Umgangston in Behörden: Die Corona-Freundlichkeit

In Zeiten der Pandemie sind Be­hör­den­mit­ar­bei­te­r*in­nen auf einmal viel freundlicher zu mir. Zumindest so lange, bis sie meinen Trick durchschauen.

Eine Mitarbeiter des Verkehrszentralregisters zieht im Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg eine Akte aus dem Regal.

An diesem Arm steckt Dank Corona ein freundlicher Mensch – zumindest vielleicht Foto: dpa / Carsten Rehder

Große Katastrophen schweißen die Menschen tatsächlich zusammen. Seitdem es mit der Coronapandemie losging, sind die Leute viel höflicher, achtsamer und rücksichtsvoller geworden. Ja, selbst bei der Ausländerbehörde!

Als ich letzte Woche bei Frau Kottzmeyer-Göbelsberg war, hat meine zuständige Sachbearbeiterin mich entgegen ihren Gepflogenheiten keine Sekunde warten lassen und mich auch nicht mit tausend Fragen bombardiert, sondern war total entgegenkommend. Vorher hatte ich allerdings kurz erwähnt, dass meine gesamte Familie an Corona erkrankt sei und das Bett hüten müsse und ich deshalb dringend nach Hause muss, was nicht unbedingt ganz der Wahrheit entsprach.

Danach hat es genau 13 Sekunden gedauert, bis ich alle Papiere unterschrieben und gestempelt ausgehändigt bekam und höflich verabschiedet wurde.

„Herr Engin, hauen Sie bloß ab! Lassen Sie sich in meinem Büro bis 2030 nicht mehr blicken!“

Diese neuen, superfreundlichen Umgangsformen in den Behörden sind natürlich die Gelegenheit, all meine Streitigkeiten schnell aus der Welt zu schaffen. Jetzt oder nie!

Selbst die sehr heikle Sache beim Finanzamt wickele ich binnen 27 Sekunden zu meiner Zufriedenheit ab, die mich seit 27 Monaten unglaublich quälte und auf eine Gefängnisstrafe nicht unter zwei Jahren hinauslief, wie mir in jedem Schreiben gedroht wurde.

Dem Knast leichtfüßig von der Schippe gesprungen, gehe ich danach strahlend zur Verkehrsbehörde.

„Oh, Herr Engin, was für eine Ehre! Eigentlich war Ihr Termin vor 72 Tagen“, empfängt mich der Beamte, ohne sich vorher nach meinem Befinden zu erkundigen.

„Herr Nöllemeier, hoffentlich dauert es nicht wieder so lange“, grüße ich zurück. „Denn meine gesamte Familie muss leider coronakrank das Bett hüten!“

„Herr Engin, so wie es aussieht, werde ich wohl den Staatsanwalt einschalten müssen.“

„Apropos, Staatsanwalt, sogar meine Schwiegermutter hat dieses verdammte Coronavirus“, unterbreche ich ihn.

„Sie haben vier Mahnungen bekommen, aber Sie haben die völlig ignoriert. Die letzte war vor fünf Wochen!“

„Apropos, fünf Wochen, vor genau fünf Wochen ging es mit Corona bei uns los. Und ich mittendrin.“

„Die Mahngebühren, die Sie inzwischen bezahlen müssen, sind viel höher als der eigentliche Betrag.“ Der Kerl ist so was von schwer von Begriff! Ich muss konkreter werden.

„Herr Nöllemeier, wenn bei uns alle Corona haben, dann habe ich es ja auch. Nicht, dass ich Sie anstecke!“

„Herr Engin, machen Sie sich keine Sorgen. Ich hatte bereits Corona.“

„Oh! Nicht, dass Sie mich anstecken! Darf ich nächstes Jahr wiederkommen?“

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