Umstrittene Gesetzesänderung in Bosnien: Protest gegen Wahlgesetz

Der Hohe Repräsentant Christian Schmidt will in Bosnien und Herzegowina Forderungen kroatischer Nationalisten nachgeben. Es regt sich Widerstand.

Christian Schmidt vor einer Fahne

Christian Schmidt Foto: Elman Omic/picture alliance

SPLIT taz | Es war ja anfangs nur so eine Idee. Als Dervo Sejdić, Mitglied der NGO „Kali Sara Roma“, am Montagmorgen davon sprach, man müsse gegen den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt demonstrieren, wusste er noch nicht, dass er damit eine Welle lostreten würde. Aber er hatte auch den Nerv bei den Parteien, den Sozialdemokraten SDP, der Naša stranka (Unsere Partei) und sogar der muslimischen Nationalpartei SDA getroffen.

Und so versammelten sich am Montagabend bei der größten Demonstration seit Jahren mehr als 7.000 Menschen vor dem Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) in Sarajevo, von wo aus Schmidt die Umsetzung des Dayton-Friedensabkommens überwacht. Schmidt plant in diesen Tagen, das Wahlgesetz und die Verfassung nach Vorstellungen der nationalistisch-kroatischen HDZ in Bosnien und Herzegowina und des Nachbarstaates Kroatien zu verändern – und das nur zwei Monate vor den Wahlen.

Durchsetzen kann er dies, weil er über Sondervollmachten, die sogenannten Bonn Powers verfügt. Er will eine Dreiprozenthürde für die Entsendung von Vertretern aus einem der zehn Kantone einführen. Wo eine der drei konstituierenden Bevölkerungsgruppen weniger als drei Prozent ausmacht, soll kein Vertreter mehr entsandt werden. Dadurch kann sich die HDZ mehr Sitze der Völkerkammer sichern.

Dagegen stellen sich nun die Demonstranten. Sie wollen keine weiteren ethnischen Teilungen wie diese mehr, so der Tenor des Protests. Alles blieb friedlich, bis auf Störmanöver der muslimischen Nationalpartei SDA, die unter gellenden Pfiffen das Kommando übernehmen wollte. Für den Mittwoch sind weitere Demonstrationen angesagt.

Demokratische Reformen bleiben aus

Der Rom Dervo Sejdić ist gemeinsam mit dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Jakob Finci vor Jahren erfolgreich vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gezogen, weil er in Bosnien diskriminiert wird: Weil er sich nicht als Bosniake, Serbe oder Kroate identifiziert, kann er bis heute nicht für die Mitgliedschaft in der Präsidentschaft kandidieren. Jeder Mensch habe in der Demokratie die gleichen Rechte und das politische System in Bosnien und Herzegowina müsse sich den Standards in Europa angleichen, lautete damals das Urteil.

Das war 2008. Doch seither ist nichts geschehen. Alle Versuche, eine Verfassungsreform durchzusetzen, sind an den Widerständen der Nationalisten und ihrer Sympathisanten in der internationalen Gemeinschaft und der EU gescheitert. Als der CSU-Politiker Christian Schmidt im Mai 2021 sein Amt antrat, war dies mit der Hoffnung verbunden, dass endlich Bewegung in die Verfassungsdiskussion kommen würde. Und als vor zwei Wochen der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit forderte, das Land in einen demokratischen Rechtsstaat weiterzuentwickeln, schöpften viele Menschen in Bosnien wieder Hoffnung.

Doch nun hat Schmidt ein Projekt vorgelegt, das genau in die gegenteilige Richtung zielt und im Teilstaat kroatisch-bosniakische Föderation weitere ethnische Trennungen ermöglichen würde. Damit gibt Schmidt jenen kroatischen Extremisten recht, die seit Jahren die Institutionen des Teilstaates bosniakisch-kroatische Föderation blockieren und behaupten, die Kroaten seien eine bedrohte Minderheit in Bosnien und müssten um ihr Leben fürchten.

Dabei sind Kroaten vergleichsweise privilegiert. Mit 15 Prozent der Bevölkerung besetzen sie 30 Prozent der Posten im Staatsapparat. Alle bosnischen Kroaten haben ein Anrecht auf einen EU-Pass der Republik Kroatien, während die anderen Gruppen mit bosnischem Pass in vielen Ländern Nachteile hinnehmen müssen.

Dass sich Schmidt auf die Forderungen der kroatischen Nationalisten einlassen will, hat das Amt des Hohen Repräsentanten jetzt schon beschädigt. Zumindest hat er die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich vereinigt.

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