Umfrage zu Prüfungen: Zu Hause lernt sich's halb so gut
Eine Umfrage unter 1.700 OberschülerInnen zeigt: Zu Hause ist für viele eine gute Vorbereitung auf den Schulabschluss nicht möglich.
Das Homeschooling wegen der Corona-Pandemie läuft irgendwie, aber läuft es auch gut? Der Landesschülerausschuss hat 1.700 OberschülerInnen gefragt, wie gut sie gerade mit dem Lernen zu Hause zurechtkommen – auch im Hinblick auf die anstehenden Prüfungen zum Abitur, die nach wie vor direkt am Montag nach den Osterferien beginnen sollen.
Mit der Umfrage per Messenger-Dienst habe man Rückmeldungen aus 128 Sekundarschulen und Gymnasien erhalten, sagt der Vorsitzende des Landesschülerausschusses, Miguel Gongora, am Dienstag der taz. Auf die Frage, wie gut sie sich grundsätzlich auf die Prüfungen vorbereitet fühlen, gab eine knappe Mehrheit (50,2 Prozent) an: „Unsicher bis sehr unsicher.“ Nur 27 Prozent fühlt sich „sicher bis sehr sicher“. 55,4 Prozent der Befragten gaben an, zu Hause weniger gut lernen zu können als in der Schule.
Die ungleichen häuslichen Lernbedingungen sind inzwischen auch Thema in mehreren offenen Briefen von SchülerInnen an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Am Kolleg Schöneberg etwa verfassten AbiturientInnen am Montag einen Protestbrief, in dem sie deshalb die Absage der Abi-Klausuren fordern: Gerade SchülerInnen auf dem zweiten Bildungsweg hätten jetzt oft kleine Kinder zu Hause oder Existenzsorgen wegen wegbrechender Nebenjobs.
LehrerInnen hatten bereits zu Anfang der Schulschließungen am 17. März darauf hingewiesen, dass die ungleichen Bedingungen zu Hause die ohnehin vorhandene Chancenungerechtigkeit noch verschärfen dürften – nicht nur im Hinblick auf die Abiturklausuren. Eine Neuköllner Lehrerin hatte der taz gesagt, dass viele ihrer SchülerInnen in der Mittelstufe keinen Rechner mit Internetzugang zu Hause haben – geschweige denn einen ruhigen Platz zum Lernen, weil die Wohnverhältnisse oft beengt seien.
Gleichwohl konnte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bereits letzte Woche einen „Rekord-Zugriff“ auf den digitalen „Lernraum Berlin“ verkünden: Seien es vor Corona 50.000 Zugriffe täglich gewesen, sei man jetzt bei rund einer Million Aufrufen pro Tag, mehr als 27.000 neue NutzerInnen hätten sich angemeldet.
Tatsächlich dürfte aber, unabhängig von den virtuellen Möglichkeiten, die Betreuung durch die LehrerInnen sehr unterschiedlich sein. Hört man sich unter Eltern um, reichen die Erfahrungen von Online-Schulstunden per Videoschalte bis zu einem kopierten Handzettel mit dem Hinweis, wie viele Seiten im Mathebuch zu bearbeiten seien. Eine Charlottenburger Gymnasiastin kritisiert in einem offenen Brief an Scheeres, der der taz vorliegt: Die Ungewissheit sei groß, nur „einige, wenige Lehrer“ hätten sich per Mail gemeldet und „letzte Tipps“ gegeben.
Der Landesschülerausschuss, das oberste Berliner Schülergremium, macht sich inzwischen ebenfalls für eine Absage der Abiturprüfungen stark. Am Freitag soll es dazu nach taz-Informationen eine Tele-Konferenz mit der Senatorin geben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?