Umfrage zu Einstellung und Motivation: Personalrat gegen Polizeistudie
Die Vertretung der Polizei in Baden-Württemberg boykottiert die bundesweite Polizeitstudie. Ministerpräsident Kretschmann will das nicht hinnehmen.
Der Hauptpersonalrat weigerte sich, einen Fragebogen der bundesweiten Polizeistudie an die Dienststellen des Landes zu verschicken. In der Umfrage geht es um die politische Einstellung, Motivation und Belastung der Beamtinnen und Beamten. Die Teilnahme an der Studie ist freiwillig.
Mit der Entscheidung widersetzte sich der Personalrat dem Willen der Innenministerinnen und Innenminister, die sich gemeinsam für die Studie ausgesprochen hatten. Entsprechend erstaunt reagierte Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Wir wollen, dass diese Studie gemacht wird.“ Auch Polizeipräsidentin Stefanie Hinz will an der Erhebung festhalten: „Ich halte es für sinnvoll, bei einer solchen Umfrage mitzumachen und zu schauen, was das über unsere Polizei im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aussagt.“
Weshalb genau der Personalrat die Studie blockiert, ist nicht bekannt. Aufgrund von gesetzlichen Schweigepfllichten wollte sich kein Mitglied öffentlich zu den Gründen äußern. Rückendeckung für die Entscheidung kommt vom Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. Viele Polizistinnen und Polizisten befürchteten, die Studie wolle nur bestehende Vorbehalte gegenüber der Polizei bestätigen. „Es geht in Deutschland niemanden etwas an, ob ich als Polizist rechts oder links bin“, sagte Wendt der taz. Die größte Vertretung von Polizistinnen und Polizisten, die Gewerkschaft der Polizei (GdP), hingegen unterstützt die Umfrage.
Auch Hamburgs Polizei blockiert
Durchgeführt wird die Studie von der Deutschen Polizeihochschule in Münster. Die Studienleitung will sich aufgrund der laufenden Befragung nicht zum Ausscheren der baden-württembergischen Polizei äußern. Genauso wenig dazu, wie viele Polizistinnen und Polizisten bereits an der Umfrage teilgenommen haben. Eine von Wendt verbreitete Rücklaufquote von zwei bis drei Prozent in Bayern dementierte Studienleiterin Anja Schiemann jedoch.
Der Vorsitzende des blockierenden Personalrats, Ralf Kusterer, ist in Baden-Württemberg bekannt für harsche Kritik am Innenministerium. Unter anderem lehnte er die mittlerweile beschlossene Kennzeichnungspflicht von Beamtinnen und Beamten ab. Ein anderes Mal wetterte er gegen den Aufbau einer Antidiskriminierungsstelle, die Polizistinnen und Polizisten sensibilisieren soll. Kürzlich legte Kusterer CDU-Innenminister Thomas Strobl öffentlich einen Rücktritt nahe, nachdem dieser ein Anwaltsschreiben an einen Journalisten weitergegeben hatte.
Neben der Polizei in Baden-Württemberg blockiert auch die Hamburger Polizei die Studie. Derzeit verhandelt der Personalrat in Hamburg mit dem Polizeipräsidium über eine Teilnahme an der Umfrage. Das Innenministerium in Baden-Württemberg will nun ebenfalls das Gespräch mit dem Personalrat suchen.
Das Bundesinnenministerium hatte die Studie bereits vor zwei Jahren in Auftrag gegeben. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Toleranz attestierte der deutschen Polizei im März 2020 „starke Indizien für ein ausgeprägtes Racial Profiling“ und empfahl eine Studie zu rassistischen Einstellungsmustern. Trotzdem sah der damalige Bundesinnnenminister Horst Seehofer (CSU) keinen Grund dafür. Erst der anschließend wachsende Druck und der Kompromiss, zusätzlich Themen wie Belastung und Berufszufriedenheit abzufragen, überzeugten den Ex-Minister.
Die ersten Ergebnisse der Polizeistudie sollen bereits auf der nächsten Konferenz der Innenministerinnen und Innenminister Ende November vorgestellt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht