Umstrittenes Bauprojekt in Pankow: Geisel holt die Säge raus

In Pankow liegt die Baugenehmigung für das umstrittene Nachverdichtungs-Projekt der Gesobau vor. Scharfe Kritik kommt von den Grünen.

Meschen sitzen auf einer Baum rund um einen Baum, auf einem Plakat ein großes Eichhörnchen

Ob die AnwohnerInnen sich im kommenden Sommer noch unter Bäumen versammeln können? Foto: IMAGO / Rolf Zöllner

BERLIN taz | Im Fall des umstrittenen Bauprojekts der Gesobau in zwei grünen Höfen an der Pankower Ossietzkystraße hat die Senatsbauverwaltung am Donnerstag der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft die Baugenehmigung zugestellt. Am Freitag äußerte der grüne Pankower Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar scharfe Kritik am scheidenden Senator Andreas Geisel (SPD). Dessen Handeln sei „mehr als nur ganz schlechter Stil“. Das „Nachwahl-Vakuum werde „rücksichtslos ausgenutzt“, um den bezirklichen Bebauungsplan auszuhebeln und den zivilen Widerstand gegen die Nachverdichtung zu unterlaufen.

Wie die taz berichtete, will die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft in den beiden weitläufigen, offenen Höfen zwei zusätzliche Gebäude errichten. Es würde das Aus für viele große Bäume bedeuten, aber auch für einen Kinderspielplatz, der von vielen Kitas in der Umgebung genutzt wird. Das Bezirksamt hatte das Vorhaben 2020 nach Protesten von AnwohnerInnen abgelehnt und stattdessen einen „Klima-Bebauungsplan“ für den Bereich angestoßen, der Neubauten mit diesem Volumen nicht erlauben würde. Begründet wurde dies auch mit der vom Bezirk ausgerufenen Klimanotlage und der Notwendigkeit, Neuversiegelung zu verhindern.

Über einen Umweg kann nun doch gebaut werden: Die Gesobau hat die seinerzeit abgelehnten Gebäudekörper inzwischen zu Modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF) deklariert: In diesem Fall kann die Senatsbauverwaltung nach §246 Baugesetzbuch im Alleingang eine Baugenehmigung erteilen. Fraglich ist dabei, wie lange die Gebäude überhaupt MUFs bleiben. Gelbhaar: „Werden die modularen Unterkunft-Bauten später in reguläre Wohnungen umgewandelt, sind die Bezirks- wie Landespolitik als auch die Zivilgesellschaft am Nasenring durch die Manege geführt worden.“

Die Frage ist, wann es tatsächlich mit den bauvorbereitenden Maßnahmen losgeht. Eigentlich gilt zwischen 1. März und 30. September laut Bundesnaturschutzgesetz ein Fällverbot, Ausnahmen sind aber möglich, wenn ein „öffentliches Interesse“ an einem Beginn der Maßnahmen in der Vegetationsperiode besteht. Im Falle einer Flüchtlingsunterkunft wäre davon wohl auszugehen. Die schon im Februar erteilte Fällgenehmigung trat erst mit Vorliegen der Baugenehmigung in Kraft – ob sie eine explizite Ausnahmeregelung enthält, ist unklar.

Sorgenvoller Blick aus dem Fenster

Britta Krehl von der Bürgerinitiative „Grüner Kiez Pankow“ sagte der taz am Freitag, viele AnwohnerInnen schauten jetzt „jeden Morgen mit Sorge aus dem Fenster“, ob die Fällarbeiten bereits im Gange seien. Betroffen sind nach Zählung der Initiative mindestens 50 gesunde Bäume, die zum Teil noch von den ersten BewohnerInnen der Wohnhäuser in den 1950er Jahren gepflanzt wurden.

In Bezug auf Senator Geisel teilte die Bürgerinitiative mit, es sei „skandalös“, dass „ein Mann, der die Wahl 2021 vergeigt und die Stadt 39 Millionen Euro gekostet hat, in den letzten Zügen seiner Amtszeit die Stadt mit seinem Bauen-Mantra weiter gezielt kaputt machen“ wolle. Die Gesobau wolle ihre Flächen rentabler machen, die Gesundheit der MieterInnen spiele dabei keine Rolle. Es würden „bewusst Menschen gegeneinander ausgespielt, das Leid von Geflüchteten ausgenutzt und das Sonderbaurecht missbraucht, um altväterlich das Bauvorhaben durchzudrücken, das nicht zeitgemäß und nicht nachhaltig ist“.

Geisels Sprecher Martin Pallgen hat bereits mehrfach betont, es handele sich bei dem Widerstand um ein Festhalten an vermeintlichen Ansprüchen, die gegenüber der notwendigen Schaffung von Wohnraum für Geflüchtete zurücktreten müssten. Dem Tagesspiegel gegenüber schaltete er zuletzt rhetorisch noch einen Gang hoch: „Geflüchteten helfen: gerne, aber nicht bei mir vor dem Fenster. Entweder wir sind als Gesellschaft bereit, Menschen in Not entsprechend zu helfen und dafür Partikularinteressen zurückzustellen, oder wir sind es nicht.“

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