Umstrittene Haustürgeschäfte: Wenn der Vertreter zweimal klingelt
Haustürgeschäfte sind auch in Zeiten von Social Media noch üblich. Bei Verbraucher:innen sind sie unbeliebt – bei Unternehmen sieht es anders aus.
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Vereinbart oder angekündigt sei der Termin nicht gewesen und der Vertreter habe sich auch sehr hartnäckig gezeigt gegenüber Versuchen, ihm den Zutritt zur Wohnung zu verweigern. Nur mit der Vereinbarung eines Ausweichtermins sei er ihn losgeworden, so der Leser – und an dem Termin sei er selbst dann einfach nicht zu Hause gewesen.
Was hier geschildert wird, ist kein Einzelfall. Vor Jahren waren es Vermarktungsvertreter:innen für Staubsauger und Zeitschriften, die an Haus- und Wohnungstüren klingelten und auf ein schnelles, allzu häufig auch unüberlegtes Geschäft hofften. „Haustürgeschäfte“ wurde die Masche genannt. Die Produkte haben sich gewandelt und der Name auch. Direktmarketing oder Direktvertrieb heißt es heute, wenn Vertreter:innen vor der Tür stehen. Aktuell besonders beliebter Gegenstand des Direktvertriebs: Verträge für Glasfaseranschlüsse.
„Haustürgeschäfte sind immer wieder ein Problem, gerade im Bereich Telekommunikation“, sagt Julia Rehberg, Expertin für Verbraucherrecht und Telekommunikation bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
In der Hansestadt gab es dem Beschwerdeaufkommen bei der Verbraucherzentrale nach zu urteilen im vergangenen Jahr eine Welle an Haustürgeschäften, die dem in Wiesbaden ähneln: Ein Vertriebler steht vor der Tür und gibt an, nur eine technische Komponente des Internetanschlusses prüfen zu wollen. Kommt es so weit, zieht er irgendwann die Vertragsunterlagen für einen Glasfaseranschluss aus der Tasche. In der Regel sind hier laut Rehberg Mitarbeitende von Subunternehmen unterwegs.
Regeln für Vertreter:innen
Telekom-Sprecherin Stefanie Halle bezeichnet den Direktvertrieb als „wichtigen Kanal, der Kundinnen und Kunden eine umfassende Beratung und einen Service bei sich zu Hause bietet und daher sehr geschätzt wird“. Für die Vertriebspartner gebe es klare Regeln. So müssten sie etwa Telekom-Kleidung tragen und ein Autorisierungsschreiben der Telekom bereithalten. Die Aussage, einen Router prüfen zu wollen, sei falsch, das sei nicht Aufgabe der Direktvermarkter. „Wir werden die Vertriebsteams intensiv nachschulen“, sagt Halle.
Verbraucherschützerin Rehberg weist darauf hin, dass die Subunternehmen ihren Mitarbeitenden häufig Provisionen bei Abschlüssen zahlen würden. „Das verleitet anscheinend manche Vertreter dazu, unlauter zu handeln“, kritisiert sie. Rehberg spricht sich daher dafür aus, Besuche von Vertreter:innen ohne vorherige Terminvereinbarung gar nicht mehr zu erlauben.
Auch bei Verbraucher:innen sind die Haustürgeschäfte unbeliebt. In einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) von 2020 gaben 98 Prozent der Befragten an, sie fänden das Format nicht geeignet für den Abschluss von Verträgen oder das Kaufen von Waren. Rund jede:r zehnte Befragte gab an, in den vorangegangenen 24 Monaten ungewollterweise einen Vertrag an der Haustür abgeschlossen zu haben.
14 Tage für den Widerruf
Wer nach einem Kauf oder Vertragsabschluss an der Wohnungstür feststellt, dass das Ganze doch nicht so gewünscht war, muss momentan schnell handeln. 14 Tage haben Kund:innen Zeit, den Abschluss zu widerrufen. Rehberg weist darauf hin, dass diese Frist nicht etwa mit dem Erhalt eines Produktes – zum Beispiel dem neuen Router – beginnt, sondern in der Regel mit Vertragsabschluss.
Rehberg rät Verbraucher:innen dazu, Vertreter:innen ohne zuvor vereinbarten Termin gar nicht erst in die Wohnung zu lassen. „Was man da abschließt, werden nicht die besten Konditionen auf dem Markt sein.“ Vor allem warnt sie davor, auf einem Tablet zu unterschreiben. Dort habe man meist keinen Überblick über die Vertragsbedingungen – und auch nicht direkt die Unterlagen zu Hause, um einen Widerspruch an den richtigen Empfänger schicken zu können.
Habe man bereits unterschrieben und wolle den Vertrag doch nicht, solle man schnellstmöglich widerrufen – und das aus Beweisgründen am besten per Einschreiben. Den Vertreter, der vielleicht eine Visitenkarte hinterlassen habe, anzurufen, reiche für einen Widerspruch nicht aus.
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