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Umstrittener Text über Martin SchulzHandelsblatt-Chef Steingart soll gehen

Gabor Steingart soll als Herausgeber des „Handelsblatts“ abberufen werden. Grund sind wohl seine abfälligen Äußerungen über Martin Schulz.

Fiel mit mehreren Sticheleien über Martin Schulz auf: Gabor Steingart Foto: dpa

Berlin taz | Es war nicht sein erstes Sticheln gegen Martin Schulz, aber sein bisher heftigstes: Am Mittwoch hatte Handelsblatt-Chef Gabor Steingart in seinem „Morning Briefing“ den SPD-internen Machtkampf zwischen Martin Schulz und dessen Vorgänger Sigmar Gabriel mit einem Mord verglichen. Schulz wolle Gabriel zur „Strecke bringen“, so dass Gabriel „am Boden“ aufschlage. „Wenn kein Zucken der Gesichtszüge mehr erkennbar ist“, wolle Schulz „den Tod des Freundes aus Goslar erst feststellen und dann beklagen“.

Diese Wortwahl soll dem Handelsblatt-Verleger Dieter Holtzbrinck missfallen haben. Er entschuldigte sich mit einem Brief bei Martin Schulz persönlich. Laut Spiegel Online schrieb Holtzbrinck, der Text habe ihn schockiert. Inhalt und Stil entsprächen weder seinen publizistischen Qualitäts- und Wertevorstellungen noch denen der Handelsblatt-Redaktion.

Am Donnerstagnachmittag beriet sich der Aufsichtsrat des Verlags, Freitagvormittag sollte es ein Gespräch zwischen Dieter von Holtzbrinck und Steingart geben. Die Redaktion des Handelsblattes bereitet sich nun auf den Abgang ihres Herausgebers vor. Um 14 Uhr treffen sich alle Mitarbeiter zum sogenannten „Town Hall Meeting“. Dort sollen sie erfahren, wie es weitergeht.

Steingart, der von 2001 bis 2007 das Hauptstadtbüro des Spiegels leitete und bis 2012 Chefredakteur des Handelsblattes war und derzeit Herausgeber der Zeitung, hat sich in den vergangenen Monaten des Öfteren abfällig über Martin Schulz geäußert. Ende November schrieb er in einem „Morning Briefing“ über Schulz: „der die Zulassung zum Abitur nicht schaffte, wenig später zum Trinker wurde, bevor er als grantelnder Abstinenzler für 22 Jahre im Brüsseler Europaparlament verschwand“. Wenige Tage später schob er noch einmal nach, Schulz sei ein „parteipolitisches Schlitzohr, aber kein Staatsmann“. Er liebe die „Ränkespiele des Parteienstaates mehr als die Sachpolitik“.

Laut Spiegel Online sei das jetzige „Morning Briefing“ daher nur der Anlass, nicht der alleinige Auslöser für den Bruch gewesen.

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7 Kommentare

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  • Steingarts Auslassungen sind ebenso wie Headlines des "Focus" ("Schulz: Letzte Station seines Versagens") Stationen auf dem Weg einer brutalstmöglichen Boulevardisierung des Journalismus. Dabei immer schön dem chicken neuen Rechtsradikalismus Vorschub leisten. Und die Linken und "Linken", die dabei assistieren oder sich klammheimlich freuen, "werden sich noch wundern, was alles mölich ist" (Norbert Hofer, FPÖ).

  • Ich fand die Beschreibung von Herrn Steingart über das Verhalten von Herrn Schulz sehr treffend und ich halte es in keiner Weise für notwendig sich bei Lügenbärchen Schulz für irgendetwas zu entschuldigen.

     

    Zur Erinnerung: https://youtu.be/PyN52o85tSo

     

    Ein Kritikpunkt bleibt für mich allerdings. Schulz in die Nähe von Brutus zu rücken, der dann am Grab des väterlichen Freundes dessen Tod beweint, ist doch etwas zu viel der Ehre für einen Martin 'Lügenbär' Schulz.

    • 6G
      6028 (Profil gelöscht)
      @Adele Walter:

      Ich finde die Beschreibung von Herrn Steingart auch treffend.

      Aber hat Schulz gelogen?

      Er hat ja schliesslich keinen Sachverhalt falsch dargestellt.

      Allenfalls könnte man ihm vorwerfen. dass er seine Absicht (keine GroKo, kein Amt) wissentlich falsch dargestellt hat - wobei man da ja auch nicht ganz sicher sein kann: es hätte ja damals seine Absicht sein können, aber im Zuge der letzten Entwicklungen ...

      Wie benennt man sein Verhalten treffend:

      "Mutwillige Abgabe unzutreffender Prognosen"?

  • Trefflich formulierter Beitrag. Danke Anne Fromm.

    Die auf offener Bühne vergossenen Tränen in der Schlussszene wenn der von der Karriereleiter gestoßen dahin gemeuchelte Gabor Steingard ein letztes Mal zu seiner Edelfeder im Handelsblatt greift, verbalradikal geschmeidig seidenweich im Aufgang zum Boulevard Modus Crime, Tratsch, Klatsch, jeden allseitig willkommenen Kladderadatsch fest im Blick, Sex, Drugs and Rock`n Roll in polemisch fein dosierte Schnappatmung verfällt, wie damals 2003-2007 beim redaktionell parteinehmenden Spiegel Befeuern der Allparteien Glut aus SPD/DIE GRÜNEN/CDU/CSU/FDP Pro Agenda2010/Hartz IV Gesetze gegen wöchentliche Montags Wut Betroffener, denen Forderungseigentum wie Kürzung von Rentenanwartschaften um 30 % einseitig ab der Jahrgänge 1938 entzogen wurde (Begriff bei Verfassungsrechtler Professor Paul Kirchhoff) gelten unter Kollegen des Handelsblattes und weit darüber hinaus bis in die Echokammer Kältestuben 2018 "böser" Spiegel Buben und Mädchen als kaum zu bewältigende Herausforderung

    Dass Martin Schulz bei den Groko Koalitionsverhandlungen im Stil der Hessen SPD Andrea Ypsilanti 2005 "ich will mit linksgedreht regieren, Papa hat`s erlaubt" die Groko 2018 platzen lassen wollte, außer er wird Außenminister statt Sigmar Gabriel steht auf einem anderen weißen Blatt Papier mit dem Gespür für Schnee von gestern

  • Vielleicht erwähnenswert, daß Dieter von Holtzbrinck nicht nur Handelsblatt-Verleger ist, sondern über seine GvH-Medien auch Eigentümer des Tagesspiegels und der Zeit (50% + operative Führung)

     

    Da ist nun mal wie bei Liz Mohn und Friede Springer Hofberichterstattung angesagt. Zu Schulzes moralischer Integrität war ohnehin alles bekannt.

    • @jhwh:

      Korrektur. Es muss natürlich DvH-Medien heißen.

  • Auch ein opportunistisches Schlitzohr wie Gabor Steingart kann ausnahmsweise recht

    haben - zumindest im Fall der Nullnummer Schulz.- Wie sich derzeit überdeutlich zeigt.