische Verbraucher- und Umweltverbände, die genau wie in Deutschland Front gegen den „Ausverkauf“ von EU-Normen machen.

Für den niederländischen EU-Vorsitz ist das ein Problem. Einerseits gehört die Regierung um Premier Marc Rutte zu den entschiedensten Befürwortern von TTIP. Freihandel ist traditionell ein Anliegen der Niederländer.

Andererseits steht nun ausgerechnet in Den Haag ein Referendum gegen den Freihandel ins Haus: Am 6. April wird das Volk zu einem neuen Abkommen mit der Ukraine befragt, das am 1. Januar in Kraft getreten ist. Angestoßen wurde das Referendum von den niederländischen Rechtspopulisten. Nun steckt die Regierung in Den Haag in der Klemme – zwischen links und rechts, EU-Pflichten und nationalen Anliegen.

Rutte erwähnte TTIP bei der Vorstellung seines EU-Programms für die nächsten sechs Monate denn auch nur unter ferner liefen. An große Fortschritte glaubt er wohl offenbar selbst nicht.

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11 Kommentare

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  • Ich glaube, man kann nur noch auf die Gerichte hoffen.

     

    Marianne Grimmenstein wird Verfassungsbeschwerde gegen CETA erheben. Wer möchte, kann der Beschwerde KOSTENLOS beitreten. Hier gibt es nähere Informationen:

    https://www.change.org/p/bundesverfassungsgericht-bürgerklage-gegen-ceta

  • Die clevere Taktik der Konzerne und ihrer Hilfstruppen besteht doch darin, wieder mal -auch bis in die taz hinein- die Botschaft zu transportieren, es würde nichts aus dem groß angekündigten TTIP. In Wirklichkeit wartet man ja nur ab, bis die Gegenbewegung etwas abgeflaut ist, und dann setzt man ziemlich still und heimlich, aber ratzfatz unter andere Flagge und anderem Logo all das durch, was man von Anfang an geplant hatte : Deregulierung der Märkte, Abbau von Arbeitnehmerrechten oder Schleifung von "Handelshemmnissen" beidseits des Atlantiks.

     

    Dass so etwas nur mit Hilfe geneigter und gewiefter Politiker funktionieren kann, zeigt die so seltsam unwirkliche und verhaltene Diskussion um das aktuellere CETA, nach dessen zu erwartendem Durchmarsch TTIP weitgehend in der Versenkung verschwinden kann.

     

    Während sich die große Gemeinde der TTIP-Gegner zum vermeintlichen Sieg gratulieren wird, "plant die Handelselite dann einfach das nächste Abkommen" (Petra Pinzler in "DER UNFREIHANDEL").

     

    Dann bringen die unermüdlichen Privatisierer von EUSA-Business den Rest ihres möglicherweise gescheiterten TTIP-Abkommens eben im neuen TISA-Abkommen unter.

     

    Bis dahin -so hoffen sie- sind die 250.000 vom 10.10.15 in Berlin über alle Berge, und die Schlange mit den sieben Köpfen frisst sich in die Werkstätten, auf die Felder und vor allem in die Köpfe .

  • "CETA"ist die Einstiegsdroge für TTIP, wenn das unterschriftsreife



    CETA-Abkommen ungeändert abgeschlossen wird.



    Fast jedes amerikanische Unternehmen unterhält eine Dependance oder hat einen Briefkasten in Kanada und wäre damit klagefähig gegen eine EU-Firma.



     

  • "Du lieber Gott, bitte mach das TTIP, Ceta und Tisa untergehen."

    Viele Grüße

  • "Die EU will sich zur „Innovations- und Jobmaschine“ verwandeln".

    Mir wäre eine EU mit menschlichem Antlitz lieber.

    TTIP ist so gut wie tot. Aber was ist mit CETA? Das ist genau so schlimm.

  • "Umstrittenes TTIP-Abkommen

    Fehlstart für Freunde des Freihandels…"

    Was eine schräge Überschrift!

    Thilo Bode - TTIP - ist ein Freund des Freihandels;

    Aber eben deswegen nicht von TTIP.

    @Robby sagts treffend & @Apo stellt a.E.

    Die Nagelprobenfrage - zu recht;!¡)

  • Das Freihandelsabkommen will gar keinen Freihandel,... es ist nur ein Freie-Hand-Abkommen für die Konzerne.

  • "Die EU will sich zur „Innovations- und Jobmaschine“(!!) verwandeln, verkündete Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ...Als Schlüssel dazu gilt ihm immer noch TTIP, das Handels- und Investitionsabkommen mit den USA."

    Von seinem tollen Plan eines großen Investitions-und Konjunkturprogrammes , das auf der Basis von (ca) 40 Milliarden Euro der EU durch Private Anleger auf ca 330 Milliarden "gehebelt" werden sollte , ist schon länger nichts mehr zu hören und lesen . Aber TTIP soll es also demnächst oder irgendwann mal bringen , sagt Juncker , nämlich als "Innovations- und Jobmaschine" .

    Jaajooo... , warum nicht ?! Die Zukunft ist offen . Und sich darüber was Schönes phantasieren darf jeder . Aber in der Realität der letzten 20 bis 30 Jahre war es leider so , dass Innovation fast ausnahmslos Rationalisierung und Automatisierung bedeutet hat , sprich : Überflüssigmachen von lebendiger Arbeitskraft zwecks Kostenreduzierung .

    Was im Gegenzug dazu nicht mehr passiert ist , das ist die Erfindung neuartiger , massenmarktgängiger Produkte , deren Produktion in großem Stil kapital- u n d arbeitsinsensiv wäre .

     

    Wenn man unterstellt , dass Herr Juncker nicht dumm ist und auch die ökonomischen Realitäten in der EU kennt , kommt man geradewegs auf die Frage : W i e fremdgesteuert sind in Sachen TTIP unsere Merkels , Gabriels , Junckers , Ruttes et al aus Richtung Washington ?

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Im Moment steckt Europa in seiner größten Krise. Warum macht man denn nicht Pause mit diesem Zwangshandelsabkommen, bis geklärt ist, ob Europa überhaupt so weiterbestehen wird? Angeblich sollte es doch ein Abkommen zwischen den USA und Europa sein, oder? Für das bisherige Europa sieht es aber sehr schlecht aus.

  • Warum wird dieses Abkommen nicht zu den Akten gelegt und fertig is! Was bezwecken denn die Politiker in Brüssel damit? Soll und das Thema denn noch über die Jahre hin begleiten ? Es ist dieses dumme Rumeiern der Politiker, damit sie was zu tun haben. Eigentlich ist es nur dazu da, damit die Presse was zu schreiben hat und die Politiker eine Beschäftigung haben. Denn dumm rumsitzen wollen die ja auch nicht.

    Hans-Ulrich Grefe

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Grefe Hans-Ulrich:

      Dumm rumsitzen ist eine der Hauptbeschäftigungen unserer PolitikerInnen. Die Befürworter handeln bei TTIP & Co aus einem einfachen Grund: ihre Auftraggeber aus der Industrie wollen es so. Stimmen sie dagegen, kriegen sie keine Beraterverträge mehr und auch die Partei bekommt weniger "staatstragende" Zuwendungen. So einfach ist das.