Umstrittenes Institut in Sachsen: Patriotismus allein reicht nicht
Das „Bundesinstitut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ soll doch ein breites Netzwerk werden und kein konservativer Thinktank der Union.

Das Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt soll sich auch mit Allltagskultur beschäftigen. Foto: dpa
DRESDEN taz | Das geplante Bundesinstitut für gesellschaftlichen Zusammenhalt wird nicht als patriotisch-konservativer Thinktank gegründet werden. Mehrere auch von der taz recherchierte Indizien sprachen zunächst für diesen Verdacht und massiven CDU-Einfluss, woraufhin Grüne, Linke und Teile der SPD intervenierten.
Entstehen könnte das Institut, für das im laufenden Bundeshaushalt bereits 37 Millionen Euro eingestellt sind, vielmehr als unabhängiger Forschungsverbund oder Netzwerk. Das verlautet übereinstimmend aus dem Haushalt- und Finanzausschuss des Bundestags und aus dem sächsischen Wissenschaftsministerium.
Gemeinsam mit einem Institut für Migrationsforschung waren Ende November die Mittel für ein solches Institut vom Haushaltsausschuss bewilligt und später im Bundestagsplenum bestätigt worden. Es soll sich mit der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und kompensierenden Bindekräften befassen.
Opposition und Medien, aber auch die mitregierende SPD wurden im Januar misstrauisch. Für ein solches Institut lag kein Konzept vor, persönliche Verantwortlichkeiten waren nicht bekannt. Michael Kretschmer, Sachsens CDU-Generalsekretär und Hochschulpolitiker, bestätigte die geistige Urheberschaft der Union. Zudem sollte das Institut in Sachsen angesiedelt werden.
Gleichnamiger Verein unter CDU-Einfluß
Hier besteht bereits ein gleichnamiger Verein, das „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ mit Sitz in Dresden. Gegründet wurde es im Schoß der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung im März 2016. Die maßgeblichen Akteure, der sächsische Stiftungsbeauftragte Joachim Klose und der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden, wurden als Gründungsväter eines Instituts gehandelt. Da beide als Autoren eines patriotischen „Aufrufs zu einer Leit- und Rahmenkultur“ von CSU und sächsischer Union auftraten, wurde gemutmaßt, hier könne ein politisch intendiertes Institut gewollt sein.
Eine Institutsgründung wird nun keinesfalls auf der Basis dieses Vereins erfolgen, dem teils sehr namhafte und betagte Mitglieder wie der Philosoph Hermann Lübbe oder der Publizist Alfred Grosser angehören. So deutet es sich nach einer Anhörung des Bundestags-Haushaltausschusses in der vorigen Woche an. Ebenso wurden Patzelt und Klose nicht zu einem Expertengespräch im April nach Bonn eingeladen. Von 40 eingeladenen WissenschaftlerInnen waren 16 erschienen, offenbar aber keine Mitglieder des Dresdner Vereins für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Im laufenden Bundeshaushalt sind bereits 37 Millionen Euro eingestellt
Das Expertengespräch wird derzeit im Bildungsministerium ausgewertet. Laut einer Sprecherin werde sich das Forschungsspektrum des Instituts nicht auf die Aspekte Migration und Integration beschränken. Interdisziplinarität und international vergleichende Perspektive seien ebenso zu erwarten wie eine wettbewerbliche und wissenschaftsgeleitete Organisation.
Er habe nie ein anderes, etwa von konservativen Interessen bestimmtes Verfahren erwartet, sagte der Dresdner Universitätsrektor Hans-Müller Steinhagen. In letzter Zeit sei „unnötig viel Wirbel“ um das Institut entstanden, für das es nun eine Ausschreibung geben müsse. Auch ein länderübergreifender Forschungsverbund müsse „irgendwo ein Zentrum haben“, sagte Müller-Steinhagen. Und favorisiert einen Sitz an der TU Dresden.
Leser*innenkommentare
Reinhardt Gutsche
Von Böcken und Gärtnern
Zitat: „Ebenso wurden Patzelt und Klose nicht zu einem Expertengespräch im April nach Bonn eingeladen. Von 40 eingeladenen WissenschaftlerInnen waren 16 erschienen, offenbar aber keine Mitglieder des Dresdner Vereins für gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Na Gott sei Dank! Mit einem Mann wie Major d. R. Prof. Werner Patzelt als Direktor eines „Bundesinstitut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ hätte man den Bock zum Gärtner gemacht, einen Mann, der „eine stärkere Rechtsausrichtung der sächsischen CDU gefordert (hat), um der NPD die Themen streitig zu machen.“ (Heinrich Böll Stiftung Sachsen), folglich die CDU gleichsam in eine bessere NPD verwandeln will. Berühmt wurde er bekanntlich durch seine verständnisvolle Beurteilung der PEgIdA-Bewegung, der er bescheinigte, „nicht einfach eine Ansammlung von Rechtsextremisten (zu sein). Vielmehr findet sich dort […] eine Menge von Leuten mit durchaus guter Bildung und ohne soziale Not, die ihren politischen Ort […] zwischen dem rechten Rand und der politischen Mitte bezogen haben“. Zwei Drittel der Pegidisten seien nur „besorgte Gutwillige“. Diese Verharmlosung brachte ihm den plausiblen Vorwurf ein, er geriere sich als „PEgIdA“-Versteher, gar als deren Sprachrohr und sei hier eher ein Akteur als wissenschaftlicher Beobachter.