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Umstrittener FleischkonzernSigmar Gabriel beriet Tönnies

10.000 Euro Gehalt im Monat: Die ARD berichtet, der Ex-Wirtschaftsminister sei für den in der Kritik stehenden Fleischkonzern von Clemens Tönnies tätig gewesen.

„Schande für Deutschland“ oder doch nettes Gehalt? Sigmar Gabriel war tätig in der Fleischindustrie Foto: Mario Vedder/dpa

Hamburg AFP | Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel ist einem Medienbericht zufolge vom Fleischproduzenten Tönnies als Berater bezahlt worden. Der frühere Bundeswirtschaftsminister sei seit März 2020 bis mindestens Ende Mai 2020 für den Konzern tätig gewesen, berichtete das ARD-Magazin „Panorama“ am Donnerstag. Demnach erhielt Gabriel bislang offenbar ein Pauschalhonorar von 10.000 Euro im Monat sowie ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag. Die Tätigkeit sollte laut „Panorama“ auf zwei Jahre angelegt sein.

Auf „Panorama“-Anfrage teilte Gabriel dem Bericht zufolge mit, dass seine privatwirtschaftlichen Tätigkeiten keiner Veröffentlichungspflicht unterlägen. Er habe bei Auskünften an Medien immer auch Interessen Dritter zu wahren. Trotzdem bestätigte er, dass er ab 1. März 2020 für Tönnies tätig gewesen sei. Er habe das Unternehmen im Rahmen von drohenden Exportproblemen im Zusammenhang mit der Afrikanischen Schweinepest beraten.

Gabriel erklärte, er habe seine Arbeit mittlerweile beendet: „Diese Tätigkeit musste ich aufgrund einer schwierigen Erkrankung und einer dadurch für mich notwendig gewordenen komplizierten Operation zum 31. Mai 2020 beenden“. Für ihn sei zum damaligen Zeitpunkt nicht klar gewesen, ob und auch wann er seine beruflichen Tätigkeiten wieder aufnehmen könne.

Weder er noch seine Geschäftspartner sähen die frühere Beratungstätigkeit für die Firma Tönnies als problematisch an, erklärte der ehemalige Minister. Er habe die „Panorama“-Anfrage „aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses im vorliegenden Fall“ beantwortet.

„Schande für Deutschland“

Nach „Panorama“-Recherchen hatte sich Firmenchef Clemens Tönnies persönlich um die Personalie Gabriel gekümmert. Wie aus Unterlagen hervorgeht, die dem Magazin vorliegen, sollte der ehemalige Minister „seine weiten Kontakte für die Tönnies Gruppe zur Verfügung stellen und aktiv Projekte begleiten“. Dabei sei es insbesondere um den chinesischen Markt gegangen.

Tönnies steht massiv unter Druck, nachdem es am Hauptstandort des Fleischkonzerns in Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen einen massiven Corona-Ausbruch gegeben hatte. Der Betrieb wurde vorübergehend geschlossen und ein erneuter Lockdown für die Kreise Gütersloh und Warendorf angeordnet.

Anfang 2015 hatte Sigmar Gabriel – damals noch als Bundeswirtschaftsminister – das System der Ausbeutung in der deutschen Fleischindustrie als „Schande für Deutschland“ bezeichnet. Nach der Kritik verpflichteten sich die sechs großen Fleischkonzerne Deutschlands unter Federführung Gabriels, die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten in Deutschland zu verbessern.

Gabriel ist seit November 2019 nicht mehr Mitglied des Bundestags. Er war von 2013 bis 2017 Bundesminister für Wirtschaft und Energie und bis März 2018 Bundesaußenminister.

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5 Kommentare

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  • Also ich wäre auch schon sehr enttäuscht gewesen, wenn Sigmar Gabriel, meine über ihn über viele Jahre liebevoll gepflegten und von ihm stets aufs Neue und Brillianteste bestätigen Vorurteile, plötzlich durch angewandte Seriösität und Anständigkeit, zertrümmert hätte.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt auf:

    “…das Schreiben & das Lesen - ist nie mein Fach gewesen…

    Glückauf!







    Menschen mit Schweinen zu vergleichen ist eine Beleidigung... für die Schweine.



    &



    Was mir auffiel: Die Zahl bei "taz zahl ich" ist erstmalig rückläufig. - 😱 -



    Wer will schon taz.de ohne Kommentare lesen? Salz ohne Suppe.“

    kurz - Wie Fisch ohne Fahrrad - 🚲!



    Ja. Da is was dran. Gellewelle. - 😎 -

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - ergänzt -

      Ach was!

      “ taz zahl ich - Die Infektionszahlen steigen wieder.“

      kurz - “Schau. Die Fischstäbchen springen.“ F. K. Waechter

  • Was für eine verlogene Debatte! Ehemalige SPD-Politiker verdienen Geld – und Deutschland nimmt übel.



    Das Erdgasprojekt Nord Stream 2, über das wir den Fortbestand der Putin’schen Diktatur mitfinanzieren, wird als heldenhafter Widerstad gegen Donald Trump, der uns amerikanisches Fracking-Gas verkaufen will, gefeiert, aber Gerhard Schröder ist ein Verräter, wenn er daran verdient.



    Seit Jahren sind die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft bekannt. Das hielt aber weder Schalke 04 davon ab, sich von der Firma Tönnies sponsern zu lassen, noch Otto Normalverbraucher davon, billigste Nackensteaks auf den Grill zu schmeißen. Aber wenn Sigmar Gabriel sich dafür bezahlen läßt, in Deutschland unverkäufliche Schweinepfoten nicht in den Müll, sondern auf chinesische Teller zu bringen, wird das zum Skandal hochgejazzt.



    Einerseits wird ehemaligen Politikern vorgehalten, das Geld, das sie mit Beraterverträgen verdienen, doch gar nicht nötig zu haben, andererseits scheint es völlig in Ordnung, wenn Milliardäre Dividenden kassieren und ihre Angestellten auf Staatskosten in Kurzarbeit schicken.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Raimund Poppinga:

      Herr Sigmar Gabriel war schon 2015 zu seiner aktiven Zeit als Wirtschaftsminister, bei der Firma Tönnies vorstellig, um sich über die Machenschaften vor Ort kundig zu machen - was wurde verbessert ?



      Was sagen die Hamburger noch ?



      " wenn aus Schiet..."