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Umstrittene Armenien-ResolutionBundesregierung will sich distanzieren

Deutsche Abgeordnete dürfen Bundeswehrsoldaten im türkischen Stützpunkt Incirlik nicht besuchen. Nun beabsichtigt Berlin, der Türkei entgegenzukommen.

Die Bundeswehr hat in Incirlik mehr als 200 Soldaten sowie sechs Tornado-Aufklärungsjets stationiert Foto: dpa

Berlin dpa | Die Bundesregierung will nach Spiegel-Informationen auf Distanz zur Armenier-Resolution des Bundestags gehen. Geplant sei eine politische Geste an die türkische Regierung, damit deutsche Abgeordnete die in Incirlik stationierten Bundeswehr-Soldaten wieder besuchen dürfen. Das Auswärtige Amt und das Kanzleramt hätten sich darauf geeinigt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Armenien-Resolution des Bundestages distanzieren solle, hieß es am Freitag bei Spiegel Online.

Laut Spiegel wird Seibert verkünden, dass die Resolution des Bundestags keinerlei bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe: Es handele sich um eine politische Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung.

Die Türkei verweigert deutschen Abgeordneten seit Verabschiedung der Armenier-Resolution Anfang Juni den Besuch bei den auf der türkischen Nato-Basis Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten. Der Bundestag bezeichnete in dem Beschluss das Vorgehen des Osmanischen Reichs gegen die Armenier vor mehr als 100 Jahren als Völkermord. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte an der Abstimmung ebenso wenig teilgenommen wie Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Die Bundeswehr hat in Incirlik im Süden der Türkei mehr als 200 Soldaten sowie sechs Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie sollen den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen.

Zuletzt hatte die Bundesregierung betont, sie wolle sich im Streit mit der Türkei über das Besuchsverbot nicht unter Druck setzen lassen. Außenminister Steinmeier wies am Montag die Forderung seines türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu nach einer Verknüpfung dieser Frage mit der Armenier-Resolution des Bundestags zurück. „Ich sehe nicht diesen unmittelbaren Zusammenhang und das habe ich dem türkischen Kollegen auch gesagt“, sagte Steinmeier in einem Interview für die ARD-Sendung „Farbe bekennen“.

Cavusoglu hatte zuvor in Ankara ein deutsches Entgegenkommen in der Frage zur Bedingung für eine Lösung des Incirlik-Streits gemacht. „Wenn Deutschland die notwendigen Schritte unternimmt, werden wir den Besuch ermöglichen“, sagte er, verschwieg aber, welche konkreten Schritte er meint. Die Regierung in Ankara hatte bereits einem Staatssekretär und mehreren Abgeordneten den Besuch der deutschen Soldaten in Incirlik untersagt.

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31 Kommentare

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  • Das wäre dann zumindest nicht das erste Mal, dass eine Regierung sich von historischen Tatsachen distanziert, ist aber bereits als gezielte Falschmeldung entlarvt.

  • 3G
    34420 (Profil gelöscht)

    Ein bisschen mehr Engagement beim Zurückrudern kann man doch nun aber auch nach der ersten Empörungswelle erwarten.

     

    Vielleicht ist der Spiegel einer gezielten (?) Fehlinformation aufgesessen?

    Vielleicht wollte er selbst ein wenig Wahlkampf machen?

     

    So oder so. Der Sonntag wird interessant. Ich tippe auf um die 30% für die AfD.

    • @34420 (Profil gelöscht):

      // nach der ersten Empörungswelle

      Diese Welle ist ja wohl auch gut nachvollziehbar. Ich kann nur hoffen, daß das ganze wirklich ein Irrtum ist.

       

      // Ich tippe auf um die 30% für die AfD.

      Fürchte ich auch ... und kanns trotzdem nicht glauben, oder wills nicht glauben ...

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Und Herr Schulte, kleines Lehrstück über Symbolpolitiken gefällig?

  • Die Flugzeuge müssen halt nach Zypern oder Jordanien verlegt werden.

    Eine Herausforderung, die zu lösen ist.

    Wenn man sich einmal erpressen lässt, wird das immer so weiter gehen.

    Wenn unsere Regierung diese Problematik nicht erkennt, dann brauchen wir wohl eine andere Regierung.

  • Die Bundesregierung will sich distanzieren? Ich distanziere mich auch und das in aller Deutlichkeit ... von dieser "Bundesregierung", von diesem Land.

     

    Es hat den halben Vormittag gedauert, bis ich mich wirklich in zahlreichen Medien überzeugt habe, daß das nicht irgendeine Zeitungsente oder mal wieder vom Positllion abgeschrieben wurde.

     

    Statt sich um die Flüchtliche zu kümmern und eine vernünftige Flüchtlingspolitik zu fahren (Flüchtlichspolitik ist übrigens das Gegenteil von dämlichen, stigmatisierenden Burkadiskussionen und schwachsinnigen Katastrophentipps die nur Angst vor den ach so bösen Muslimen schüren sollen), zieht man es vor mit einem menschenverachtenden Diktator ins Bett zu steigen, damit er den EU-Türsteher macht - und sch**ßt noch so ganz nebenbei auf die Aufarbeitung eines Völkermords.

     

    Seit Jahren kann ich über diese "Regierung" nur noch schimpfen, aber das schlägt jetzt wirklich allen vorhandenen Fässern jegliche Böden aus.

     

    Ich schäme mich abgrundtief, Deutscher zu sein.

     

    Weg mit diesem ganzen Verein!!!

    • @Nachtvogel:

      Dem gerade neu erschienen Artikel in der Sache nach, ist es nun doch nicht so?

       

      Hoffentlich bewahrheitet sich das. alles andere wäre .. indiskutabel.

  • Die Türkei ist für Europa und die USA geostrategisch viel zu wichtig, um ihr in dieser Frage, die keinem weh tut, entgegenzukommen. Es gibt auch eine Verantwortungsethik seitens der Regierung. Diese nimmt sie wahr und akzepztiert die Realitäten. So läuft interessengeleitete Politik.

  • 3G
    34420 (Profil gelöscht)

    Damals die Armenier, heute die Kurden. Die Methoden sind nur etwas "vornehmer" geworden.

     

    Kann diese NATO sich den Verlust der Türkei leisten? Natürlich nicht. Das weiß Erdogan und das weiß auch Merkel. Dieser Knicks ist weltpolitisch ein Klacks.

     

    Aber ekelhaft.

     

    Es ist doch sehr erstaunlich, dass dieser Genozid von anderen europäischen Ländern so intensiv beschwiegen wird.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Die Regierung will sich von unserer Volksvertretung distanzieren.

    Wo bleibt der Aufschrei?

  • Die geerbte Schuld Osmaniens setzt sich mit der heutigen despotischen Regierung der Türkei fort.

    Wer das nicht verurteilt, sollte es nicht noch herausposaunen, vor allem nicht wider besseren Wissens.

    So wird dieses despotische Regime zu noch weiteren Verbrechen in und ausserhalb der Türkei ermutigt.

  • 3G
    35381 (Profil gelöscht)

    Zuerst dachte ich dies sei ein verspäteter Aprilscherz.

    Ist es doch oder?

    Alles andere ist nicht vorstellbar!

  • Man muss sich da mal bewusst machen, was da geschieht. Die Bundesregierung distanziert sich vom Bundestag. Die Bundesregierung distanziert sich also von meiner Willensbildung! Auch wenn das, was Herr Seibert erklären wird, formaljuristisch korrekt ist, so ist die gesamte Information unehrlich und verlogen. Die Information hat einen Kontext und eine Motivation. Kontext ist der Zugang zu Incirlic und Motivation ist die Verlesung einer Erklärung im Auftrag von Erdogan. Ich will von dieser Bundesregierung eine offizielle Erklärung, dass sie hinter der Armenien-Resolution des Bundestages steht! Das soll der Bundestag beantragen!

  • Ja wie?

     

    Die haben doch alle - &

    (Mit Tayyip Erdo gan einig!) -

    exIM Wolfgang C.S.S.chäuble -

    Rollte doch nur vorweg*! -

    Ihren Carl Schmitt -

    Kronjurist der Nazis -

    Längst voll - Internalisiert!

    "Parlament?" -"Quasselbude!"

    So geht das!

     

    *http://www.zeit.de/2007/33/Schaeubles_Nachtlektuere http://m.welt.de/welt_print/article1418727/Schaeubles-schauderhafte-Nachtlektuere.html

    • @Lowandorder:

      Bedenklich ist, dass der Zeit-Artikel dort keine Kommentiare angeregt hat - gute Nacht! Da werden am Ende wohl nur Leute wie Ströbele im Parlament niedergestimmt werden - horribile dictu.

  • Es geht um Gesten. Die deutschen Abgeordneten wollen die Bundeswehr-Touristen in Incirlik besuchen um zu zeigen, dass sie sich von Erdogan nicht einschüchtern lassen.

     

    Die Merkel-Regierung zeigt genau das Gegenteil.

     

    Insgesamt alles albern.

  • Diese Resolution hat keine juristische Bedeutung für die Türkei. Das kann man ruhig sagen, das stimmt nämlich.

     

    Dass ein Beschluss des Bundestages keinerlei juristische Bedeutung für die Bundesregierung hat, sollte man besser nicht sagen, das ist politischer Selbstmord.

  • Kaum zu Glauben: Wegen dieses so harmlosen Besuchs kriecht diese demokratisch gewählte, marktkonforme, den westlichen Werten verpflichtete [Platz für weitere Schlagworte]Regierung vor der türkischen zu Kreuze. Wie oft fanden dies Besuche denn sonst immer statt? Wöchentlich?

     

    Was macht die Bundeswehr denn tatsächlich dort? Die Türkei beim Kampf gegen den IS unterstützen? Wie soll das denn aussehen?

     

    Was machen denn nun die Abgeordneten der CDUCSUSPD, die ja größtenteils für die Resolution gestimmt haben, wenn Ihnen vom Sprecher ihrer eigenen Regierung erklärt wird, dass sie auf deren Meinung pfeift? Wohlgemerkt von Sprecher und nicht mal von ihr selbst.

    • @Stefan mit f:

      Das würde so aussehen, wie wenn Nelson Muntz von den Simpsons Bart mit dessen eigener Faust verhaut... "Hör auf dich selbst zu hauen..."

      Die Türkei kämpft nicht gegen den IS... Die haben sich mit denen abgesprochen, dass der IS denen nen paar Städte leer geräumt überlässt.

  • Diese Reaktion der Regierung ist ungewöhnlich und zeigt, wie wenig das Parlament und die gewählten Abgeordneten respektiert werden.

    Vielleicht sollte das Parlament sich seiner Aufgabe bewusst sein, nämlich den Bürgerwillen zu repräsentieren und nicht einzuknicken.

    Hierzu gibt es ein geeignetes Instrument, nämlich den Misstrauensantrag.

  • Hier kann jede Bürgerin und jeder Bürger zeigen, was man in Deutschland unter Rückgrat versteht:

     

    "Wir, die Unterzeichnenden, fordern von der Bundesregierung, im Geiste der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages zu handeln und insbesondere gegenüber der Türkei entsprechend aufzutreten. Eine Distanzierung der Bundesregierung von diesem - nahezu einstimmig gefassten - Parlamentsbeschluss der gewählten Vertretung der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands lehnen wir ab."

    https://www.openpetition.de/petition/online/armenien-resolution-muss-von-der-bundesregierung-umgesetzt-werden

  • Frau Merkel hat erhebliche Probleme mit ihrem Rückgrat. Traue keinem Po-litiker und Theologen, du wirst stets nur angelogen. Der Politiker verspricht vor der Wahl das blaue vom Himmel, der Theologe begnügt sich mit der Verkündung, nach dem Tode wird alles besser.

    Die Worte hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

    Johann Wolfgang zu Goethe

    • @Querdenker:

      // Probleme mit ihrem Rückgrat.

       

      Welches Rückrat? Ich gehe davon aus, daß Ihr ständiger Hosenanzug so eine Art Exoskelett darstellt, denn diese Frau hat eines garantiert nicht: Rückgrat!

    • @Querdenker:

      Ach wenn's nur eine Frage des individuellen Rückgrats wäre - viele kommen in der Politik sowieso ohne aus. Es geht um Innenpolitik und dafür ist die GROKO insgesamt verantwortlich. Seit zwei Wochen steigen auf den Ostägäischen Inseln - vor der türkischen Küste - die Zahlen der ankommenden Flüchtlinge wieder. Das ist das Mittel, mit dem Erdoghan Druck ausübt. Darüber schweigt man bei uns und knickt vor der AfD un den 'Volldeutschen' in MeckPomm und Berlin ein. Bloß keine Debatte um die Zukunft der Flüchtlinge, sollen sie doch auf den griechischen Inseln vermodern - das ist unsere Realpolitik. Deshalb lässt sich die Regierung von den türkischen Nationalisten - AKP, CHP, MHP - erpressen.

  • Das glaube ich jetzt erstmal nicht. Sollte es sich doch als wahr herausstellen, verkauft diese Bundesregierung die letzten Werte - das will ich mir jetzt erstmal nicht ausmalen.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    [...] Schon das in der Körpersprache deutlich zutage getretene Auftreten von Martin Schulz vor Sultan Reccep verursacht einen starken Würgereiz! Die USA knicken ein, EU und Deutschland folgt sofort auf dem Fuße. Die deutsche Regierung ist höchst daran interessiert, die Geflüchteten so weit wie möglich fernzuhalten, da ist jedes Mittel recht, außer - einer ehrlichen und wirksamen Bekämpfung der Fluchtursachen. Und sei es erst mal eine nenneswerte Hilfe um die Kriesenherde herum.

     

    Beitrag gekürzt. Bitte bleiben sie sachlich.

  • Bundesregierung wieder mal Aufrecht auf den Knien. Hauptsache Erdoghan hält uns weiterhin die Flüchtlinge vom Hals. 1915 wollte die Kaiserliche Regierung den Osmanischen Verbündeten nicht brüskieren und unterdrückte Informationen über die Armenier- und Christenverfolgung. 2016 sind wir anscheinend nicht sehr viel weiter....

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Philippe Ressing:

      nicht "anscheinend" - überhaupt nicht!!!

  • 3G
    34420 (Profil gelöscht)

    Vielleicht sollten die Abgeordneten auf allen Vieren nach Incirlik kriechen. Und auch sonst viel, viel demütiger gegenüber der Friedensmacht Türkei auftreten.

  • wie heisst doch gleich das tier, dass seine farbe der umgebung anpasst

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Ein weiteres Armutszeugnis unserer Regierung. Sie hat einfach kein Rückgrat. Erdowahn wird sich ins Fäustchen lachen. Und wieso müssen eigentlich ständig Abgeordnete die paar Soldaten in Incirlik besuchen?