Umstrittenes Forschungssinstitut startet: Doch nicht so konservativ
Nach turbulenter Vorgeschichte startet das „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ des Bundes. Das Ergebnis ist teilweise eine Überraschung.
Die in Allgemeinplätzen gehaltene Ministeriumsmitteilung erwähnt mit keinem Wort die turbulente Vorgeschichte des geplanten Instituts. Als im Mai 2016 der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt und der Leiter der Adenauer-Stiftung in Sachsen, Joachim Klose, ein Standardwerk über Pegida herausgaben, war bereits von der Option eines Pegida-Instituts die Rede. Im November 2017 wurden dann handstreichartig im Haushaltsausschuss des Bundestages 37 Millionen Euro für ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ bewilligt, für das noch nicht ansatzweise eine Konzeption vorlag. Als Strippenzieher galt der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Die Umstände der Bewilligung und die für ein geisteswissenschaftliches Institut außerordentlich hohe Fördersumme erregten das Misstrauen der Opposition. Auch in Sachsen vermuteten Grüne und Linke und sogar der CDU-Koalitionspartner SPD hinter dem Zusammenhaltsgedanken eher einen patriotisch-konservativen Ansatz. Sachsen wurde intern bereits als Stammsitz des Instituts gehandelt, auch die TU Dresden zeigte Interesse. Das Bundesbildungs- und -forschungsministerium wurde von dem Projekt offenbar völlig überrascht. Obschon der Stufenplan für das Jahr 2017 bereits eine Million Euro Förderung vorsah, konnte das Ministerium erst im November Richtlinien vorlegen und eine Bewerbungsphase starten.
Im Frühjahr 2017 hatte das Echo auf die Gründungsabsicht aber schon für eine Weichenstellung gesorgt. Das Institut sollte nicht an einem zentralen Ort entstehen, sondern als Verbund. Im Sommer 2018 nun wurde parteiunabhängig und nach wissenschaftlichen Kriterien eine Auswahl getroffen, wie das Ministerium betont.
Es wird noch ein weiteres Jahr vergehen
Das Ergebnis überrascht zumindest in Teilen. Dresden ging völlig leer aus, auch Werner Patzelt als Bewerber, der Gedanken zum Institut auch in seinem Buch „Neue Deutsche in einem alten Land“ geäußert hatte. Die Leipziger Universität hingegen bringt ihr Forschungsprojekt „Populismus und die Dialektik des Globalen“ in das Institut ein. Unter den Antragstellern ist auch der Theologe Gert Pickel, Mitautor des Buches „Extremismus in Sachsen“.
Auch das Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft der Amadeu-Antonio-Stiftung kann den noch vor eineinhalb Jahren gehegten Verdacht eines konservativen Think-Tanks nur widerlegen. Die FU Berlin ist mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung vertreten.
Eine erste Reaktion kam von Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange. Sie begrüßte die Leipziger Teilnahme insbesondere als Antwort auf Populismus und neue politische Strömungen, die „den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden“. Bis der dezentrale Forschungsverbund arbeiten kann, wird nun ein weiteres Jahr vergehen. Wohin die für 2018 vorgesehene Fördertranche von drei Millionen Euro fließen wird, ist noch unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen