Umstrittener Moscheebau in Bukarest: Gehetzt wird nach Pegida-Art
Angst vor Muslimen auch in Rumänien: Im Kampf ums Abendland wird eine geplante Moschee zum Zentrum nationalistischer Propaganda.
Zuvor hatte die Neue Rechte auf ihrer Internetseite bereits ein Referendum gefordert und an die Wähler appelliert, gegen die Errichtung einer Moschee in Bukarest zu stimmen. Im Einklang mit den Organisatoren forderten die Teilnehmer auf der ersten Montagsdemonstration die Annullierung der Baugenehmigung für die Moschee, die seit Tagen in den rumänischen Medien die Gemüter erhitzt.
Die Regierung hatte dem rumänischen Muftiat ein 11.000 Quadratmeter großes Grundstück für 49 Jahre überlassen, auf dem ab 2018 außer der Moschee noch eine Bibliothek und eine Koranschule – für 20 Besucher - entstehen sollen.
Das Bauprojekt sowie die Anlegung eines muslimischen Friedhofs in Bukarest wurde bereits 2011 zwischen dem damaligen Staatspräsidenten Traian Basescu und dem türkischen Ex-Premier Erdogan vereinbart. Die Errichtung des Zentrums soll, gemäß dieser Vereinbarung, zum Großteil von der Türkei mitfinanziert werden und in erster Linie den Angehörigen der türkisch-tatarischen nationalen Minderheit aus Rumänien als spirituelle Anlaufstelle dienen.
Die seit Jahrhunderten auf dem Gebiete Rumäniens lebende türkisch- und tatarischstämmige Minderheit ist zahlenmäßig geschrumpft und beläuft sich heute auf etwa 65.000 Mitglieder. Der größte Teil der muslimischen Minderheit lebt in der Dobrudscha, der ans Schwarze Meer angrenzenden Region, in deren Kreishauptstadt Constanta/Konstanza sich eine der ältesten Moscheen Europas befindet.
Systematisch Überfremdungsängste geschürt
In der rumänischen Hauptstadt Bukarest leben zur Zeit rund 10.000 Muslime, davon viele die nach 1990 aus dem Nahen Osten und der Türkei als Geschäftsleute zugewandert oder als Flüchtlinge in Rumänien gestrandet sind. Das in den rumänischen Medien als Mega-Moschee verteufelte Projekt, erklärte das geistliche Oberhaupt der Muslime, Mufti Jusuf Murat in mehreren Interviews, ist keineswegs ein Trojanisches Pferd des Islamismus in Europa, sondern soll junge rumänische Muslime vor „fundamentalistischen Verlockungen“ schützen.
Expräsident Basescu äußerte vor wenigen Tagen seine Bedenken gegenüber dem Moscheebau und erklärte, in dem geplanten religiösen Zentrum habe man die Absicht „abertausende muslimische Studenten“ auszubilden, die „ein Sicherheitsrisiko“ für Rumänien darstellen würden. Mufti Murat bezeichnete die Aussagen Basescus als „unverantwortlich“ und als einen Versuch die Angelegenheit politisch aufzubauschen.
Für die rumänischen Rechtsnationalisten ist der umstrittene Moscheebau ein gefundenes propagandistisches Fressen. In den unter dem Titel „Stimme der Rechten” in der Bukarester Tageszeitung Evenimentul Zilei veröffentlichten Kolumnen des bekannten Nationalisten Paul Ghitiu werden nicht nur systematisch Überfremdungsängste geschürt, sondern auch krude islamophobe Thesen verbreitet, die einen Tilo Sarrazin vor Neid erblassen ließen.
Am Montag schrieb Ghitiu, Rumänien erwarte das gleiche Schicksal wie Westeuropa, das in 30 Jahren von Muslimen dominiert sein werde. Er kritisierte das „humanitäre Getöse” der Westeuropäer bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen sowie deren Verteilung in EU-Länder als „neo-marxistische Propaganda” und empfahl den Rumänien, sich nicht von „schwulen Ideologen” verführen zu lassen, sondern sich aufs Kinderkriegen zu verlegen.
Außerdem sprach er von einer von langer Hand geplanten Islamisierung Rumäniens. Die rechtsgerichtete Postille NapocaNews sekundierte und stellte die steile Behauptung in den Raum, die „Mega-Moschee” sei das Ergebnis einer „aggressiven atheistischen Offensive”, die dem „radikalen Islam” Tür und Tor öffnet. „Der Islamismus”, schlussfolgerte die Gazette im traditionell düsteren Weltuntergangstonfall rumänischer Rechtsextremisten, „ist das Produkt des Atheismus und Neo-Marxismus”.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“