Umgang mit Geflüchteten in Coronakrise: Solidarität oder Scham
Das derzeit viel bemühte Kümmern um das Wohl Anderer endet bei den Geflüchteten in Sammelunterkünften. Dabei brauchen gerade sie unsere Hilfe.
E ine „konsequente Einhaltung der Kontaktbeschränkungen rettet Leben“. Dieser Appell prangte Anfang der Woche über einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums. Von Solidarität ist dieser Tage viel die Rede, Abstand halten das Gebot der Stunde. Was aber ist mit Menschen, die gerne Abstand halten würden – es aber nicht können?
Zum Beispiel, weil sie in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete leben, sich zu fünft oder zu sechst ein Zimmer teilen, von Waschräumen gar nicht zu reden? Auch nur eine einzige Infektion in einer solchen Einrichtung kann bedeuten, dass sämtliche Bewohner*innen in Quarantäne müssen. In Halberstadt betrifft das derzeit über 800 Menschen.
Das Virus unterscheidet nicht, heißt es. Es bedroht uns alle. Wir alle müssen die Kurve niedrig halten, heißt es. Um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Damit nicht Kapazitäten darüber entscheiden, wer behandelt werden kann und wer nicht. Wer gerettet wird.
Und doch sitzen in Flüchtlingsunterkünften Hunderte Menschen gezwungenermaßen eng aufeinander. Teils werden nicht einmal diejenigen, die zu einer Risikogruppe gehören, separiert. Stattdessen sehen sich kriegstraumatisierte Menschen plötzlich Polizeibeamten gegenüber, die mal in weiße Schutzanzüge gehüllt in der Unterkunft anrücken, mal Gitterzäune um diese herum aufbauen.
Die Forderung, Sammelunterkünfte abzuschaffen und geflüchtete Menschen dezentral in den Kommunen unterzubringen, ist wohl so alt wie Sammelunterkünfte selbst. Nicht zuletzt weil sich in so großen Gruppen von Menschen Krankheiten immer schnell verbreiten. Das Problem ist hausgemacht und wurde bewusst hingenommen.
Jetzt muss aber schnell gehandelt werden. Im ganzen Land stehen derzeit Hunderttausende Hotelzimmer leer. So viele, dass es ein Leichtes wäre, Geflüchtete aus den Sammelunterkünften dort in kleineren Gruppen einzuquartieren – was dazu noch den Hoteliers durch die Krise helfen dürfte.
Was fehlt, ist der politische Wille. Das muss sich ändern, und zwar sofort. Alles andere hieße: Es geht eben nicht darum, alle Menschen gleichermaßen vor dem Virus zu schützen. Dass sich Geflüchtete anstecken, nimmt dieses Land billigend in Kauf – solange ein Zaun sie vom Rest der Welt abriegelt.
Wenn aber unsere Solidarität mit dem Aufenthaltstitel endet, dann sollten wir uns schämen, das Wort je wieder zu benutzen.
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